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Auf der Suche nach Heimat
„SHOWCASE VI: HoME“ von Yaron Shamir im Theater Chemnitz

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Auf der Suche nach Heimat

„SHOWCASE VI: HoME“ von Yaron Shamir im Theater Chemnitz

Der Ballettsaal ist das Zuhause von Tänzern. Und er wird es noch mehr, weil sich die Compagnien oft als Familie betrachten. Der Ballettsaal des Theaters Chemnitz ist auch der Schauplatz des sechsten Showcase unter der Direktion von Sabrina Sadowska: „HoME“. Dieser Titel in der Reihe von Studioproduktionen ist kein Tippfehler. Er meint einerseits den Ort, an dem man sich zuhause fühlen kann, andererseits Personen, die in sich selbst Geborgenheit fühlen und deshalb keine emotionale Bindung an einen speziellen Heimatort haben müssen.

Angelica Bistarelli, Darcie Ridder, Tim Hutsch, Lucia Alfaro Corcoles. Foto: Nasser Hashemi

Angelica Bistarelli, Darcie Ridder, Tim Hutsch, Lucia Alfaro Corcoles. Foto: Nasser Hashemi

„Zuhause ist für mich ein Platz zum Wohlfühlen. (…) Es ist mir egal, ob es nur ein Ort auf der Welt ist oder viele Orte. Mein Zuhause ist das, was ich fühle“, beschreibt der Tänzer Tim Hutsch sein individuelles Heimatgefühl. Er und seine drei Kolleginnen Lucia Alfaro Corcoles, Angelica Bistarelli und Darcie Ridder erhielten ihr erstes professionelles En­gagement am Theater Chemnitz mit Hilfe des Förderprogramms Neustart Kultur. Der israelische Choreograf Yaron Shamir fand nach vier Jahren als Offizier im Tanz eine neue Geborgenheit und seinen Lebensmittelpunkt, während der Chemnitzer Ballettbetriebsdirektor Dirk Elwert, Dramaturg des Abends, auf dem Sprung in die Ballettdirektion der Oper Graz ist. Stefan Menzel mischt mit seiner Musik der Choreografie für seine Verhältnisse eher milde Rhythmen, ­Beats und Naturlaut-Imitationen bei.

Geborgen wirkt am Premierenabend der in flächiges Licht getauchte Ballettsaal im Opernhaus Chemnitz keineswegs. Mit dem glatten Boden, dem riesigen Quadrat der Spielfläche und dem an drei Wänden sitzenden Publikum strahlt er nichts aus, was die Atmosphäre heimatlicher Gebundenheit stärken könnte. Eigentlich hätten sechs Ensemblemitglieder beteiligt sein sollen, wegen Krankheitsfällen waren es nur vier. Die Konstellation von drei Frauen und einem Mann fordert in den Bewegungen zu Asymmetrien heraus. Irgendwo zwischen hohen Sprüngen und Wälzen auf dem Boden steckt die so schwer zu findende Geborgenheit, keineswegs allerdings in den meist nur kurzen Paarbindungen und recht flüchtigen Bewegungsparallelen. Durch die unterschiedlichen Dynamiken der Bewegungen, das Sich-Entwinden aus Berührungen und Griffen, auch durch stetige Asymmetrien transformiert Shamir psychische Unbehaustheit, die etwas anderes ist als emotionale Heimatlosigkeit, in Tanz. Schwarze Knieschoner sind Teil des Kostüms und verbildlichen die Anstrengung der Heimatsuche. Schwarze Hemden sind weitere uniforme Mittel, was Haltung und Struktur gibt. Wenn die Tänzer sie anziehen, ausziehen und wechseln, signalisiert dies Flexibilität, aber keine Geborgenheit. In den 40 Minuten gibt es zahlreiche Momente der Suche nach einem sicheren Hafen für getriebene Wesen.

Erstaunlich ist, dass Choreografie und Bewegungen dem Wort „Home“ offenbar mehr Skepsis oder gar Misstrauen entgegenbringen als es die Programmheftbeiträge der Mitwirkenden vermuten ließen. Von der Decke hängt ein Käfig. Golden oder wenigstens vergoldet – Symbol für eine stabile Behausung oder für einen Ort, dem man entfliehen möchte. Bänder werden zum Medium der Berührung und der steuerbaren Richtungswechsel zwischen den Tänzern. Insofern liefert dieser Showcase keine stichhaltige Definition heimatlicher Orte oder heimatverbundenen Verhaltens. Es scheint, als sei das Gefühl von Heimat planlos und spontan. Oft ist es im Flow des Lebens einfach nicht präsent und wird dann wieder ganz stark. Shamirs tänzerische Turbulenzen überflügeln den Titel mit treibender Motorik, so als ob es möglichst wenige Lücken geben sollte, um an Heimat denken zu können. Großer Applaus im kalten Raum.

Roland H. Dippel

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