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Süffiges und Überraschendes

„Aida“ und „König Roger“ in Bregenz · Von Juan Martin Koch

Der Bregenzer Festspielintendant David Pountney hat ein feines Gespür dafür, wie man das breite Publikum und die gestrengen Kritiker gleichermaßen um den Finger wickelt: Dem traditionell süffigen „Spiel auf dem See“ mit einem Opernklassiker lässt er im Festspielhaus einen Repertoireaußenseiter folgen, im besten Fall also dem perfekten Spektakel eine perfekte Überraschung.

 
Scott Hendricks (König Roger), Will Hartmann (Der Hirte), Olga Pasichnyk (Roxane). Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
 

Scott Hendricks (König Roger), Will Hartmann (Der Hirte), Olga Pasichnyk (Roxane). Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster

 

Was die neue Seebühnen-Inszenierung betrifft, so hatte Graham Vick die Vorgabe „Spiel auf dem See“ sehr wörtlich genommen und aus Verdis „Aida“ eine Art „Spiel im Bodensee“ gemacht. Nicht nur den Nil des dritten Aktes hatte er dabei offenbar im Sinn, sondern auch den Ganges als heiligen Fluss und das New Yorker Hafenbecken samt havarierter Freiheitsstatue. Für Vicks Assoziationen (von Interpretation zu sprechen wäre wohl zu hoch gegriffen) rund um einen religiös verbrämten Polizeistaat spielte das Dauerwaten von Statisterie und Hauptpersonal keine besondere Rolle, entledigte aber von lästiger Personenregie.

Wenn dennoch so etwas wie Konzentration auf das Drama oder gar die Musik aufzukommen drohte, war schnell ein bewegliches Bühnenteil zur Stelle, das zu Wasser gelassen oder von zwei anmutig surrenden Kränen durch die Luft befördert wurde. Für den Triumphmarsch mit zwei sich zusammenfügenden Gesichtshälften der Freiheitsstatue und einem für den Gefangenentransport optimierten Monumental-Elefanten waren Paul Browns Bühnenideen allerdings köstliche Ausrufezeichen, und auch die am Ende mit Aida und Radamès in den Abendhimmel entschwebende Todesbarke wird in Erinnerung bleiben.

Wenig hilfreich war die zerklüftete Szenerie für den akustischen Eindruck. Das Soundsystem vermochte das Spiel der Wiener Symphoniker unter Carlo Rizzis harmlos-flottem Dirigat nicht in einen kompakten Klangeindruck zu transformieren, die Sängerleistungen kamen an diesem 25. Juli bis auf die wunderbare Aida der Einspringerin Zvetelina Vassileva nicht über ein solides Maß hinaus.

Gab es in diesem Jahr mit der „Aida“ also einige Kranlängen zu viel an Spektakel (und an künstlerischer Substanz andererseits zu wenig), so rückte der Außenseiter umso strahlender in den Mittelpunkt. Karol Szymanowskis 1926 uraufgeführter Dreiakter „König Roger“ handelt nur vordergründig vom historischen König Roger II., der im 12. Jahrhundert in Sizilien herrschte. Die Opernhandlung verortet vielmehr den auf Euripides’ „Bakchen“ zurückgehenden Stoff vom Triumph des Dionysos über Theben im Mittelalter und reduziert ihn auf seine Grundsubstanz: den Widerstreit zwischen religiös kontrollierter Rationalität und einem orgiastischen Ritus der Körperlichkeit.

Roger verliert an Dionysos, der zunächst als Hirte von einem naturnahen, sinnlichen Gott predigt, seine Frau Roxane und sein ganzes Volk, um sich am Ende, als einfacher Pilger seiner politischen Macht entledigt, der Sonne zu opfern. Den Umstand, dass der homosexuelle Szymanowski sich mit diesem Schluss im katholischen Polen der 1920er-Jahre nicht eindeutiger in Richtung einer befreiten Körperlichkeit bekannte, spitzt Regisseur David Pountney noch weiter zu. Bei ihm zeigt der Dionysos-Kult im letzten Akt sein wahres Gesicht, wenn ihm all seine Anhänger, einschließlich Rogers Gattin brutal geopfert werden. Rogers Hinwendung zur Sonne wird zum Symbol höherer Erkenntnis.

Mit beeindruckender Klarheit führt David Pountney das Personal bis zu diesem Kulminationspunkt, wobei ihm eine von Fabrice Kebour faszinierend ausgeleuchtete Treppe als Bühnenbild genügt. Deren wechselnde Einfärbung korrespondiert aufs musikalischste mit Karol Szymanowskis irisierender Partitur. Mal beschwört diese in archaischen Chören byzantinische Kirchenmusik herauf (grandios singen die Camerata Silesia, der Polnische Rundfunkchor und der Bregenzer Festspielchor), mal funkelt sie in impressionistischer Exotik, um sich am Ende in einer beispiellosen Steigerung verglühend selbst auszulöschen.

Dirigent Mark Elder führte die Wiener Symphoniker mit meisterhaftem Gespür für kontrollierte Ekstase durch die Wunder dieser Musik, das ganze Ensemble mit Scott Hendricks als Roger, Olga Pasichnyk als Roxane und Will Hartmann als dionysischer Hirte an der Spitze hielt mit dem Orchester großartig mit. Ein Triumph für Bregenz!

Juan Martin Koch

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