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Im Ideenknäuel verheddert
„Die Zauberflöte“ am Kasseler Staatstheater

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Im Ideenknäuel verheddert

„Die Zauberflöte“ am Kasseler Staatstheater

Das kleine Wörtchen „nach“ sorgte schon vor der Premiere von Mozarts „Zauberflöte“ für Gemunkel in der Stadt. Angekündigt war die Zauberoper als „Partizipatives Musiktheater nach der gleichnamigen Oper von Wolfgang Amadeus Mozart“. Dass Intendant Florian Lutz zusammen mit Barbara Frazier, Leiterin des JUST (Junges Staatstheater), selbst Regie führen würde, heizte die Gerüchte weiter an. Offenbar war die reine Lehre der künstlerischen Theaterleitung zu erwarten.

Mitglieder des Opernchors. Foto: Isabel Machado Rios

Mitglieder des Opernchors. Foto: Isabel Machado Rios

Was nun bekam das Publikum geboten? „Die Zauberflöte“ wurde dekonstruiert, die Reihenfolge neu und nie stringent zusammengepuzzelt, manche Musiknummern und die gesprochenen Dialoge entfielen. Stattdessen trat mit der Schauspielerin Katharina Brehl eine Quasselstrippe in Erscheinung, die über drei mögliche Regieansätze aufklärte: traditionell-historisch, Regietheater mit aktualisierender, psychologisierender Deutung und postdramatisch-performativ – Stichwort „Dekonstruktion statt Identifikation“. Die Oper als moralische Anstalt? Eher ein Beispiel der volkshochschulhaften Belehrung: Die Königin der Nacht mutierte von einer mythischen Figur vor dem berühmten Bühnenbild Schinkels zu einer männermordenden Primischlampe im Müllieu (Achtung: Regietheater!). Im postdramatischen Exempel waren die Darsteller nicht kostümiert, trugen T-Shirts mit ihren Namen, sprachen die Arientexte manchmal, statt sie zu singen.

Und das Partizipative? An drei Stellen wurde das Publikum aufgefordert abzustimmen. Zuerst sollte man das Regiekonzept wählen. In der Premiere votierte der volle Saal erwartungsgemäß mit Mehrheit für die traditionelle Aufführung, in der zweiten, nur halb gefüllten Vorstellung am Mittwoch danach überraschenderweise für den postdramatischen Ansatz (wobei Zweifel angemeldet werden dürfen, ob die „Theatermacherin“ richtig gezählt hat). Im Ergebnis hieß das erst einmal, dass die Darsteller an einem großen Tisch die Personenkonstellationen mit Playmobil-Figuren nachspielten, was per Live-Kamera auf eine große Leinwand übertragen wurde.

Dann entschieden sich die Opernbesucher für die Perspektive der Königin der Nacht, was voraussehbarerweise zu einem Gemetzel an Sarastros Priestern führte. Tamino (Maximilian Meyer) starb durch eine Kugel aus Paminas Pistole. Das Patriarchat wurde kurz und klein gehauen. „Oha“, dachte man sich, „der Tempel ist ja eine Männerwelt. Ist mir vorher nie aufgefallen.“ Merkwürdig nur, dass Tamino aufersteht, innig umschlungen mit Pamina das Ende abwartet. Merkwürdig, dass die Priester als Zombies herumtorkeln, dass Papageno (Stefan Hadžić) wieder ganz im traditionellen Federkostüm seine Papagena (Katharina Brehl und Clare Tucker) bekommt. Der vogelfangende Chauvi wird belohnt – sonderbar. Offenbar hat sich das Regieteam viel zu viel vorgenommen. Nach und nach verheddert es sich in seinem Ideenknäuel und scheitert an den eigenen Ansprüchen, die drei Ansätze sind ohnehin nicht mehr auseinanderzuhalten. Ausgangspunkt der Überlegungen muss wohl eine schwere Abneigung gegen Mozarts Erfolgsoper gewesen sein.
Wie denn das Stück enden solle, wurden einzelne Zuschauer in der Pause gefragt. Gezogen wurde ein Zettel mit dem Wunsch „lustig“. Doch darauf konnte man sich offenbar nicht einstellen. Die Sarastro-Sonne blendete alle, und der Chor sang das Finale unlustig in Anzügen.

Vieles in dem gerümpelartigen Bühnenbild war völlig verzichtbar, lenkte ab, führte in eine Sackgasse. Die ausführlich kommentierte Diashow zum Thema „Blackfacing“ bevormundete das Publikum, und als Papagenos Vogelfängerarie zum Mitsingen und -klatschen freigegeben wurde, war das nur albern und schade um die Musik. Eine Besucherin bekam hier einen Lachkrampf und war kaum zu beruhigen. Viel Aufwand um nichts bot auch die Schlange, die bei Taminos Rettung zu Beginn gar nicht zu sehen war, zwischendrin aber immer wieder mal eine Person verschlang.

Lars Rühl (Monostatos), Claudius Muth (Sarastro) und Mitglieder des Opernchors. Foto: Isabel Machado Rios

Lars Rühl (Monostatos), Claudius Muth (Sarastro) und Mitglieder des Opernchors. Foto: Isabel Machado Rios

À propos Musik: Sie geriet in dem ganzen revueartigen Spektakel in den Hintergrund, zumal es sängerisch keine Spitzenleistungen gab. Ausnahme: Clara Soyoung Lee als Pamina und bei ihrer zweiten Arie in Ansätzen auch Judith Spießer als sternflammende Königin. Das Orchester unter Leitung von Kapellmeister Kiril Stankow spielte die Ouvertüre recht gut ausbalanciert, agierte im weiteren Verlauf aber oft getragen, was auch mit dem hohen Koordinationsaufwand mit der Bühne zu tun hatte. Augenschließen war also auch keine Lösung.

In der Premiere am 25. Februar entlud sich der Ärger des Publikums in Buhs und „Aufhören“-Rufen, Claqeure wurden gesichtet. Für das Theater lief damit alles nach Plan, denn es war ein Skandal mit Ansage. Die Regionalzeitung brachte eine schlechte Kritik, zahlreiche Zuschriften erreichten die Redaktion. Oper war Stadtgespräch. Immerhin… Ganz anders die zweite Aufführung. Ziemlich üppiger Beifall belohnte die Darsteller, in der Pause war Kritik, aber auch Lob für den Unterhaltungswert des Abends zu hören. Man amüsierte sich und nahm es, wie es ist.

Das Publikum, das mit naturgemäß durchaus unterschiedlichen Erwartungen an einen schlüssigen Opernabend, in der Mehrheit sicher jedoch aufgeschlossen, ins Theater gekommen war, wurde nicht ernstgenommen. Hingeworfene Fetzen ohne Konzept, inkonsequent auch in sich selbst: Ist das die Oper der Zukunft?

Johannes Mundry

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