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Berichte

Fesselnd realisiert

»Hoffmanns Erzählungen« im Münchner Gärtnerplatztheater

So viel Szenenapplaus war in den letzten Jahren nie – für etwas wie einen künstlerischen Befreiungsakt von Alpträumen: Die Erzählungen des Dichters Hoffmann von seiner unglücklichen Liebe zum Sopranstar Stella, die Züge des Püppchens Olympia, der Sängerin Antonia und der Kurtisane Giulietta vereint, sind ja Ergebnis zweier Arbeitstiere, der Multitalente E.T.A. Hoffmann und Jacques Offenbach. Also besteht das zum Publikum offene Raumgeviert aus hellen Manuskript-Seiten. Darin fährt der dunkle Weinkeller Luthers hoch, in dem Hoffmann an einer kleinen Schreibmaschine sitzt und für seinen lese- und sensationshungrigen Freundeskreis Seite für Seite produziert – seiner Alkoholsucht entsprechend auf schiefen Möbeln: aus dem Lot wie sein Inneres. Anthony Bramall (Dirigat), Stefano Poda (Regie, Choreografie, Bühne, Kostüme, Licht, unter Mitarbeit von Paolo Giani Cei), Pietro Numico (Chor) und Michael Alexander Rinz (Dramaturgie) haben aus der schwierigen Notenlage eine in sich konsequente Münchner Fassung erarbeitet und fesselnd realisiert.

Emma Sventelius, Mária Celeng, Cameron Becker und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: Marie-Laure Briane

Emma Sventelius, Mária Celeng, Cameron Becker und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: Marie-Laure Briane

Zu Hoffmanns Liebeserinnerungen versinkt der Keller, und im vernebelt-phantastischen Blaulicht werden fünf mal fünf museale Schaukästen sichtbar: aufgehobene, aufgesplitterte Erinnerungen, beschriftet mit literarischen Werktiteln, wirr kreisend auf der Drehbühne, auf der Hoffmanns Widersacher in phantastisch zwischen 19. Jahrhundert und „hautecouturisch“ gestylten Kostümen auftauchen und verschwinden – der von Pietro Numico einstudierte Chor spielt da gespenstisch mit. Olympia ist eine von neun äußerlich völlig identischen Avatar-Puppen, deren mechanische Konstruktion im Gitternetz-Kostüm angedeutet bleibt. Zum Stimmwunder Antonia in schwarz glitzernder Abendrobe sind alle Schaukästen mit identischen Abbildern und Lebensdaten der größten Sängerinnen der Operngeschichte gefüllt, von Bordoni über Colbran, Melba zu Schwarzkopf, Sutherland, Tebaldi, Callas, Caballe bis zu Gruberova; auch Antonias Mutter ist als „Angelina de Angeli“ mit dem Todesjahr 2022 vertreten – und als sich Antonia „de Angeli“ zu Tode singt, klebt Dr. Mirakel auch bei ihr ein „2022“ auf ihren Schaukasten.

Ins kreisende Edelbordell Giuliettas werden die Glaskästen nur noch mit Nummern für die käuflichen „Begleitladies“ hereingeschoben. Dies alles zeigt, wie Hoffmanns wirre Psyche „Ordnung“ versucht – bis endlich der durch all dies begleitende Niklas ihm den schwarzen Mantel abstreift, ihn hell weiß einkleidet und aus dem Bühnenhimmel zur phantastischen Schlussmusik die unsterblichen Seiten der Werke „Hoffmann und Offenbach“ regnen. Ein visuell und dramaturgisch dichter, überzeugender Blick auf ein grandioses Werk.

Viele feinsinnige Details ergänzten und füllten diesen ästhetisch-abstrakten Lebenstaumel. Auch daran entzündete sich Szenenapplaus, vor allem aber an der zupackenden Musizierweise Anthony Bramalls und den glänzenden Sängerdarsteller/-innen: Ilia Staples faszinierend automatenhafte Olympia-Koloraturen, Jennifer O’Loughlins emotionaler Antonia-Schöngesang, Camille Schnoors kühl lockende Giulietta-Töne, Mathias Hausmanns dunkel elegante Bösewichte, Anna-Katharina Tonauers schön stetiger Beistand als Niklas und final erlösende Muse, durchweg überzeugende Porträts der Nebenfiguren – und dann zurecht ein Bravo-Sturm für den mal lyrisch im tragenden Piano und mal viril mit kräftig leuchtender Höhe durchweg überzeugenden Lucian Krasznec in der Titelrolle. Diese gar nicht musealen, durchweg musikalisch dramatischen „Erzählungen“ müssten ein Repertoire-Renner werden.

Wolf-Dieter Peter

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