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Kulturpolitik

Kulturwirtschaft versus Google & Co.

Die Urheberrechtsdiskussion in der digitalen Welt · Von Olaf Zimmermann

Zum zweiten Mal initiierte der Deutsche Kulturrat in diesem Jahr einen Aktionstag „Kultur gut stärken“, der einer medialen Aufmerksamkeit und öffentlichen Wahrnehmung für Kulturthemen dienen soll. Bereits im letzten Jahr gab es eine hohe Akzeptanz und breite Medienberichterstattung. In diesem Jahr galt der Tag am 21. Mai schwerpunktmäßig dem Urheberrecht. Unter dem Schlagwort „Wert der Kreativität“ lanciert der Kulturrat ein Thema, das derzeit überall diskutiert wird. „Freiheit des Internets“ – Was bedeutet das eigentlich? Eigentlich doch nicht, dass alles dort „for free“ erhältlich ist. Aber die Nutzer – vor allem der jüngeren Generation – sehen dies teilweise anders. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, beleuchtet für „Oper & Tanz“ die digitalen Entwicklungen und ihre Bedeutung für die Kulturwirtschaft.

Presseveranstaltung am Aktionstag „Kultur gut stärken“. Foto: Kulturrat

Presseveranstaltung am Aktionstag „Kultur gut stärken“. Foto: Kulturrat

Die Digitalisierung hat die Gesellschaft und das Leben des Einzelnen in einem Maße verändert, wie es zuletzt in der industriellen Revolution der Fall war. Und ähnlich der industriellen Revolution sind die Veränderungen so schnell, dass es manchmal schwerfällt, mental, rechtlich und wirtschaftlich Schritt zu halten.

Wer heute Papiere aus den 1990er-Jahren in die Hand nimmt, wird feststellen, dass seinerzeit im Kulturbereich große Hoffnungen in die sogenannten Neuen Medien gesetzt wurden. Es bestand die Erwartung, dass sich für Künstler ganz neue Verbreitungswege und damit Erwerbsmöglichkeiten eröffnen würden. Ausgangspunkt vieler Überlegungen war, dass die Netze nur dann genutzt werden, wenn attraktive Inhalte aus der Kultur- und Medienbranche bereitgestellt werden. Dabei gingen sowohl Künstler als auch die Unternehmen der Kulturwirtschaft davon aus, dass diese Nutzungen selbstverständlich nicht kostenlos sein können, sondern entsprechend vergütet werden müssen.

Wie allseits bekannt ist, kam es anders. Das Internet startete mit dem Mythos, ein Schlaraffenland zu sein, in dem einem die Kunstwerke nur so kostenfrei zufliegen. Mit dem Bezahlen des Internetanschlusses war vermeintlich alles abgegolten und Musik, Texte und Bilder wären kostenlos zu haben. Um überhaupt nennenswerte Nutzerzahlen und damit den viel beschworenen traffic zu bekommen, wurde davor zurückgescheut, Inhalte gegen Bezahlung anzubieten. Und die wenigen, die dieses versuchten, stellten ihr Unterfangen zunächst mangels Erfolg schnell ein. Das Schlaraffenland Internet diente damit in ers-ter Linie den Providern, den Suchmaschinenbetreibern und anderen Unternehmen der Internetwirtschaft. Sie konnten sich etablieren, und kaum jemand stellte in Frage, dass für den Internetanschluss bezahlt werden muss, nicht aber für den genutzten Inhalt.

Der Musikbereich und die Musikindustrie im Besonderen sind wie keine andere Branche von den Veränderungen betroffen, sie stehen geradezu pars pro toto für die Entwicklung der Kulturwirtschaft. Musik, insbesondere populäre Musik, ist hoch begehrt. Auch vor der Digitalisierung wurde Musik kopiert. Doch zumeist waren diese Kopien qualitativ deutlich schlechter als das Original und vor allem war es mühselig, die Kopien anzufertigen. Erst die Digitalisierung ermöglichte in Windeseile Kopien zu erstellen, die sich vom Original nicht unterscheiden und mit einem Klick weitergeleitet werden können. Raubkopien sind zu einem Synonym für das Problem geworden, das Urheberrecht durchzusetzen.

Der wirtschaftliche Erfolg der Kulturwirtschaft, der unerlässlich ist, um in Künstler zu investieren, neue Musikstile zu entdecken, zu entwickeln und zu verbreiten, lässt mit Blick auf die Digitalisierung derzeit auf sich warten. Die Kulturwirtschaft befindet sich in einem massiven Umbruch. Sie muss durchsetzen, dass künstlerische Werke im Internet nur gegen Geld angeboten werden, sie muss neue Geschäftsmodelle entwickeln und sie muss zum symbiotischen Verhältnis mit den Urhebern stehen, also eine angemessene Vergütung zahlen.

Und die Künstler? Einerseits: Der Flaschenhals vergrößert sich. Das Internet bietet auch denjenigen Künstlern Verbreitungschancen, die nicht mit einem professionellen Verwerter zusammenarbeiten. Andererseits können Künstler ihre Arbeit im Netz nicht kostenfrei anbieten, auch ihr Kühlschrank will gefüllt werden. Das Internet bietet hierfür bislang noch keine ausreichenden Möglichkeiten der Selbstvermarktung, und für einige stellt sich grundsätzlich die Frage, ob dies überhaupt der richtige Weg ist. Denn eigentlich wollen Künstler Kunst machen und sich nicht in erster Linie damit beschäftigen, ihre Werke selbst zu vermarkten. Arbeitszeit und Kraft, die in die Selbstvermarktung investiert wird, fehlt für die eigentliche, die künstlerische Arbeit. Musiker, die in erster Linie damit beschäftigt sind, Centbeträge für die Nutzung ihrer Werke einzusammeln, haben weniger Energie, um neue Musik zu erdenken, zu spielen und so weiter. Gerade weil das so ist, hat sich eine arbeitsteilige Kulturwirtschaft entwickelt, in der am Produkt Musik viele beteiligt sind.

Was hat das alles nun mit dem Urheberrecht zu tun? Eigentlich fast nichts. Es geht vielmehr um wirtschaftliche Fragen, um die Etablierung neuer Märkte, um Verteilungskämpfe. Das Urheberrecht ist letztlich das Recht, in dem wie in einem Brennglas die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konflikte gebündelt werden. Eine der entscheidenden Zukunftsfragen ist, wer am Internet verdienen können soll: die Googles, Apples und anderen internationalen Konzerne? Oder geht es nicht vielmehr darum, ein Rechtssystem zu schaffen, das es auch anderen Unternehmen und den Künstlern selbst ermöglicht, im Netz Geld zu verdienen? Der Streit um das Urheberrecht kann nicht in erster Linie rechtlich gewonnen werden. Es geht zu allererst darum, die gesellschaftliche und die wirtschaftliche Dimension des Verteilungskampfs Internet in den Brennpunkt zu rücken.

Olaf Zimmermann

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