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Aktuelle Ausgabe

Editorial
Ansichten eines Boomers

Kulturpolitik

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Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Auf ein Wort mit...
... Laurent Hilaire, Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts
Im Gespräch mit Barbara Haack

Ein komplexes Verhältnis
Freies Musiktheater „versus“ Opernhaus?

Den Menschen wieder eine Stimme geben
Das Projekt „Zukunft der Erinnerung“ am Staatstheater Augsburg

Ein Schritt in die Profi-Karriere
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Zahnlose Groteske
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Mittelalter mit KI und XR
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Ein phänomenaler Chor
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Wagner: Der Ring des Nibelungen
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Editorial

Ansichten eines Boomers

Eines der gerade aktuellen Negativ-Schlagworte im Zeitalter der political hyper-correctness ist das der „kulturellen Aneignung“. Dahinter verbergen sich die unterschiedlichsten Sachverhalte. Gemeinsames Kriterium soll es sein, dass Elemente einer anderen Kultur in einer Weise in die eigene übernommen werden, die die Ursprungskultur als unterlegen, minderwertig erscheinen lässt.

Foto: Pascal Schmidt

Foto: Pascal Schmidt

So weit, so gut. Natürlich ist das Behalten und nach europäischen Kriterien museale und oft aus dem historischen, kulturellen und religiösen Zusammenhang gerissene Zurschaustellen kolonialer Raubkunst ebenso kulturell wie auch rechtlich eine perpetuierte widerrechtliche Aneignung, die es rückgängig zu machen gilt. Natürlich ist „blackfacing“ oft in mehrfacher Hinsicht herabsetzend und peinlich. Natürlich sind Figuren wie die des „Othello“ oder des „Shylock“ trotz aller Vielschichtigkeit, mit denen Shakespeare sie versehen hat, zumindest höchst missbrauchsträchtig. Aber schon das aktuell gängige Beispiel eines hellhäutigen Menschen mit (ursprünglich jamaikanischer) Rasta-Frisur wirft Fragen auf: Wieso soll es ein Ausdruck der Überlegenheit sein, sich eine so aufwändige „fremde“ Haartracht zuzulegen? Ist es nicht viel eher ein Ausdruck der Wertschätzung? Wollen sich nicht viele der Träger/innen auch dadurch gerade von ihrem „eigentlichen“ Kulturkreis distanzieren und ihrer pankulturellen Einstellung Ausdruck geben? Ist also die Brandmarkung als herabwürdigend hier nicht etwas voreilig?

Geht man mit dem (negativ konnotierten – sonst wäre er irrelevant) Begriff der „kulturellen Aneignung“ wirklich so weit und ist man dabei konsequent, darf ein japanisches Orchester nur noch Gagaku-Musik und keinen Beethoven mehr spielen, darf Christian Thielemann keinen Verdi mehr dirigieren, muss der Jazz von den Einflüssen des französischen Barock befreit, muss Paul Gauguin aus den Museen entfernt werden, dürfen wir keinen Döner mehr essen – eine trostlose Vorstellung. In der nun einmal, mit allen furchtbaren und segensreichen Konsequenzen, globalisierten Welt kann die Kultur, können die Kulturen nicht außen vor bleiben. Sie müssen sich vermischen, aneinander reiben und wechselseitig befruchten, um lebendig und aktuell zu bleiben.

Dabei gilt es durchaus, uns aus dem zwar immer weniger öffentlich propagierten, aber immer noch tief in unserem Empfinden und Denken verwurzelten Dogma der Überlegenheit „abendländischer“ Kultur- und Gesellschaftsformen zu befreien. Diese Befreiung darf aber nicht ihrerseits Dogmen errichten. Nur so kann sie glaubhaft neuen kulturhegemonialen Tendenzen, wie sie in jüngster Zeit beispielsweise in China zu beobachten sind, entgegentreten.

Den Seismographen für Verletzungen der „political correctness“ allzu sensibel einzustellen, erscheint in diesem Zusammenhang fragwürdig. Kein Mensch ist fehlerfrei, und schon der Fehlerbegriff ist etwas höchst Subjektives. Das intersubjektiv gemeinsame Verständnis von „gut“ und „schlecht“ ist eben, wenn man´s genau betrachtet, doch sehr begrenzt. Dies gilt es immer im Auge zu behalten; die moralische Keule ist insoweit nicht nur angreifbar, sondern vielfalts- und freiheitshemmend. Vielfalt und (mentale) Freiheit aber sind ein wichtiger Nährboden der Kunst.

So könnte man dazu kommen, dass die indifferente Verwendung des Begriffs der „kulturellen Aneignung“, ebenso wie vieler anderer Schlagworte in Wirklichkeit ihrerseits nur ein Ausfluss kultureller und moralischer Arroganz und Besserwisserei ist. Bleiben wir also auf dem Teppich und freuen uns, dass die Kunst alles in Frage stellen darf und muss. Das kann manchmal halt auch verletzend sein.

Tobias Könemann

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