In seiner Anfangszeit hatte Händel das Publikum vorwiegend mit Zauberopern beeindruckt, jetzt wurden Heldenopern mit historischen Stoffen nach italienischen Vorlagen gespielt. Die einzige Ausnahme war „Admeto“ von 1727 mit einem mythologischen Hintergrund. 1729 gründeten Händel und Heidegger die so genannte Second Academy und warben neue Sänger an. An den Opernsujets änderte sich zunächst nichts, die bekanntesten Werke aus der ersten Zeit sind „Partenope“ (1730) und „Poro“ (1731); mit ihnen konnte der Komponist noch einmal an die früheren großen Erfolge aus der Zeit der Royal Academy anknüpfen. Doch in der Spielzeit von 1733/34 wechselte Händel mit „Orlando“, „Ariodante“ und „Alcina“, die alle auf Ludovico Ariostos Dichtung „Orlando furioso“ zurückgehen, in den Themenkreis der Ritterromantik, mit „Arianna in Creta“, „Atalanta“ sowie dem Pasticcio „Oreste“ dann in den der antiken Sagenwelt, in den er sich am Ende seines Opernschaffens mit „Giove in Argo“, „Imeneo“ und „Deidamia“ zurückbegab. Zwischendurch experimentierte er wieder mit Libretti zu politischen Themen mit moralisch verdorbenen Herrschern, die die Paare zwingen, um ihre Liebe zu kämpfen. Zu diesem Typ gehörten schon die wenig erfolgreichen Opern „Floridante“, „Flavio“ und „Ezio“, nun folgten „Arminio“, „Berenice“, „Giustino“, „Faramondo“ und „Serse“. In den ersten und letzten Jahren seines Opernschaffens nutzte Händel verstärkt die Möglichkeiten der Bühnenmaschinerie und spektakulärer visueller Effekte (zum Beispiel lebende Vögel und Feuer speiende Drachen in „Rinaldo“ oder Illuminationen am Schluss von „Atalanta“). Besonders in den letzten Jahren griff er wieder darauf zurück und bezog 1734/35 auch das Ballett von Marie Sallé mit ein. Die Opern aus der Zeit der Royal Academy zeichnen sich besonders durch eine hohe musikalische Qualität, eine interessante und abwechslungsreiche Instrumentation und die virtuosen Arien aus. Die 30 Jahre, in denen Händel in London Opern aufführte, umspannen die Phasen der Etablierung der italienischen Oper in der britischen Hauptstadt, ihre Blüte und den Niedergang. Händel hatte erfolglos versucht, die italienische Oper dem Zeitgeist anzunähern, indem er sie durch bewusste Wahl unkonventioneller Libretti glaubwürdiger machen wollte. Seine Oratorien hingegen trafen den Zeitgeist. Noch vor Händels Tod 1759 verschwanden seine Opern von der englischen Bühne. Die letzte Aufführung war „Admeto“ in einer Produktion von Francesco Vanneschi 1754. In Deutschland gab es nach der letzten Opernvorstellung 1743 erst 1879 in Leipzig eine Aufführung der „Almira“ unter Johann Nepomuk Fuchs (Wiederholungen in Hamburg 1885 und 1905). Die italienische Oper hatte sich überlebt, und selbst in der ursprünglich als Gesamtausgabe konzipierten Händel-Edition von Samuel Arnold am Ende des 18. Jahrhunderts wurden nur fünf Opern gedruckt. Erst von 1920 an mit der Händel-Renaissance in Göttingen (Oskar Hagen/Hanns Niedecken-Gebhard) und danach in Halle wurden sie wiederentdeckt. In Großbritannien begann diese Renaissance im Jahr 1927 und kam von 1955 an mit der Gründung der Handel Opera Society vollends in Schwung. In allen Fällen waren die Werke bearbeitet und in die Landessprache übersetzt worden. Das Händel-Jahr 2009Ein Blick auf das vergangene Jubiläumsjahr zum 250. Todestag zeigt, dass Händels Opern heute einen festen Platz im Repertoire der internationalen Opernhäuser haben – ein Resultat der konstanten Bemühungen, sie mit den unterschiedlichsten Konzepten dem Publikum zugänglich zu machen. Viele Orchester pflegen die historisch informierte Aufführungspraxis, die Opern werden meist in der Originalsprache und in den originalen Stimmlagen gesungen, auf Kürzungen und Experimente muss man jedoch gefasst sein, wie nachfolgend an einzelnen Beispielen gezeigt wird.
In Ferrara und Modena gab es zu Beginn des Jahres die italienische Erstaufführung von „Partenope“, das Theater an der Wien entschied sich für dieselbe Oper, und am 24. Februar wurde „Alcina“ in Hongkong aufgeführt. Zu den Händel-Festspielen in Karlsruhe wurde „Radamisto“ als „Uraufführung der Erstfassung auf dem Kontinent“ bei Kerzenbeleuchtung mit typisch barocker Gestik und in aufwendigen originalgetreuen barocken Kostümen auf einer Kulissenbühne gespielt, die der von 1720 so nahe wie möglich kommen sollte. Die Händel-Festspiele in Göttingen boten mit Doris Dörries Produktion von „Admeto“, einer Oper, die für die Besetzung mit zwei Primadonnen, ursprünglich Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni, konzipiert ist – eine schöne Inszenierung im Stil des japanischen Hoftheaters an. Die Bühne war in farbiges Licht getaucht; Gardinen, hinter denen Schattenspiele abliefen, bildeten die Kulissen. Das „International Butoh Dance Ensemble“ gestaltete einen Tanz, in dem jede Person einen ihr folgenden Schatten hat. Die Inszenierung bot sehr viel für das Auge. Man kann darüber streiten, ob griechische Helden wie Ercole als Samurai-Ringer auftreten sollten. Antigona erschien als Schäferin, ihr folgte ein als Schafherde verkleidetes Ballett, das die Zuschauer durch witzige Elemente amüsierte. Zum ersten Mal in der Geschichte des Theaters konnte die volle Bühnenlänge von 20 Metern genutzt werden, als Ercole Alceste aus der Unterwelt zurückholte. Es war jedoch nicht zu verstehen, warum im dritten Akt plötzlich die alten Kulissen vom Herrenhäuser Schloss mit Garten heruntergelassen wurden. Mit Kirsten Blaise war die Partie der Antigona hervorragend besetzt, während die technisch perfekte Marie Arnet als Alceste eine gewisse Distanz zum Publikum nicht überbrücken konnte. Bei allen Männerrollen blieben jedoch noch Wünsche offen; deshalb war es besonders schade, dass Antigonas Abgangsarie am Ende des ersten Aktes gestrichen wurde. Trotz alledem war der starke Beifall im ausverkauften Haus verdient. Die Händel-Festspiele in Halle boten mit „Floridante“ im Opernhaus sowie „Serse“ und „Alcina“ in Bad Lauchstädt gleich drei modern gehaltene unbefriedigende Inszenierungen an. Bei „Floridante“ war zu bedauern, dass man der Internationalität zuliebe auf Mitglieder des hauseigenen Ensembles, wie Ulrike Schneider oder Romelia Lichtenstein, verzichtet hat. Das Goethe-Theater, das sonst eher für Produktionen bekannt ist, die man mit Genuss ansehen kann, erwies sich 2009 als das mit den experimentell anmutenden Regiekonzepten. Dafür entschädigte dann die Aufführung des Bachfestes Leipzig am 17. und 18. Juni mit Telemanns Bearbeitung einer Händel-Oper „Der misslungene Brautwechsel oder Richardus I“. Die halbszenische, gut gelungene Vorstellung fand im aufgepeppten Kuhstall des Kultur-Gutes Ermlitz mit jungen entwicklungsfähigen Künstlern statt, die durch ihr engagiertes gutes Spiel mit einer durchdachten kurzweiligen Aufführung begeisterten. Ein besonderer Höhepunkt war das Jubiläum im Jubiläumsjahr in Venedig: Händels „Agrippina“ wurde im Teatro Malibran, das auf den Grundmauern des einstigen Originalschauplatzes steht, in einer sehr schönen neuen Produktion zum 300. Jahr der Uraufführung geboten. In Zusammenarbeit mit der Facoltà di
Design e Arti der Universität Venedig unter der Direktion
von Walter Le Moli entstand eine frische, luftige und moderne Inszenierung,
in der originelle Regieeinfälle die Charakterzeichnung von
Figuren und Untermalung von Stimmungen unterstützten. Mit
Ann Hallenberg als Agrippina und Veronica Cangemi als Poppea standen
zwei wunderbare Sängerinnen und Schauspielerinnen auf der
Bühne, die diese Produktion zum Erlebnis werden ließen.
Die Handlung ist eindeutig, transparent und humorvoll gestaltet.
Nur das Orchester mit den modernen Streichern und Ventiltrompeten
war ein Kompromiss. Doch auch die Theater in Birmingham, Lissabon,
Mailand, Modena, Neubrandenburg, Turin und Zürich haben 2009
die „Agrippina“ für sich entdeckt. Das 32. London
Handel Festival hatte „Alessandro“, eine selten gespielte
Oper, im Programm. In Denver, Münster und Prag gab man „Rinaldo“,
in Beaune und Cambridge „Ariodante“; „Serse“ wurde
außerdem in Budapest und Konstanz aufgeführt, „Ezio“ in
Bonn und Schwetzingen, „Giulio Cesare“ in Kiel und
Lódz, „Teseo“ in Stuttgart, „Alcina“ in
Schwerin, „Tamerlano“ in Los Angeles. Das 23. Internationale
Izmir Festival in der Türkei spielte „Imeneo“ in
Efesus, die English Touring Opera reiste mit „Ariodante“, „Flavio“, „Teseo“ und „Tolomeo“ durch
England, in Kassel wurde „Orlando“ inszeniert. Außerdem
gab es zahlreiche konzertante Aufführungen, darunter auch
selten gespielte Opern wie „Faramondo“ und „Berenice“ in
Paris. Annette Landgraf
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