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Editorial

Der Spruch, die Monatsgage des Hamlet im Theater Hof sei geringer als der Monatslohn des dortigen Bühnen-Seitenmeisters, machte schon in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Schauspielschulen die Runde und hielt dennoch niemanden davon ab, sich zum Bühnenkünstler ausbilden zu lassen. Kluge Kultur-Soziologen, wie bereits Julius Bab im Jahr 1931, erklärten den großen Andrang zu solchen Berufen mit sich stark verengenden Karriereaussichten, mit der „Berufung“ der Künstler und mit ihrem Traum vom „Marschallstab im Tornister“, den selbst der alte Barde noch träumt, wenn er in Hintertupfing den Dritten Sklaven in der Zauberflöte gibt.

Einen Beitrag zur Soziologie der deutschen Bühnen lieferte in ihrem Heft 28/2006 auch die Wochen-Publikums-Zeitschrift „Stern“. Groß aufgemacht und schon im Editorial des Chefredakteurs angepriesen, brachte sie eine umfangreiche Reportage ihres Wirtschafts-Autors Walter Wüllenweber, der aufgrund seiner Untersuchung der im Saarländischen Staatstheater Saarbrücken gegebenen Entgelt-Strukturen zu dem Ergebnis kommt, es herrsche dort und damit in der „ganzen Firma (deutsches) Theater“ „eine brutale Klassengesellschaft“.

Nicht frei von Zynismus sei gesagt: Wüllenweber stieß auf die alte Spruchweisheit aus den Schauspielschulen, die allerdings an Brisanz dadurch zugenommen hat, dass 1949/50 (ohne DDR) auf einen Mitarbeiter im technischen Apparat zwei Künstler kamen, während 1994/95 den zwei Künstlern 1,66 Personen aus dem Apparat zuarbeiteten. Der seither erfolgte massive Personalabbau an den deutschen Bühnen hat diese Verhältniszahl kaum verändert; die gestiegene Zahl an Gästen und Aushilfen lässt eine kurze Darstellung jedoch nicht zu.

Wüllenwebers „Enthüllungen aus dem Kulturbetrieb“ kranken daran, dass er sich ein zwar in einer Landeshauptstadt angesiedeltes, doch allenfalls – ungeachtet aller künstlerischen Verdienste – mittleres Mehrsparten-Stadttheater zum Maß aller Dinge wählt und dass er bei seiner Recherche alles unterdrückt, was nicht ins Bild passen will. So lässt er beispielsweise bei seinen Angaben zu Anzahl und Gagenhöhe der solistisch tätigen Künstler alle Gäste und auf Stückvertrag Beschäftigten weg. Zurecht geißelt er die Unsitte der Intendanten, bei ihrem Amtsantritt mehr oder weniger willkürlich das künstlerische Personal auszuwechseln, doch bei seiner Attacke auf die an den Bühnen üblichen Zeitverträge („sonst in allen Branchen verbotene Kettenverträge“, wird behauptet) übersieht er geflissentlich, dass diese Praxis deshalb sogar tarifvertraglich fixiert werden musste, weil die höchsten deutschen Gerichte – Bundesarbeitsgericht und Bundesverwaltungsgericht – sie im Interesse der Kunstfreiheit und eines unterstellten Abwechslungsbedürfnisses des Publikums geradezu gefordert haben. Selbst das Bundesverfassungsgericht gab bei der ihm zur Entscheidung vorgelegten Abwägung zwischen dem Sozialstaatsgebot nach Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes und dem Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Freiheit der Kunst (!) und der Wissenschaft nach Artikel 5 des Grundgesetzes Letzterem den Vorrang: Wer den künstlerischen Gehalt und das Programm prägt, kann, ohne Festanstellungsanspruch zu erlangen, immer wieder auf Zeit beschäftigt werden. Das gilt sogar für Opernchorsänger und Gruppentänzer, nicht allerdings für Orchestermusiker.

Doch von all dem und manch Anderem abgesehen: Tendenziell ist an Wüllenwebers allein am Entgelt orientierter Darstellung des „Klassensystems am deutschen Theater“ und der daraus resultierenden Hierarchie Einiges, wenn auch nichts Neues dran. Die „Unterschicht der armen Schweine“ sind bei ihm die Solisten und Tänzer, die Opernchorsänger bilden die „untere Mittelschicht“, während die Mitarbeiter in Technik, Werkstätten und Verwaltung der „oberen Mittelschicht“ angehören. Die Orchestermusiker stellen die „Oberschicht“ dar, die von der Theaterleitung gekrönt wird: Der Intendant „verdient so viel wie der Ministerpräsident“, der Generalmusikdirektor mit fünfmonatiger Anwesenheitspflicht in Saarbrücken allerdings nur ungefähr so viel wie ein Minister.

„Der Apparat hat übernommen“ und „er verbrät das meiste Geld“, schreibt Wüllenweber. An diesem Thema hatte sich schon die vom verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau initiierte Arbeitsgruppe „Bündnis für Theater“ die Zähne ausgebissen. Diese Lücken im Gebiss sind geeignet, alle Theaterfeinde im Lager der Haushaltspolitiker zu ermuntern. Eine dennoch erfolgreiche, befriedigende neue Spielzeit wünscht Ihnen

Ihr Stefan Meuschel

 

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