Zunehmend aber werden soziale Infrastruktur und Kultureinrichtungen in Deutschland abgebaut und zusammengespart, auch mit dem Argument des Geburtenrückgangs und der drohenden Überalterung der Gesellschaft. Wie aber vor kurzem in einer wissenschaftlichen Studie der Universität Pennsylvania herausgefunden, steigt die Geburtenrate ab einem bestimmten Grad ökonomischer Entwicklung wieder an. Entscheidend sei hierbei der sogenannte „Human Development Index“ (HDI), der sich aus Wirtschaftskraft, Lebenserwartung und Bildungsgrad der Einwohner eines Landes berechnet. Was die Wirtschaft betrifft, so ist zur Zeit der Presse zu entnehmen, dass die deutschen Unternehmen trotz der Wirtschaftskrise bisher nur zu einem Bruchteil auf die vom Staat zur Verfügung gestellten milliardenschweren Kredit- und Bürgschaftsprogramme zurückgreifen. Dies legt den Schluss nahe, dass viele der Unternehmen doch nicht ganz so notleidend sind wie befürchtet. Zum einen wohl aufgrund der in den letzten fetten Jahren zurückgelegten Reserven. Zum anderen gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Tiefpunkt der Krise überwunden sein könnte. So konnte die Industrie im Juni 2009 einen Auftragsanstieg verbuchen wie seit fast zwei Jahren nicht mehr, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Auch Politiker lassen sich bereits zu Aussagen wie „Vielleicht ist die Lage ja doch viel besser als die Stimmung“ hinreißen. Insofern sollte von der wirtschaftlichen Seite her die Basis für einen steigenden HDI bestehen. Bei dem Faktor Lebenserwartung ist Deutschland ohnehin – nicht zuletzt aufgrund der immer noch sehr guten medizinischen Versorgung – einer der Spitzenreiter. In Sachen Bildung stellten die Wissenschaftler um den Soziologen Hans-Peter Kohler von der University of Pennsylvania in ihrer Studie fest, dass die hochentwickelten Industrieländer möglichst viel tun müssten, um den Index für die Bevölkerung weiter anzuheben. Sprich: nicht nur in Gesundheit und Arbeitsplätze, sondern gerade auch in Bildung und Kultur investieren. Darüber hinaus wird Kultur als Wirtschaftsfaktor immer wieder vernachlässigt. Neben dem Aspekt, dass das kulturelle Umfeld ein wichtiger Standortfaktor und Anreiz ist, um Investoren für eine Region zu gewinnen, liefern kulturelle Einrichtungen über die sogenannte Umwegrentabilität eine ganz erhebliche Einnahmequelle z.B. für angrenzende Gewerbetreibende. Anstatt die Kräfte sinnlos an Konzepte zu vergeuden, die einen Abbau der bestehenden Kultureinrichtungen vorsehen, muss mehr in Bildung und Kultur und die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze investiert werden. Die bestehende Infrastruktur sollte die Grundlage sein, auf der Kultur wachsen und gedeihen kann. Eine Grundlage, die Künstlerpersönlichkeiten wie Bausch und Zadek auch künftig einen fruchtbaren Boden für ihr Schaffen bietet, wie es der Standort Deutschland als „Land der Dichter und Denker“ immer war. Die Kultur und damit auch das Theater sind als Katalysator einer prosperierenden Gesellschaft unverzichtbar. Kultur ist keine freiwillige Leistung, muss Pflichtaufgabe sein. In diesem Sinne steht der Aufruf zur Erhaltung und Akzeptanz der deutschen Theaterlandschaft, sie ist einzigartig, elementarer Wirtschaftsfaktor und unterstützt eben auch die demographische Entwicklung. Gerrit Wedel |
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