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Berichte

Sängerfest und Mummenschanz

Giuseppe Verdis „Aida“ in der Semperoper Dresden

An der Semperoper setzt man zu Beginn dieser „Aida“ ein Statement: Man spielt die ukrainische Nationalhymne, aber was dann folgt, ist eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Katharina Thalbach nimmt das Stück nicht ernst, sie verharmlost es. Das Stück handelt vom Krieg, aber von Verdi ist es als Antikriegsstück gemeint. Er war bekennender Pazifist und antiklerikal. Und nicht zu vergessen: Er schrieb das Stück unter dem Eindruck des Deutsch-Französischen Krieges, der ihn sehr deprimierte. Für uns heute ist die Oper angesichts der politischen Ereignisse nur schwer erträglich. So viel Kriegstreiberei und Kriegsverherrlichung, so viel ist die Rede vom Töten, von Rache, Krieg und Flucht. Aber was hätte man – unabhängig von der Tagespolitik – in dem Stück zeigen können! Es ist ein Drama um Ohnmacht und Ausweglosigkeit angesichts eines Krieges – immerhin handelt es sich um einen Verteidigungskrieg der Ägypter gegen die einfallenden Äthiopier.

Krassimira Stoyanova (Aida), Quinn Kelsey (Amonasro), Sänger/-innen des Sächsischen Staatsopernchores Dresden und des Sinfoniechores Dresden, Extrachor der Semperoper Dresden, Andreas Bauer Kanabas (Der König), Georg Zeppenfeld (Ramfis). Foto: Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Krassimira Stoyanova (Aida), Quinn Kelsey (Amonasro), Sänger/-innen des Sächsischen Staatsopernchores Dresden und des Sinfoniechores Dresden, Extrachor der Semperoper Dresden, Andreas Bauer Kanabas (Der König), Georg Zeppenfeld (Ramfis). Foto: Semperoper Dresden/Ludwig Olah

Drei Personen sind – angesichts der Herrschenden, der Priesterkaste und des Kriegs – ihrer Ohnmacht ausgeliefert: Radames, ein schwacher Kriegsheld, Amneris, die ägyptische Königstochter, eine neurotisch grausame Aristokratin, und Aida, ihre Nebenbuhlerin. Sie ist ein Sinnbild reiner unschuldiger Weiblichkeit, eine Allegorie intakter Menschlichkeit. Menschlichkeit hat aber keine Chance in Zeiten des Krieges. Das wollte Verdi mitteilen. Was für eine Aktualität!

Doch Katharina Thalbach zeigt das Stück fern jeder Aktualität, brav, harmlos, bieder und konventionell, ohne jede ironische Brechung, die man sonst von ihr kennt. Dabei ist das Stück alles andere als harmlos. Thalbachs Bühnen- und Kostümbildner Ezio Toffolutti hat ihr einen vergoldeten Holzkasten gebaut, der vielfach variiert und aufgeklappt werden kann, mit Öffnungen, Durchblicken und Versenkungen. Die Kostüme sind ägyptisierend, es wäre allerdings übertrieben, sie schön zu nennen. Oft tragen die Frauen Schleier. Die Thalbach spielt mit dem Spiel vor geschlossenem Vorhang. Aber was heißt Spiel? Es wird wenig gespielt, nur arrangiert. Die Regisseurin liebt Tableaus, brennende Opferschalen und Weihrauch, Ägyptenklischees. Sie hangelt sich an der Oberfläche des Stücks entlang und lässt die Sänger in guter alter Operngesten-Manier gern an der Rampe singen: statt Personenregie nichts als Konventionen. Von den pseudoägyptischen Tanzeinlagen mit verrenkten Armen und Gefuchtele mit Stangen, geschlitzten Röckchen und exotischem „Sexappeal“ ganz zu schweigen. Christopher Tölle hat die Choreografie zu verantworten.

Verdis „Aida“ ist eigentlich als Ende aller Utopien gedacht, eine bürgerliche Oper der Verdizeit, in der Ägypten nur Metapher ist, wie ja auch übrigens schon in der Zauberflöte. Doch nichts davon bei Katharina Thalbach.

Am Pult dieser mit Spannung erwarteten Neuproduktion stand Christian Thielemann, Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle, dessen Vertrag 2024 ausläuft. Diese Oper dirigiert er zum ersten Mal. Nun ist Thielemann kein Verdi-Spezialist, er dirigiert eher einen Verdi aus Wagnerperspektive, sehr laut vor allem, fast lärmend manchmal, überwiegend breit in den Tempi, rustikal. In den martialischen, kriegerischen Musiknummern dreht er ordentlich auf und übertreibt es. Italianità geht ihm völlig ab. Es ist ein enttäuschender, dröger Verdi.

Die sängerische Besetzung ist allerdings erstklassig! Ein insgesamt vorzügliches Ensemble, aus dem die Aida der Bulgarin Krassimira Stoyanova mit anrührendem Sopran und die Nebenbuhlerin Amneris der belarusischen Mezzosopranistin Oksana Volkova eindrucksvoll herausragen. Aber auch Francesco Meli schmettert den schwachen Feldherrn und Kriegshelden Radames mit Grandezza, sehr eindrucksvoll ist auch Georg Zeppenfeld als bassgefährlicher Oberpriester Ramphis. Aidas Vater Amonasro wird vom hawaiianischen Bariton Quinn Kelsey eher zu edel für seine fiese Rolle gesungen, allerdings äußerst kultiviert. Nur sein Kostüm setzt dem allgemeinen Mummenschanz der Produktion die Krone auf. Immerhin: ein Sängerfest!

Dieter David Scholz

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