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Reine Noblesse und russische Seele

Zum Tod von Lisa della Casa und Galina Wischnewskaja · Von Wolf-Dieter Peter

Arabella singt „Aber der Richtige, wenn’s einen gibt...“. Für Lisa della Casa gab’s den Richtigen, nämlich den einen Ehemann seit 1949 und damit skandallose, liebevolle Ruhe im Privaten – und es gab „die Richtigen“: liebende Soprane, vor allem die von Richard Strauss. Ariadnes „Es gibt ein Reich, wo alles rein ist“ war bei ihr keine leere Opern-Phrase. In unseren demokratischen Zeiten war in grellem Kontrast zur beginnenden Fernseh-Oberflächlichkeit zu erleben, was Noblesse, Grandezza, was Adel der Seele ist. Fern der heute dominierenden eitlen Selbstinszenierung sogenannter Stars umgaben ihre „Rosenkavalier“-Marschallin, ihre „Capriccio“- und „Figaro“-Gräfin weibliche Anmut und mitunter lächelnd distanzierende Hoheit. Aus drei Komponenten setzte sich Lisa della Casas Bühnenzauber zusammen: aus einer bildschönen Bühnenerscheinung mit gelegentlich abendfüllenden Dekolletés; aus der Kunst des Weglassens, wodurch das diszipliniert Wenige an Bewegung, Blick oder Geste Besonderes ausstrahlte – und dann natürlich aus einem mühelos strömenden, in der Höhe silbern leuchtenden und in Strauss- wie Wagner-Partien auch füllig strömenden Sopran: für Eva und Chrysothemis, Elsa und Donna Anna, Pamina, Tosca und Fiordiligi, für viele andere, aber nur wirkliche Frauen-Rollen. In 33 Bühnenjahren hielt sie diese Grenzen ein und nahm mit nur 53 Jahren Abschied von der Bühne – so glorios umstrahlt, dass ihr Hollywood die Filmrolle der Anna Karenina anbot. Auch dazu sagte sie „Nein“. Über 200 Mal – rund 20 Jahre lang fast wie ein Monopol – hatte sie die Pseudo-Problemchen der Comtesse Arabella derart anziehend dargestellt, dass sie zwischen New York, London, Paris, Mailand, Wien, Salzburg und vor allem München einfach „Arabellissima“ wurde. CDs, Fernsehausschnitte, Fotos und ein kantig selbstbewusstes DVD-Porträt lassen distanzierte, kühl gelassene Damenhaftigkeit, lächelnde Eleganz und feinen Stil erleben, lassen den heutigen Kult um Schlampen- und Prolo-Look dorthin versinken, wo er hingehört... Lisa della Casa: mehr als eine Erinnerung – ein Maßstab, den Musiktheaterfreunde dankbar lebendig erhalten.

Lisa della Casa als Lucille in „Dantons Tod“ (1967). Foto: Wiener Staatsoper.

Lisa della Casa als Lucille in „Dantons Tod“ (1967). Foto: Wiener Staatsoper.

Das Klischee von der „russischen Seele“ mit ihrem Hang zu sowohl überbordender Emotion wie zu leidvoller Melancholie – das trifft auch auf die Gesangs- und vor allem Bühnenkunst von Galina Wischnewskaja zu. 1920 im damaligen Leningrad geboren, mag das Zigeunerblut ihrer Mutter mitverantwortlich dafür gewesen sein, dass die Künstlerin später bekannte: „Die Bühne und das Leben waren bei mir immer eins!“

Wischnewskajas Ausbildung war noch ganz von der vorrevolutionären „Bolschoi-Tradition“ geprägt: große Geste, großer Ton, theatralische Expression vor reiner Belcanto-Kultur. Das führte sie schnell vom Debüt 1944 in der bereits befreiten Operette Leningrads zum noch lyrischen, aber doch schon todesverschatteten Leid der Liu in „Turandot“. Der Durchbruch kam 1952 mit der „Fidelio“-Leonore am Moskauer Bolschoi-Theater. Mit der glaubhaften Bühnenerscheinung einer Diva wurde Galina Wischnewskaja dann auch eine gefeierte Tosca und immer wieder die Natascha in Prokofieffs „Krieg und Frieden“. Hinzu kamen Traviata, Butterfly, Aida, Desdemona, die „Zarenbraut“ und andere schön dunkel timbrierte Frauenrollen der russischen Oper. In Moskau lernte sie den gleichfalls überschäumend temperamentvollen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch kennen und heiratete ihn. Gemeinsame Erfolge führten zur Erlaubnis für Auslandsgastspiele. Benjamin Britten hörte sie und komponierte für ihre Stimme den Part in seinem „War Requiem“.

Doch sie durfte nicht zur Uraufführung ausreisen, erst ein Jahr später zu einem Konzert in Londons Royal Albert Hall. Im zunehmend künstlerisch einengenden Sow-jetsystem pflegte das Paar Wischnewskaja-Rostropowitsch Freundschaften zu Solschenizyn und vor allem zu Schostakowitsch. Galina Wischnewskaja nahm nicht nur die Lieder und Sopran-Partien in Sinfonien des bald bedrängten Komponisten auf, sie wurde die führende Interpretin seiner Katerina Ismailowa in „Lady Macbeth von Mzensk“. 1970 holte ein Karajan sie als Marina in seine „Boris Godunow“-Aufnahme. Mit all diesen West-Kontakten entfloh das Ehepaar 1974 der kunstpolitischen Enge der Breschnew-Ära. Eine eindrucksvolle Karriere im Westen folgte, die sie 1982 an der Pariser Oper offiziell beendete und nur eine Ausnahme machte: für die beifallumrauschte Rückkehr ans Bolschoi-Theater nach der Wende von 1989. In ihrem eigenen „Zentrum für Operngesang“ unterrichtete Galina Wischnewskaja bis vor einigen Jahren – ein erfülltes Opernleben ist zu Ende gegangen – eindrucksvolle Aufnahmen bleiben…

Wolf-Dieter Peter

 

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