Doch dann öffnet sich der Vorhang und wir fühlen uns zurückversetzt in die Hochzeit von Plüsch und Plunder. Der ers-te Akt – wie vor 30 Jahren unter Götz Friedrich – in naturalistischer Nachbildung der römischen Kirche Sant‘ Andrea della Valle. Von Personenregie keine Spur, dafür die alten Kalauer vom hinkenden Mesner bis zu den frechen Ministranten. Der zweite Akt, in dem der dämonische Scarpia im Mittelpunkt stehen sollte, zerfällt in puzzle-artiges Stückwerk und reduziert diesen Puccini‘schen Ur-Bösewicht auf das Format des lüsternen Wüstlings. Da wundert es schon nicht mehr, dass der dritte Akt mehr in Hollywood, als auf einer Opernbühne des 21. Jahrhunderts spielt. Leider konnte dieses Mal auch die musikalische Seite die Schwächen der Regie nicht ausgleichen. Jonas Kaufmann gab sich alle Mühe, seinen Cavaradossi leuchtend strahlen zu lassen, klang aber häufig zu baritonal gefärbt und die Tosca der Karita Mattila kämpfte sich müde ab am forciert aufspielenden Münchner Orchester. Affekte, Leidenschaften, Wollust und Willkür, Gefühle die für Puccinis Tosca stehen, suchte man in dieser Aufführung leider vergebens. Knappe drei Wochen später dann „Die schweigsame Frau“ von Richard Strauss im Prinzregententheater. Das letzte Mal in München gegeben unter Wolfgang Sawallisch in den 1970er-Jahren mit einer aus dem Hause heraus rekrutierten Traumbesetzung, wie Kurt Moll, Martha Mödl, Donald Grobe und Reri Grist. Eine komische Alters-Oper, geboren in politischen Zwistigkeiten. Eine allzu freimütige briefliche Äußerung des gut 70-jährigen Komponisten beendete die Vorkriegs-Karriere dieses Stückes bereits nach zwei Aufführungen. Angetreten waren nun der australische Regisseur Barrie Kosky, ab 2012 Intendant der Komischen Oper Berlin, und Münchens – scheidender – Generalmusikdirektor Kent Nagano. Zu berichten ist von einer Aufführung, die den Titel „Komische Oper“ leicht und ernst zugleich genommen hat. Selten kann man erleben, dass das Publikum bei Opern von Richard Strauss in humoristische Verzückungen gerät, wie dies in München der Fall war. Die Inszenierung ist ein wenig rüschig und grell, fast operettenhaft. Das schadet jedoch nur manchmal, wenn des Komponisten selige Erinnerungen an „Ariadne“ oder den „Rosenkavalier“ zu vordergründig nachgezeichnet werden. Gespannt war man auf die Aminta der Diana Damrau – und wurde nicht enttäuscht: Dass sie Koloraturen, leicht wie ein Vögelchen im Morgenwind zu singen versteht, wussten die Münchner bereits seit ihrer fabelhaften Zerbinetta. Doch in der „Schweigsamen Frau“ durfte auch ihr großes schauspielerisches Talent zur Entfaltung kommen. Neben Franz Hawlata (Sir Morosus) und Toby Spence (Henry Morosus) war sie der gefeierte Mittelpunkt der komödiantischen Schauspielertruppe. Kosky gelang daneben etwas, worum sich Regisseure selten bemühen, er gab dem Chor und seinen Mitgliedern ein individuelles Gesicht. Andrés Máspero (Leitung) freute sich sichtlich über die Leistungen und den Applaus für seine Truppe, die das Theater auf dem Theater (Bühne und Kostüme: Esther Bialas) sichtlich genoss. Christian Kröber |
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