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Kulturpolitik

Republik der Fantasie

Neue Initiativen gegen Rechts in Sachsen-Anhalt · Von Uwe Kraus

Unter dem Motto „Auf die Plätze! Die Stadt gehört den Demokraten“ setzten Theaterleute aus Mitteldeutschland, Laienkünstler und Sportler am 14. September in Halberstadt ein Zeichen. Sie wehrten sich mit Kunst und Kultur gegen Rechtsextremismus. Ein Vierteljahr zuvor hatten rechte Schläger Künstler des dortigen Nordharzer Städtebundtheaters überfallen (s. Editorial in O&T, Ausgabe 4/07).

Alexander Junghans steht wieder auf der großen Bühne. Mit Perücke über seiner Punkfrisur spielt der Statist auf dem Platz hinter dem Halberstädter Rathaus mit seinen Künstler-Kollegen Ausschnitte aus der „Rocky Horror Show“. Nach der Premiere des Stücks am 8. Juni war er von Rechten unweit des Theaters brutal zusammengeschlagen worden. An zahlreichen Orten der historischen Domstadt spielen in diesen Abendstunden Künstler für und wegen Menschen wie ihm. „Ich finde es einfach toll“, sagt Junghans, „dass sich so viele Menschen zusammengefunden haben, um friedlich-künstlerisch ein Zeichen zu setzen“.

Auf die Plätze in Halberstadt

 
Mit Rocky Horror gegen den Horror von Rechts. Foto: Uwe Kraus
 

Mit Rocky Horror gegen den Horror von Rechts. Foto: Uwe Kraus

 

Mit dem Projekt „Auf die Plätze!“ besetzten Kunst und Kultur in Halberstadt Orte, an denen sich sonst häufig rechtsgerichtete Jugendliche treffen. Mitglieder von Theatern aus ganz Sachsen-Anhalt sangen, tanzten, lasen und spielten genau an jenen gefährdeten Orten. „Das Prinzip einer solchen Aktion ist nun in der Welt und könnte auch für andere Städte Modellcharakter tragen“, so Theater-Intendant André Bücker. In der sonst düsteren Plantage, wo auf den Geräten des Kinderspielplatzes mit Filzstift Hakenkreuze prangen und schon mal Bierflaschen kreisen und dann fliegen, strahlten Theaterscheinwerfer. Norbert Zilz und Edith Jeschke sangen auf der improvisierten Bühne Krisenschlager der 30er-Jahre aus der Revuette „Es wird schon wieder besser“. Vorher hatten Tenöre Arien dargeboten, während sich wenige Meter weiter Zuschauer bei einer Kleintier-Show drängten. „Ich denke, das macht den Sinn dieser Veranstaltung aus“, erklärt Bücker. „Die Rechten nutzen die Fäuste, wir nutzen die Bühne. Das Profi-Theater und der Feuerwehr-Spielmannszug, der lokale Geschichtsverein, das Literaturmuseum und die Moses Mendelssohn Akademie – da tritt ein Netzwerk auf die Straße. Die Zivilgesellschaft besetzt mit Musik, Kultur und Geist Plätze, an denen sonst geschlagen und gepöbelt wird.“ Bücker freut es, dass auch politisch etwas passiert sei. Unterdessen gründete sich auf Initiative des Oberbürgermeisters von Halberstadt, Andreas Henke (Die Linke), und unter Schirmherrschaft des CDU-Landrates Michael Ermrich der „Präventionsrat Harz gegen Rechtsextremismus“.

André Bücker meint: „Zu glauben, Theater könne die tiefen sozialen Probleme der Gesellschaft lösen, ist illusorisch. Wir sind nicht das Allheilmittel, wenn währenddessen die Streetworker weggespart werden.“

Initiative der Zivilgesellschaft

Zehn Theater Sachsen-Anhalts haben inzwischen die Initiative „Republik der Fantasie – Theater für die Zivilgesellschaft“ gegründet. „Wir sind uns natürlich bewusst, dass unsere Initiative keine grundsätzlichen gesellschaftlichen Tendenzen verändern kann“, sagt Tobias Wellemeyer, Generalintendant des Magdeburger Theaters. Vielmehr wolle die Initiative Projekte vorstellen, die eine soziale Fantasie entfalten. „Mit der Initiative stellen die Theater von der Kulturinsel Halle über die Landesbühnen bis zum Puppentheater Naumburg ausgewählte Teile ihres Gesamtprogramms vor, die sich ganz bewusst mit historischer Erinnerung, sozialen Mythen und zeitgenössischen Konfliktpotentialen auseinandersetzen, die soziale Fantasie entfalten und Zukunft spielerisch vorgestalten“, sagt Wellemeyer. Und der Marketing-Leiter des Stendaler Theaters der Altmark, Randolph Götze, stellt klar, dass all die Stücke, die die Broschüre auflistet, nicht plötzlich nach dem 9. Juni-Überfall auf die Spielpläne kamen. „Wir haben ja zwei Jahre Vorlauf in der Planung.“

Die sachsen-anhaltischen Bühnen führen in der Broschüre zur Initiative „Republik der Fantasie“ Inszenierungen auf, die sich mit dem Themenfeld beschäftigen: „Anne Frank“ und „Hallo Nazi“, Andres Veiels „Der Kick“, das einem grausamen, scheinbar unmotivierten Mord in der ostdeutschen Provinz nachgeht und gleich auf zwei Bühnen Premiere hat, aber auch Felsensteins Dessauer „Hänsel und Gretel“, das Kinderarmut zeigt und von Kinderarbeit und verwahrlosten Kindern aus einem trostlosen Elternhaus handelt.

Das in Halberstadt geplante Jugendstück „Der Kick“ setzt sich mit der Perspektivlosigkeit junger Menschen in der Provinz und der wachsenden Gewaltbereitschaft auseinander. „Die Inszenierung und die theaterpä-dagogischen Begleitprogramme werden wir konkret mit den Halberstädter Ereignissen in den Schulen und Gymnasien der Region diskutieren“, kündigte Theaterpädagogin Anja Grasmeier an.

Außerdem wollen sich die Theater stärker außerhalb der direkten künstlerischen Arbeit mit dem öffentlichen Diskurs befassen und die Laien- und Jugendarbeit ausbauen. Unterstützt wird die Initiative auch vom Deutschen Bühnenverein und den Kirchen. Wellemeyer wie Bücker wissen: Die Zivilcourage der Zivilgesellschaft ist gefragt. „Theater ist und will, weiß Gott, kein politisch korrekter Ort sein, aber es muss Platz der Auseinandersetzung bleiben“, so der Magdeburger Generalintendant.

Uwe Kraus

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