Wer sind denn die Sorben? Nicht wenige Deutsche haben von dem westslawischen Volk, das schon seit 1400 Jahren in der Lausitz heimisch ist, noch nie etwas gehört. Manche mutmaßen sogar, Bautzen, ein Zentrum sorbischen Kulturlebens und der Sitz des Sorbischen National-Ensembles (SNE) liege wohl in Polen. Wieder andere glauben zu wissen, bei den Sorben handle es sich um Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Solche Unkenntnis ist bezeichnend für die Situation des um seine Zukunft ringenden Volkes, dessen Existenz ganz akut bedroht ist, zum Beispiel durch das Auslöschen sorbischer Dörfer für die Braunkohleförderung oder durch den von deutschen Behörden gegen den verzweifelten Widerstand der Lehrer, Eltern und Schüler verfügten Exitus sorbischsprachiger Schulen. Für ein Volk, das keinen eigenen Staat und das wohl eine schöne Heimat, aber kein Mutterland hat, werden Bräuche und Traditionen und besonders die Sprache zum eigentlichen Lebenselixier. Deshalb stehen Institutionen wie das 1952 gegründete SNE mit seinen Sparten Ballett, Chor und Orchester vor allem im Dienst der Erhaltung und Weiterentwicklung von Sprache und Kultur. Aber genau diese elementare Funktion scheint in letzter Zeit gefährdet, wenn das SNE als vermeintlicher Botschafter sorbischer Kultur in halb Europa u.a. mit Programmen wie Strawinskys „Sacre“ oder gar mit deutschsprachigen Kindermusicals unterwegs ist, die nur einen beiläufigen oder überhaupt keinen Bezug zur sorbischen Welt aufweisen. Eine von der „Stiftung für das sorbische Volk“ eingesetzte Arbeitsgruppe „Sorbische Kunst/Bühne“ votiert deshalb in ihrer Anfang Mai vom Stiftungsrat angenommenen Beschlussvorlage für eine künstlerische Neujustierung des SNE hin zu einer stärkeren Förderung einer spezifisch sorbischen und wieder klarer auf den Adressatenkreis in der Lausitz zugeschnittenen Bühnenkunst. Öffentlich Furore gemacht hat das Konzept der Arbeitsgruppe dahingegen durch den Vorschlag, das Ensemble von 107 auf 80 Stellen zu verkleinern. Ein erster Entwurf sah sogar eine Amputation auf 64 Stellen vor. So kann der Etat des Hauses, wie vom Stiftungsrat schon vorab Ende 2009 entschieden, von 4,9 Millionen auf 4,25 Millionen Euro (nach der ursprünglichen Planung 4 Millionen Euro) gekürzt werden. Hintergrund dieser Sparmaßnahmen ist in letzter Instanz die chronische Unterfinanzierung der sorbischen Kultur durch den Bund und die Länder Sachsen und Brandenburg. Nur knapp 17 Millionen Euro erhält die „Stiftung für das sorbische Volk“ jährlich, um damit eine Vielzahl renommierter sorbischer Einrichtungen in Wissenschaft, Verlagswesen, Kunst und Kultur am Leben zu erhalten. Das ist angesichts der Geschichte des sorbischen Volkes mit seinen fortwährend von deutscher Seite erlittenen politischen und kulturellen Repressionen ein brüskierend geringer Betrag! Hier wird offenkundig versucht, einen hochpolitischen Konflikt um die moralische Verantwortung der Mehrheitsgesellschaft für eine lange unterdrückte ethnische Minderheit in die innersorbischen Instanzen auszulagern. Und so hoffen und bangen nun die einzelnen sorbischen Einrichtungen jeweils um die Zuwendungen, die ihnen die Stiftung aus ihrem schmalen Budget zumessen kann. Geradezu tragisch ist dabei aber die Rolle des SNE, dessen Beschäftigte den erfolgreichen sorbischen Kampf gegen die angedrohte Kürzung der ohnehin schon bescheidenen Fördersumme aufopferungsvoll unterstützt haben und die jetzt den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommen sollen. Unterdessen hat die Stiftung mit Milena Vettraino die seinerzeitige Leiterin der Arbeitsgruppe „Sorbische Kunst/Bühne“ zur Nachfolgerin des beurlaubten Intendanten Wolfgang Rögner bestellt. Rögner hatte mit einer extensiven Gastspieltätigkeit versucht, der vom Stiftungsrat geforderten Erhöhung der Eigeneinnahmen Rechnung zu tragen und damit finanziell Schiffbruch erlitten. Zudem hatte sich Rögner gegen die anvisierten Personaleinsparungen ausgesprochen. Mit Frau Vettraino steht nun wieder eine Sorbin an der Spitze des Hauses. Gerrit-Michael Wedel und Christian Tepe haben die bekannte Hornistin sowie studierte Kunst- und Medienmanagerin in Bautzen am Stammsitz des SNE getroffen. Christian Tepe Lesen Sie auch:
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