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Berichte

Geerdete Hochkultur

»Sounds of Dortmund« – Musikfilm-Vorpremiere

Wie klingt Dortmund? In diesen Zeiten sicherlich anders als sonst. Corona, aber auch der Wandel von einer Kohle- zu einer Kulturregion haben wesentliche Spuren in der Stadt hinterlassen, Spuren, die auch in Zeiten des Lockdowns nicht verblassen sollen. Mit der Produktion „Sounds of Dortmund“ setzt die Oper Dortmund ein Konzept fort, das mit „MusiCircus“ in der Spielzeit 2018/2019 entwickelt wurde. Musizierende Formationen jeder Couleur und alle Dortmunderinnen und Dortmunder waren erneut dazu eingeladen, Teil einer „performativen Soundcollage“ zu werden.

Einen Tag sollte dabei ganz Dortmund mit Musik, Geräuschen, Tönen und Performances bespielt werden. „Ein poetisches Klangkunstwerk, bei dem die Vielfalt der Stadt mit ihren individuellen Sounds in den Mittelpunkt gestellt wird“. Die Premiere ist erst für den 17. April angesetzt, wann sie dann hoffentlich auch stattfinden kann. Ab diesem Datum soll der gut viertelstündige Film auch öffentlich an verschiedenen Orten der Stadt aufgeführt werden, jeweils ergänzt durch ein „musiktheatrales Rahmenprogramm“. Vorab gab es den Film im Januar schon 24 Stunden lang im Stream. Fazit: er kann sich durchaus sehen lassen.

Balletteleven im Schatten von Strommasten. © Theater Dortmund

Balletteleven im Schatten von Strommasten. © Theater Dortmund

Als Ouvertüre gibt es dumpfe Schläge auf Stahl, der ureigene Klang Dortmunds. Dazwischen mischen sich zarte koreanische Klänge der Formation Dassiragi, die wiederum von schlurfigen Beats abgelöst werden. Dazu gibt es Bilder in Schwarz/Weiß zu sehen: Kamerafahrten durch die Stadt, natürlich wieder mit viel Stahl. Sinniger könnte man ein Sinnbild des Struktur- wie Kulturwandels in Dortmund kaum illustrieren. Einst wurde die dortige Westfalenhütte demontiert und in China wiederaufgebaut, nun wagt die Stadt den Sprung in die digitale Neuzeit. Und die Oper ist mit dabei: „Wir sind dazu da, was zu verändern, was zu bewegen“, singt dazu die Rap-Formation „Too Strong“. An der Oper Dortmund geht man dabei mit gutem Beispiel voran: „Sounds of Dortmund“ ist ein ebenso zeitgeistiges wie authentisches Beispiel für den Kulturwandel des Ruhrgebiets: weg von der Kohle, hin zur digitalen Kultur – ohne sich beim Publikum anzubiedern oder selbiges erziehen zu wollen. Die Corona-Epidemie mag dabei einiges forciert haben, mit der heißen Nadel gestrickt wirkt diese Hommage an die Stadt und ihre Bewohner dennoch nicht. Denn ein ganz entscheidendes Mittel, das eigene potenzielle Publikum auf diesem Weg in eine neue Zeit mitzunehmen, ist selbiges ernst zu nehmen. Und das tut man hier. Das vor industrieller Hafenkulisse platzierte Akkordeonorchester gehört genauso dazu wie das in einem leeren Foyer spielende Mandolinenorchester oder die im Schatten von Strommasten tanzenden Balletteleven.

Insgesamt präsentiert sich das Ganze als unverkrampfter Spagat zwischen Tradition und Moderne. Die Königin der Nacht schmettert ihre Arie „Der Hölle Rache“ aus „Mozarts Zauberflöte“ im orchestralen Pop-Gewand mit unterlegten Beats. Multiinstrumental und multikulturell wird das fortgesponnen, dazu skatet Mozart dann auch höchstpersönlich durch die Dortmunder Innenstadt. Im symphonischen Gewand wird dagegen die Allzeit-Schnulze „You‘ll Never Walk Alone“ unter anderem mit einem markigen Bariton im Fußballstadion, einem Counter im Konzerthaus oder zwei Sängern beim romantischen Tête-à-tête in Szene gesetzt. Da drückt man mitunter schon etwas auf die Tränendrüse. Das ist schön, aber auch ein bisschen schmalzig.

Jetzt bleibt zu hoffen, dass nicht nur die Oper, sondern alle Kulturschaffenden bald wieder öffentlich aktiv werden dürfen und zwar nicht nur virtuell. Immerhin macht „Sounds of Dortmund“ Lust auf mehr. Es ist ein sympathisches Portrait einer städtischen Kulturszene, die die Grenzen zur klassischen Hochkultur zu überwinden sucht. Die präsentiert sich hier auf überzeugende Weise geerdet, stimmig inszeniert und kurzweilig in Bilder umgesetzt – nicht zuletzt wohl deshalb, weil sich die Dortmunder Bürgerinnen und Bürger darin wiederfinden dürften statt sie nur vorgesetzt zu bekommen.

Guido Krawinkel

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