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Berichte

Ein Funken Hoffnung

„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Altenburg-Gera · Von Tatjana Mehner

Der Übergang zum letzten Bild lässt den Atem stocken. Nicht, dass dieser Bruch musikalisch dramaturgisch nicht schon angelegt wäre, dennoch ist die Wirkung tiefschürfend, weil sie plötzlich eine andere Beobachtungsebene einbringt. Kunst und die Entstehungssituation eines Ausnahmewerkes werden das Thema seiner Inszenierung.

Ein Funken Hoffnung in einem Stück, in einer Geschichte, die sonst keine positiven Helden, keine hehren Motive hat, in der eigentlich niemand etwas für den anderen tut – und wenn ansatzweise doch, dann hat er schon verloren. Ein Mann steht auf im Publikum und trägt den einzigen Funken Hoffnung heraus aus einer Welt voller Dreck und Boshaftigkeit, voller Hass und Verrat. Ein Mann, ein Künstler. Es ist die Kunst, die etwas Positives aus dem Widerwärtigen schöpft; der Künstler, der Hoffnung sät. Indem er ihm das Gesicht Schostakowitschs gibt, wertet Kay Kuntze die Figur des alten Zwangsarbeiters – zumindest für den musik-historisch Bewanderten – auf, gibt seiner Inszenierung eine überraschend neue Richtung und verleiht damit obendrein der vorhergehenden Horrorgeschichte nachträglich ganz andere Bedeutung. Und in der Tat ist Schostakowitschs Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ absolut typisch für den Komponisten in ihrer Grenzgängigkeit zwischen Tragik und Groteske.

Valérie Suty mit  Damen und Herren des klangintensiven und homogenen Opernchors.  Foto: Stephan Walzl

Valérie Suty mit Damen und Herren des klangintensiven und homogenen Opernchors. Foto: Stephan Walzl

Spektakulär ist das, was am Premieren-abend Anfang Februar im Großen Haus in Gera stattfindet. Theater&Philharmonie Thüringen gehen zwangsläufig an ihre Grenzen mit dieser Produktion. Aber das ist mehr als nur ehrenwert. Denn die Ausdruckskraft und musikalische Qualität ist unglaublich. Natürlich ist eine wirklich gelungene Produktion dieses Werkes kein Vergnügen, kein Vergnügen fürs Publikum und ein Kraftakt sondergleichen für die beteiligten Künstler. Ein echtes Ausnahmewerk eben. Mit einer Partitur, die in Dichte und Komplexität jeder Sinfonie alle Ehre machen würde – und das auf drei Opernstunden ausgedehnt. So fordert dieser Schostakowitsch das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera in ganz, ganz großer Besetzung. Und das zeigt sich so brillant, stilsicher und vor allem so klang-intensiv und präzise wie seit langem nicht mehr. Peter Aderhold hat mit Über- und Weitblick die Fäden fest in der Hand und schafft ein faszinierendes Klangbild, das mit Vordergründigem ebenso zu spielen weiß wie mit Hintergründigem. Kraftvoll und laut ist diese Musik, geht manchmal bis an die Grenzen des Erträglichen, aber es funktioniert, weil Aderhold immer wieder zurückzunehmen, zu ganz intimen Klängen zurückzukehren weiß. Da ist nichts zu wünschen, auch was das Wechselspiel zwischen Bühne und Graben betrifft. Überraschend stark, klangintensiv und homogen ist auch der von Ueli Häsler einstudierte und um Gäste erweiterte Opernchor.

Dass das Haus den überwiegenden Teil der anspruchsvollen Partien aus den eigenen Reihen adäquat besetzen kann, ist bemerkenswert und macht Hoffnung. Valérie Suty ist es in erster Linie, die das Ensemble des Hauses – in der Titelpartie – verstärkt. Ausdrucksstark, sensibel und kraftvoll gestaltet sie die Figur der schlichten Kaufmannsfrau, die in einer Mischung aus Langeweile und Erniedrigung, aus Gier nach Zuneigung zur Doppelmörderin wird. Johannes Beck und Erik Slik geben die Partien ihrer Opfer, den brutalen Schwiegervater und den langweiligen Ehemann als unsensible Gecken. Bernardo Kim singt den Diener und Liebhaber zwar souverän, den eiskalt berechnenden Frauenhelden nimmt man ihm nur schwer ab. Katie Bolding überzeugt als Hausangestellte, Alexander Voigt als Schäbiger, Kai Wefer ist der Prototyp des Uniformierten, und Kai-Uwe Fahnert zieht vor allem als jener Schostakowitsch die Sympathien auf sich. Kuntze und sein Ausstatter Duncan Hayler schaffen eine assoziationsreiche Welt mit zahlreichen Anklängen an andere Künste, an Zeitgeist, aber auch eine ironisch-distanzierte Welt, in der russische Folklore auf einen IKEA-typischen Deko-Look trifft, in der es aber trotzdem hart, deftig und kräftig zur Sache geht.

Das passt zu Schostakowitsch, der immer mit den Ebenen spielt, mit historischer Handlung, Kommentar und Zeitbezug. Sensibel und in intelligenter Weise distanziert entwickeln sie eine schmerzliche Geschichte um Geschlechterkampf, Machtverhältnisse und Begehren. Schade am Ende nur, dass die deutschsprachigen Übertitel der deutsch gesungenen Fassung nicht immer orthographisch befriedigen. Vielleicht wäre auch ein Schostakowitsch-Porträt im Programmheft sinnstiftend gewesen.

Tatjana Mehner

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