Ganz bewusst entschieden sich sechs Jahre später einige junge Musikbegeisterte, unter ihnen Herbert Barth, Eberhard Schmidt und Eckart Rohlfs, die deutsche Sektion des Weltverbandes in Bayreuth zu gründen. Hier hatte bereits das jährliche „Internationale Musikstudenten-Treffen“ unter dem Motto „Das andere Bayreuth“ seine Heimat gefunden. Und hier wollten die Väter der „Musikalischen Jugend“ den Aufbruch wagen, um gerade auch in Deutschland Frieden und Völkerverständigung durch musikalischen Jugendaustausch zu stabilisieren. Von Anfang an spielte neben dem internationalen Aspekt die musikalische Jugendbildung – auch innerhalb deutscher Grenzen – eine wichtige Rolle. Daran hat sich bis heute nichts geändert – wohl aber an den konkreten Inhalten und Arbeitsaufträgen, die angesichts sich verändernder gesellschaftlicher und politischer Parameter immer wieder neu aufgestellt wurden und werden. 1992 änderte der Verband den inzwischen etwas altbacken klingenden Namen „Musikalische Jugend“ in „Jeunesses Musicales Deutschland“ (JMD). War das kleine Städtchen Weikersheim in Hohenlohe-Franken in den Anfangsjahren nur Veranstaltungsort der Internationalen Sommerkurse der Musikalischen Jugend, so bezog der Verband im Jahr 1978 ganzjährig die Räume des Renaissance-Schlosses, in dem heute auch die von der JMD geführte Musikakademie beheimatet ist. Von Januar bis Dezember finden hier nicht nur diverse Kurse und Veranstaltungen des Verbandes statt; die Akademie lädt auch Orchester und Chöre aus aller Welt ein, hier zu proben und zu wohnen. Inzwischen wurde sie vom Weltverband der Jeunesses Musicales zum „World Meeting Center“ ernannt. Für die Weikersheimer bedeutet dies, dass beim Spaziergang über den Marktplatz künftig das ganze Jahr über verstärkt fremde Sprachen und Klänge an ihr Ohr dringen werden. Die Offenheit im Ort ist – aufgrund der jahrzehntelangen Tradition – groß. Sehr intensiv werden hier die Aktivitäten der JMD wahrgenommen. Immerhin bescheren sie dem beschaulichen Ort nicht nur Renomee in musikalischen Fachkreisen, sondern auch eine Besucherzahl, die der örtlichen Gastronomie und Hotellerie wieder zugute kommt. Höhepunkt des Besucherandrangs sind die alle zwei Jahre stattfindenden Opernaufführungen im Schlosshof. Was als überschaubarer Opernkurs im Rahmen der Internationalen Sommerkurse begann, ist heute eine Unternehmung, die neben dem jungen internationalen künstlerischen Team auch Scharen von temporären Helfern und zusätzlichen Mitarbeitern beschäftigt. Der Grundgedanke ist allerdings geblieben: Junge Nachwuchsmusiker sollen hier Gelegenheit erhalten, intensiv und angeleitet durch namhafte und erfahrene Profis eine Inszenierung zu erarbeiten und aufzuführen. In mehreren Castings werden die Solisten für die Opernaufführungen ausgewählt. Aber auch Orchester und Chor kommen aus dem Nachwuchsbereich. Zur „Traviata“ im Sommer 2005 wurden das Nationale Jugendorchester Spanien und der Landesjugendchor aus Nordrhein-Westfalen eingeladen. Für junge Chorsänger, die häufig zum ersten Mal auf einer großen Bühne Opern-Erfahrungen machen, ist es ein besonderes Erlebnis, mit Regisseuren, Regieassistenten, Solisten, Bühnentechnikern und Korrepetitoren zu arbeiten. Heute bereits wird „La Cenerentola“ für das Jahr 2007 intensiv vorbereitet. Öffentlichkeitswirksame Highlights wie dieses sind der eine Teil der Verbandsarbeit. Daneben gilt es, die Ziele musikalischer Jugendbildung unermüdlich voranzubringen. Als Dachverband der deutschen Jugendorchester betreibt die Jeunesses Musicales Lobbyarbeit für diesen wichtigen Bereich der Jugendarbeit. Mit Service- und Beratungsangeboten, aber auch mit Projekten wie dem „Jugendorchesterpreis“ oder der Patenschaftsinitiative „tutti pro“, bei der jeweils ein Profiorchester und ein Jugendorchester eine lang angelegte Patenschaft eingehen, wird für die musikalische wie menschlich-soziale Entwicklung vieler musizierender Jugendlicher ein Weg bereitet. Und nicht zuletzt das Engagement für junge Komponisten, die in ihren Heimatmusikschulen selten ausreichend Beachtung und Betreuung finden, zeichnet die JMD mit ihren regelmäßigen Kursen und Wettbewerben aus. Letztere allerdings sind durch die jüngsten Entwicklungen der Föderalismus-Reform ernsthaft gefährdet. Bisher vom Bund geförderte Projekte wie der Bundeswettbewerb Komposition stehen, sollten zukünftig nur noch die Länder für kulturelle Jugendbildung zuständig sein, möglicherweise auf der Abschussliste. Das letzte Wort ist hier allerdings noch nicht gesprochen. „Innovation und Tradition“ schreibt sich die Jeunesses Musicales auf ihre Fahnen. Die Wurzeln reichen bis in die Aufbauzeit nach dem Krieg. Für die heute Verantwortlichen heißt es aber vor allem, Akzente für die musikalische Jugendbildung in der Zukunft zu setzen. Josefine Becker |
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