Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Zwischen Hoffen und Bangen
Die Situation des Sorbischen National-Ensembles (SNE)
Sorbische Traditionen bewahren
Ein Gespräch mit der Intendantin des SNE, Milena Vettraino
Ein „Weiter so!“ ist nicht mehr möglich
Das Sorbische Nationalensemble vor dem Exitus


Schwieriger Übergang
Die Stiftung Tanz-Transition wurde in Hamburg präsentiert
Fächerübergreifende Ausbildung
Jan Broeckx, neuer Leiter der Münchner Ballett-Akademie
Vom Tänzer zum Therapeuten
Thierry Paré im Gespräch mit Malve Gradinger

Berichte
Niedliche Ratten in Bayreuth
Neue „Lohengrin“-Inszenierung von Hans Neuenfels
Spiegel gegen das Verbrechen
Weinberg-Opern in Bregenz wiederentdeckt
Viele Blicke, wenig Substanz
Die 12. Münchener Musiktheater-Biennale
Ins Innere der Menschenseele
Eröffnung der Hamburger Ballett-Tage mit John Neumeier

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Wir stellen vor: Köpfe der VdO Harro Brodersen, Mitglied des Bundesvorstands – Bundesdelegiertenversammlung in Fulda – Bayreuth: Erster Tarifvertrag unterzeichnet – Landesverband Bayern tagt in München – Wir gratulieren
Alles, was Recht ist
Nochmals: Doppelte Entfernungspauschale // Neue BAG-Rechtsprechung zur Tarifeinheit

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Stellenmarkt
Spielpläne 2010/2011
Festspielvorschau (pdf)

 

Kulturpolitik

Ein „Weiter so!“ ist nicht mehr möglich

Das Sorbische Nationalensemble vor dem Exitus · Von Gerrit Wedel

Der Abbau von 27 Stellen stellt das SNE vor eine sehr schwierige Lage in Hinblick auf das künstlerische Profil des Hauses, dessen Sinn und Zweck es ja ist, dem Erhalt und der Pflege der Sorbischen Kultur zu dienen. Bereits im Jahr 2002 beim Antritt von Intendant Rögner war der Personalbestand des SNE um 26 Stellen reduziert worden. Die dadurch notwendigen Zahlungen von Abfindungen oder Übergangsgeldern an zu entlassende oder nicht zu verlängernde Ensemblemitglieder bedeuteten schon eine unglaubliche Belastung für das SNE, die nicht zuletzt durch die per Haustarifvertrag vereinbarten Gagen- und Lohneinbußen der verbliebenen Beschäftigten ausgeglichen wurde. Das Ensemble steht mit dem nun von der neuen Intendantin umzusetzenden Personalabbau kurz vor dem künstlerischen Exitus. Ein Stellenabbau innerhalb von 10 Jahren von 133 auf 80 Mitarbeiter macht für die verbliebenen Mitglieder ein „Weiter so!“ nahezu unmöglich.

Der Vorsitzende des alle Sorben vertretenden „Domowina“-Vereins Jan Nuk hat darauf hingewiesen, dass ein Grund für die personelle und finanzielle Kürzung des SNE die inhaltliche Entfernung des Theaters von der sorbischen Bevölkerung und ihrer Sprachen sei. Das Perfide daran ist, dass die bisherige Ausrichtung gerade durch die Stiftung vorgegeben wurde: Die im Finanzplan seinerzeit festgehaltene Forderung, ein hohes Einspielergebnis zu erzielen, war unmöglich in der Lausitz mit sorbischsprachigen Bühnenproduktionen zu erreichen. Dies war nur mit Veranstaltern in den alten Bundesländern, in Österreich, der Schweiz oder auch in Südtirol zu bewerkstelligen. Für die sorbischen Anteile im Spielplan bedeutete das das „K.O.“ in Zeitlupe, für die Künstler eine kaum vorstellbare Belastung: sie müssen sehr flexibel sein, die Sänger mal mit und mal ohne verstärkendes Mikroport singen, die Tänzer lange Busfahrten wegstecken, die Orchestermusiker im Hotelzimmer üben. Mitglieder des Chores z.B. haben zuletzt jährlich bis zu 100 mal im Hotel übernachtet. Da braucht man einen Stimmapparat aus Eisen! Alle würden lieber daheim in der Lausitz spielen. Alle Hinweise der Gewerkschaften im Rahmen der HTV-Verhandlungen auf das Missverhältnis zwischen Einnahmen und tourneebedingten Ausgaben und den damit verbundenen künstlerischen Sinn der Aktivitäten, stießen auf taube Ohren.

War denn der Domowina-Vorstand nicht in der Lage, rechtzeitig eine konstruktive Kritik zu äußern, um eine Anpassung der Ausrichtung zu ermöglichen? Schließlich hat die Domowina einen erheblichen Einfluss auf die „Stiftung für das sorbische Volk“, die als alleiniger Geldgeber und Gesellschafter maßgeblich die Geschicke der SNE GmbH bestimmt. Von den insgesamt 15 Mitgliedern des Stiftungsrates werden neben den Vertretern des Bundes, der Länder Sachsen und Brandenburg und der einschlägigen kommunalen Gremien sechs Mitglieder als Vertreter des sorbischen Volkes benannt. Und von diesen sechs gehören allein vier schon in offizieller Funktion der Domowina an. Es spricht für sich, was dies für den Einfluss der Domowina auf die Arbeit des Stiftungsrates bedeutet. Wenn die „Stiftung“ oder der Vorsitzende der Domowina nun indirekt oder direkt behaupten, das SNE habe jahrelang schlechte Arbeit geleistet, dann haben sie schlicht und ergreifend selbst in ihrer Rolle als Gesellschafter versagt. Man könnte fast meinen, es geht gar nicht um künstlerische Inhalte, sondern vielmehr um die Verteilung der – sicherlich viel zu knapp bemessenen – Mittel zwischen den verschiedenen sorbischen Einrichtungen. Das SNE mit seinen jahrelangen finanziellen Schwierigkeiten stellt da natürlich eine hervorragende Zielscheibe dar – zu Lasten der Beschäftigten, die durch die Haustarifverträge schon sehr viel zum Erhalt des SNE beigetragen haben. Die Geschäftsgrundlage dieser insgesamt drei Haustarifverträge war übrigens die dauerhafte Erhaltung der künstlerischen und personellen Struktur des SNE. Dies hat nun offensichtlich keinen Bestand mehr, denn diejenigen, die damals verzichtet haben, werden nun auch noch abgebaut. Die Kündigungen und Nichtverlängerungen sind ausgesprochen, dementsprechend wird es nicht verwundern, dass gegen diese Vorgehensweise seitens der betroffenen Beschäftigten nun mit Unterstützung der Gewerkschaften alle möglichen rechtlichen Schritte erfolgen werden. Das wird eine sehr schwierige Spielzeit.

Bezeichnend ist auch die Art und Weise, wie die Arbeitsgruppe „Sorbische Kunst/Bühne“, an der die inzwischen neu ernannte Intendantin und Geschäftsführerin Milena Vettraino entscheidend mitgearbeitet hat, an ihre Aufgabe herangegangen ist: Aus nicht nachvollziehbaren Gründen durften nach der Vorgabe der Stiftung mit dem SNE verwobene Personen in dieser Arbeitsgruppe nicht mitarbeiten, d.h. auch die unmittelbar betroffenen Beschäftigten am Haus sind in die Diskussionen um die Reform des SNE überhaupt nicht mit einbezogen worden. Der Betriebsrat konnte lediglich bei einem Beratungstermin Bedenken vortragen, sich jedoch nicht verbindlich einbringen. Besonders die Gewerkschaften haben immer wieder gebetsmühlenartig ihre Unterstützung für eine sachgerechte und den Beschäftigten gerecht werdende sozial verträgliche Umstrukturierung angeboten.

Das Ergebnis dieser AG stand aber offensichtlich in den Rahmenbedingungen ohnehin vorher fest: ein Jahresetat von 4 Millionen Euro (statt 4,86 Millionen) und ein Personalstamm von 62 Mitarbeitern. Nicht zuletzt als Ergebnis der Öffentlichkeitsarbeit von Gewerkschaften, des unermüdlichen und beständigen Einsatzes unseres Ortsdelegierten Michael Janze und auch der fortwährenden Bemühungen des Betriebsrats sowie der ins Leben gerufenen Bürgerinitiative (http://www.rettet-das-sorbische-national-ensemble.de) werden dem SNE nun jährlich noch 4,25 Millionen Euro und 80 Mitarbeiter zugestanden. Das ist immerhin noch deutlich mehr, als die Intendantin zur Umsetzung ihres eigenen Konzeptes ursprünglich vorgesehen hat.
Bei der nun grundsätzlich richtigen, künftig beabsichtigen Ausrichtung des SNE auf die Lausitz muss man sich von Anfang an der Tatsache bewusst sein, dass dies auch ein geringeres Einspielergebnis bedeuten wird. Andererseits erhöht sich damit – wunschgemäß – auch automatisch der Anteil an sorbischsprachigen Produktionen.
Die schlichte Reduzierung der Anzahl der Beschäftigten des SNE jedenfalls hat nicht automatisch eine Veränderung hin zu mehr sorbischen Inhalten zur Folge, sondern gefährdet das eigentliche und satzungsgemäße Ziel – das der Erhaltung und Pflege der sorbischen Kultur, das mit dieser Personalausstattung für ein Mehrspartenhaus zunehmend zur Farce wird. Das SNE und die Menschen in der Lausitz werden damit alle ein Stück ärmer.

Gerrit Wedel

Lesen Sie auch:

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner