Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Zum ersten Mal ein Mann an der Spitze
Die Vernon nimmt Abschied von der Ballettakademie
Die jungen Leute wollen einfach
Orchesterworkshop der Jungen Musiker Stiftung
Zwischen Aufsässigkeit und Anpassung
Ralph Benatzky zum 50. Todestag
Freax
Oder: Warum der Leopard sich nach dem Singen um seinen Schwanz kümmern muss
Republik der Fantasie
Neue Initiativen gegen Rechts in Sachsen-Anhalt

Portrait
Theater in der Diaspora
Das Theater Nordhausen

Berichte
Die schwierige Kunst zu erben
Die Bayreuther „Meistersinger“
Ein primär musikalisches Ereignis
Henzes Konzertoper „Phaedra“ uraufgeführt
Wundervoller Abschied
Susanne Linkes „It‘s wonderful“ in Bonn
Regie-Farce um groteske Oper
Ligetis „Le Grand Macabre“ in Bremen
Alles nur Theater
Purcells „King Arthur“ in Münster

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Helmut Lang – Hessen – Wir gratulieren – taktlos
Alles, was Recht ist
Aktuelle Entscheidungen

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Spielpläne 2007/2008
Festspielvorschau

 

Berichte

Alles nur Theater

Purcells „King Arthur“ in Münster · Von Christian Tepe

Vielen Anhängern des Musiktheaters war der Komponist Henry Purcell lange nur durch seine einzige echte Oper „Dido und Aeneas“ bekannt, die Sasha Waltz vor kurzem als ein traumhaftes Unterwasserballett choreografierte. Neuerdings finden aber auch seine Semi-Opern in der Tradition der englischen „Masques“ selbst auf mittleren und kleineren Bühnen starke Beachtung. Die „Masques“ sind die barocke Vorwegnahme eines Musik, Sprechstück, Maskenspiel und Tanz zu einer exotischen Kunstwelt komprimierenden Theaterexperiments. Erfolgreiche Aufführungen von „The Fairy Queen“ in Oldenburg und Osnabrück oder des „King Arthur“ in Koblenz erwiesen in jüngster Zeit die Modernität dieser Gattung. Ihr besonderer Reiz beruht nicht zuletzt auf einer Selbstvergewisserung des Theaters, das durch die potenzierten Zauberkräfte der gemeinsam zu Werke gehenden Sparten seine turmhohe Überlegenheit gegenüber der Multimedia-Spektakelwelt draußen machtvoll demonstrieren kann. In der „Masque“ ist alles der Magie des Theaters zu Diensten: die buntscheckigen Verbindungen der Künste genauso wie das unbekümmerte Zurechtbiegen des Ausgangsstoffes oder die Irrationalität des Ereignisablaufs.

 
Ilja Harjes (Arthur), Jaroslaw Sielicki (He), Annette Johansson (She) und Tina Amon Amonsen (Em-
 

Ilja Harjes (Arthur), Jaroslaw Sielicki (He), Annette Johansson (She) und Tina Amon Amonsen (Emmeline). Foto: Michael Hörnschemeyer

 

Mit seinen Zauberern, guten und schlechten Geistern gewinnt zudem speziell der „King Arthur“ für ein Publikum noch zusätzliche Attraktivität, das sich wieder sehr für die Daseinskräfte über und unter dem Menschen zu interessieren beginnt, die vermeintlich die Geschicke der Erdenbürger mitregieren. Dass dennoch alles mit einer Prise Ironie gewürzt ist, das Stück nicht in esoterischen Eskapismus abdriftet, macht es wiederum auch für abgeklärte Geister verlockend. Am Ende ist alles eben doch nur Theater. In Münster hat Bühnenbildner Manfred Kaderk eine Raumgestaltung gefunden, die all diese verschiedenen Aspekte schlüssig in Übereinstimmung bringt. Die oft bespöttelte Lampenladenoptik des Münster‘schen Zuschauerraums findet sich mitsamt einigen Rangelementen auf der Bühne verdoppelt. In den „falschen“ Sitzreihen thronen neben richtigen, Zuschauer spielenden Darstellern, leblose Puppen. Das ermöglicht später, etwa in dem Moment, als der heidnische Sachsenkönig Oswald vergeblich die Liebe der allein Arthur zugetanen Emmeline durch ein Theaterstück zu gewinnen
trachtet und diese dann das Geschehen aufgeregt vom nachgebildeten Balkon aus verfolgt, ebenso einleuchtende wie anrührende Veranschaulichungen der barocken Schein-und-Sein-Philosophie. Wobei die hinreißende Schauspielerin Tina Amon Amonsen als Emmeline ein Übriges zur Faszinationskraft dieser und anderer Szenen beiträgt.

Doch im Verlauf des langen Abends verebben die regielichen Eingebungen von Igor Folwill allmählich bis nur noch eine kreuzbiedere Nacherzählung des Handlungsgerüstes übrigbleibt. Die große Apotheose des Theaters im Finale gerät gar, welch eine Enttäuschung, zur völlig humorfreien fernsehreifen Klamauknummer. Daran dürfte Peter Ruzicka kaum gedacht haben, als er einmal „King Arthur“ als das erste Musical bezeichnete. Auch durch das Fehlen der Tänzer verliert die Produktion beträchtlich. Ein Erzähler (Wendelin Starcke-Brauer), der als Kontaktbrücke zwischen Bühne und Publikum fungiert, klärt anfangs darüber auf, wie das Spiel sich erst im Kopf des Zuschauers durch dessen aktive Fantasiearbeit vervollständige. Damit wird so ganz im Vorbeigehen der für jede Aufführung unerlässliche geistige Mitvollzug des Rezipienten zu einer Legitimation fürs Sparstrumpftheater umgedeutet.

Münster gehört zu den Bühnen, die wie jetzt auch Bremen, ihr hauseigenes Solistenensemble auf ein Kleinformat heruntergeschrumpft haben (aktuell sind es in der westfälischen Metropole nur noch acht Sänger), das kaum erlaubt, größere Produktionen aus eigener Kraft zu stemmen. Dahinter steht neben ökonomischen Überlegungen gewiss auch die Absicht, dem Publikum durch die regelmäßige Verpflichtung attraktiver Gastsänger mehr personelle Vielfalt auf der Bühne zu bieten. Ein Konzept, das zum Teil auch aufgeht, denkt man zum Beispiel an die trotz Indisposition beredt singende und impulsiv spielende Isabel Hindersin als Luftgeist Philidel. Nur: Die ästhetischen Spätfolgen, die dem deutschen Musiktheater insgesamt durch den Verlust des Ensembles als der bestmöglichen praktischen Ausbildungsstätte entstehen, sind dabei nicht eingerechnet. Jaap ter Linden, ein Exponent der historisch informierten Aufführungspraxis, gestattet mit den zu Beginn etwas gleichförmig musizierenden Mitgliedern des Sinfonieorchesters Münster seinen Sängern viel Eigenverantwortlichkeit. Der von Peter Heinrich wie stets fundiert vorbereitete Chor nutzt nicht nur den berühmten „Chorus of Cold People“, um mit einer an Zwischentönen sehr differenzierten Farbenskala zu brillieren.

Christian Tepe

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner