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Editorial

In der aktuellen Debatte über die „Homo-Ehe“, zuletzt angestoßen durch einen Auftritt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, in einem vertraulichen (!) Hintergrundgespräch, zu dem die Bundespressekonferenz geladen hatte, überschlagen sich die Reaktionen der Volksvertreter und die Konservativen unter ihnen scheinen sich gar nicht mehr reaktionär genug zeigen zu können: „Konservativ modern sein heißt unbequem modern sein, weil man nicht nach dem Rhythmus des Zeitgeistes tanzt. Die Menschen wollen keine Veränderung der Gesellschaft, in der Ehe und Familie nicht mehr die Normalität sind. Die Union als Volkspartei hat die Aufgabe, der stillen Mehrheit eine Stimme zu geben gegen eine schrille Minderheit.“ So äußerte sich der Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt, jüngst in einem Interview, das er der „Welt am Sonntag“ gegeben hat und in dem er betont, dass die Union nur als konservative Partei ihre Stärke entfalten kann. Einen großen Gefallen hat er sich mit dem Ausdruck der „schrillen Minderheit“ sicher nicht getan, wird dies doch zu Recht auch innerhalb der Union als „intellektuelle Beleidigung“ gesehen.

   

Gerrit Wedel

 

Besonders beeindruckend an der Entwicklung der Debatte ist, wie polarisierend sie auf die Menschen – nicht zuletzt auch innerhalb der Union – wirkt: Familienministerin Ursula von der Leyen und Finanzminister Wolfgang Schäuble z.B. hatten sich demgegenüber kurz zuvor schon öffentlich für eine Gleichbehandlung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ausgesprochen, was eine Welle der Entrüstung bei den Konservativen hervorrief, wie die Äußerungen Dobrindts zeigen.

Was ist eigentlich mit der Gleichbehandlung, gibt es auch nur ein einziges schlagendes Argument dafür, ein konservatives Familienmodell mit Mutter, Vater und selbst gezeugtem Kind anders zu behandeln als ein verheiratetes, aber zeugungsunfähiges Paar, das ein Kind adoptiert? Nein! Geht es aber um ein gleichgeschlechtliches Paar mit eingetragener Lebensgemeinschaft, die ein Kind adoptieren möchten, dann ist Schluss mit der Gleichbehandlung, denn das wäre ja „bequem modern“. Und steuerlich möchten auch bitte nur die zweigeschlechtlichen Partnerschaften vom Ehegattensplitting profitieren.

Dobrindt sagt, Artikel 6 des Grundgesetzes sei eindeutig: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. Und der gilt eben offensichtlich nicht für Schwule und Lesben?!? Gut, dass das Bundesverfassungsgericht da offensichtlich anderer Meinung ist, wie es gerade in der Entscheidung zur sog. Sukzessivadoption gezeigt hat, wonach es gleichgeschlechtlichen Partnern zu erlauben ist, ein von ihrem eingetragenen Partner bereits adoptiertes Kind ebenfalls adoptieren zu dürfen.

Wer sagt eigentlich, was eine Familie oder was eine Ehe heutzutage ist? Der Säufer oder der Psychopath, der seine Frau und Kinder schlägt? Die treusorgenden intellektuellen Homosexuellen, die sich den klassischen Aufgaben der Familie aufopferungsvoll hingeben – eigentlich ureigenen traditionellen christlichen Werten folgend? Eben gerade dies ist der Kern des Problems, die Auslegung darüber, was in unserer heutigen Zeit als Ehe und Familie anzusehen ist. Und genau das ist auch die zentrale Frage, die in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu klären ist. Immerhin scheint man sich einig, dass in erster Linie das Kindeswohl im Vordergrund stehen muss. „Ich kenne keine Forschung, die belegt, dass Kinder aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht ebenso behütet ins Leben gehen wie Kinder von Eltern im traditionellen Sinn“, sagt Ursula von der Leyen.

Insofern sollte man es mit dem Bundesfinanzminister halten, der sich dafür ausspricht, dass seine Partei veränderte Realitäten zur Kenntnis nimmt. Vor diesem Hintergrund sei auch noch erwähnt, dass Dobrindt mit seiner Meinung offensichtlich gar nicht mehr die Mehrheit seiner Wähler vertritt, denn in Umfragen sprechen sich die meisten Unionswähler eben auch gerade für eine - zumindest steuerliche - Gleichbehandlung aus.

Voraussichtlich wird sich diese Debatte ohnehin bald von selbst erledigt haben, denn das Bundesverfassungsgericht wird möglicherweise bald ganz bequem modern entscheiden im Sinne der Gleichbehandlung sowohl in Bezug auf die steuerliche Gleichstellung wie auch das volle Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, und dann kann die Politik ja in nacheilendem Gehorsam anschieben, wozu die obersten Verfassungshüter im Lande sie verdonnern.

Man kann sich sicher fragen, ob das Bundesverfassungsgericht hier medial den richtigen Weg geht, diese Frage so in die Politik zu treiben, es ist ja auch ein Novum, wenn der oberste Verfassungsrichter mit Journalisten Hintergrundgespräche führt, aus denen nicht zitiert werden darf. Vielleicht hätte die Diskussion auch noch bis zur Veröffentlichung der entsprechenden Urteile Zeit gehabt.

Gerrit Wedel

 

 

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