Ihr letztes großes Tanzstück für das Staatstheater der fränkischen Metropole hatte am 17. Mai Premiere. Und obwohl der Titel „Nächster Halt: Freiheit!“ eine mehrdeutige Auslegung geradezu herausfordert („eine schöne Fügung“), ist sein Schwerpunkt ganz eindeutig ein sozialkritischer und politischer. Noch bevor der Vorhang sich hebt, rezitiert eine Stimme aus dem Off die neue Hausordnung des Theaters und weist das Publikum an, gefährliche Gegenstände beim Personal in Verwahrung zu geben. Das Verhüllen des Gesichts ist verboten, so wie Emotionen, da diese – registriert über ein neuartiges Sensorensystem an den Sitzen – Alarm auslösen. Auf den Hinweis der Videoüberwachung des Zuschauerraums folgt die Aufforderung, das Mobiltelefon zwar leise zu stellen, aber nicht auszuschalten, damit die Besucher auch ja geortet werden können. Dieser verbale Auftakt, beißend witzig von der Autorin Juli Zeh speziell für den Abend ausformuliert, provoziert so manchen Lacher. Etwas später nimmt Kurz darauf Bezug, wenn sie ihre Tänzer in Designermilitärklamotten (Kostüme: Frank Albert) vor einer Mauer aus aufgerichteten Tischen über die Vorderbühne marschieren und einen älteren Herrn aus dem Parkett vor aller Augen in grober Manier filzen und in die Psychomangel nehmen lässt. Das Thema ist ernst und Bilder von Gewalt, Terror, Gefangenschaft, Krankenlager und Verhören prägen den Großteil der 90 Minuten dauernden Choreografie. Ihre Struktur gründet, wie schon so oft zuvor bei Daniela Kurz, auf einer intensiven gemeinsamen Recherchearbeit der gesamten Nürnberger Mannschaft. Im Fokus steht dabei der Begriff „Freiheit“. Ein Grundimpuls war dabei die Angst vor dem Terrorismus, die die Menschen weltweit nach immer mehr (vermeintlicher) Sicherheit suchen lässt und im Zuge derer auch hierzulande – bisher zumeist ohne größere Auflehnung – erste freiheitlich-demokratische Grundrechte aufgegeben werden. Daniela Kurz schildert, wie sie in der Vorbereitungsphase über mehrere Tage Menschenrechtspreisträger der Stadt Nürnberg im Studio zu Gast hatte, die über ihre Arbeit berichteten. „Wir besuchten gemeinsam das Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände und starteten außerdem eine große Umfrage, wobei wir Zuschauer sowie verschiedene Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Religion und Politik baten, uns ihren persönlichen Freiheitsbegriff zu definieren. Das Überraschende dabei war, dass die Menschen Freiheit überwiegend nur über das Gegenteil, die Unfreiheit definieren. Aus der Materialfülle haben wir dann versucht, diejenigen Elemente herauszufiltern, die für verschiedene Ebenen, Orte und auch Zeiten sprechen.“ Auf diese Weise ist ein Werk entstanden, das bisweilen fast schon zu eindeutig Begebenheiten zum Thema Unterdrückung in Wort und Bewegung zitiert, ohne jedoch einen wirklichen Spannungsbogen aufzubauen oder nachhaltig zu kommentieren. Nach einem eindrücklichen Solo – einem der wenigen, in dem die individuelle Auseinandersetzung mit der „Freiheit“ anklingt –, umwickelt eine Frau einen Mann, der in einem einseitig geöffneten Kubus Schutz und Zuflucht sucht, mit einem orangefarbenen Tuch und steckt ihm eine Fackel in die erhobene Hand. Zum Symbol der Freiheitsstatue mutiert, wird der arme Kerl daraufhin von einem Miniflieger bedroht. Die Anspielung ist klar, ebenso, wenn die Tänzer ihre bloßen Unterarme vorzeigen: Hier standen die Nummern der KZ-Häftlinge. In Guantanamo werden sie heutzutage mit Filzstiften dorthin geschrieben... Live durch den Saal dröhnende Trommelsalven und Schläge auf den Bühnenboden (Anno Kesting) sowie in elektronische Soundkreationen gebettete Trompetenklänge (Udo Moll) begleiten das Geschehen, an dessen Anfang und Ende die zwölf Tänzer in verschiedenartigen weißen Gewändern das Publikum in einem wirbelnden Bewegungsfluss auf die Reise zu einer multikulturellen Utopiegemeinschaft entführen. Geschickt hantieren die durchweg exzellenten Darsteller mit wenigen Requisiten. Und die einzelnen Szenen, wenngleich manchmal ein wenig in die Länge gezogen, verschmelzen zu einem anschaulichen Bilderreigen, dessen Stärken trotz gut gecoachter Sprechpassagen (Co-Regie: William Nadylam) in den so fabelhaft wie hingeworfen wirkenden Tanzmomenten liegen. Vesna Mlakar
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