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Kulturpolitik

Zum ersten Mal ein Mann an der Spitze

Die Vernon nimmt Abschied von der Ballettakademie · Von Malve Gradinger

Pädagoge, Choreograf und Führungspersönlichkeit – das alles sollte der Nachfolger von Konstanze Vernon als Leiter der Ballettakademie der Hochschule sein. Mit der Wahl des „Richtigen“ tat sich die Münchner Hochschule für Musik und Theater merklich schwer. Um ein Dreivierteljahr verspätet hat jetzt zum 1. September der Amerikaner Robert North die Leitung der Akademie übernommen.

Ein Wunschkandidat der scheidenden Schul-direktorin, was nicht unwesentlich ist. Denn Konstanze Vernon, die als „Bosl“-Chefin weiterhin aktiv bleiben will – Energie dazu hat sie mehr als manche Jüngere – und der neue Akademie-Leiter sollten gut „miteinander können“.

Immerhin ist die von ihr und ihrem Mann Fred Hoffmann 1978 gegründete Heinz-Bosl-Stiftung das unentbehrliche finanzielle Polster der Akademie. Überdies wäre es ein wirklicher Verlust, wenn sie die reiche Erfahrung aus ihrer zehnjährigen Staatsballett- und über 30-jährigen Schulleitung nicht mehr weitergeben könnte. Das aber kann sie nun im Rahmen eines Lehrauftrags als Stellvertreterin von North.

Der sanfte Übergang

 
Konstanze Vernon bei der Arbeit mit den jungen Schülerinnen. Foto: Thomas Kirchgraber
 

Konstanze Vernon bei der Arbeit mit den jungen Schülerinnen. Foto: Thomas Kirchgraber

 

Konstanze Vernon hat es immer verstanden, sanfte Übergänge zu schaffen: Ivan Liska, ihrem Nachfolger an der Spitze des Staatsballetts, gewährte sie vorab ein Ballettmeister-Jahr zur „Eingewöhnung“. Und Robert North wurde als Gastchoreograf bereits in Bosl-Ballettmatineen bejubelt für sein „Troy Game“, „Light Fandango“ und das Auftragsstück „Musici Veneziani“. Der 62-jährige, aber sehr jugendlich wirkende North vermag sich choreografisch gut auf Studenten einzustellen. Mit ihm könnte sich jetzt Vernons alter Traum von einer Junior-Compagnie verwirklichen.

„ Und“, wirft er ein, „mit mir zugleich als Hauschoreograf wird auch Geld eingespart. Ich koste nicht extra.“ Ein weiterer Vorteil: North, der für die Münchner Akademie-Leitung auf die Ballettdirektion in Krefeld und Mönchengladbach verzichtet hat, aber dennoch diesen Bühnen als Chefchoreograf erhalten bleibt, will seinen Münchner Studenten dort Praktika ermöglichen. Auch Engagements könnten sich daraus ergeben, lässt er durchblicken: „Außerdem kann ich meine Choreografien hier zuerst herausbringen, dann in Mönchengladbach oder umgekehrt.“ Sicher eine Kosten sparende Vernetzungsstrategie. Ob sie sich auch künstlerisch auszahlt, wird die Zukunft zeigen.

Neues Profil?

„Neu ist schon mal, dass ein Mann die Leitung hat – und obendrein ein Choreograf.“ Vernon enthusiastisch: „Das ist für unsere Studenten ein zusätzlicher Ansporn. Und natürlich haben wir Wünsche! Wir brauchen unbedingt auch Pädagogen, die zukünftige Ballettlehrer ausbilden. Die Bosl-Stiftung hat sich vor ein paar Jahren ein zweijähriges Lehrer-Ausbildungsprojekt geleistet. Alle Teilnehmer haben einen Job bekommen, was die Notwendigkeit nur bestätigt. Die Musiklehrer-Ausbildung gehört doch auch ganz selbstverständlich zum Musikhochschul-Lehrplan.“

PPP: Public Private Partnership

Konstanze Vernon zu dieser speziellen staatlich-privaten Partnerschaft: „Die Hochschule, die das ehemalige Trambahn-Depot in der Wilhelmstraße gekauft und renoviert hat, stellt diese Räumlichkeiten zur Verfügung. Sie zahlt weiterhin die Gehälter für die drei Professoren, für vier Lehrer, fünf Lehrbeauftragte, zwei fest angestellte und einige lehrbeauftragte Pianisten. Bosl trägt alles andere. Das umfasst die von der Stiftung direkt hinter unserem Studentenheim gebauten beiden Probenstudios, das subventionierte Wohnen – wer die 200 Euro Monatsmiete nicht aufbringt, kommt trotzdem unter – und die Bosl-Matineen, und zwar von den Gastchoreografen über die Nationaltheater-Miete bis zu den Kostümen und der GEMA. Plus die Teilnahme an den Wettbewerben. Aber auch für die Stiftung ist das Geld knapper geworden. Und wir können nun mal in einer Ballettvorstellung keine Werbeplakate aufhängen wie beim Fußball oder Tennis.“

Deutsche Studenten. Nirgends

Konstanze Vernon ist in jüngster Vergangenheit (im Leserforum der Münchner Abendzeitung) hart angegriffen worden: deutsche Studenten würden von ihr nicht genügend gefördert. In den Abschlussjahrgängen seien Ausländer in der Überzahl. Ersteres ist ein abstruser Vorwurf. Als Konstanze Vernon 1976/77 ihre Lehrtätigkeit an der Akademie aufnahm, gab es dort nur deutsche Studenten. Genau ihnen wollte sie mit der Bosl-Stiftung eine bessere Ausbildung ermöglichen. Und damit bessere Berufschancen. Denn wer wüsste besser als Vernon, nach ihrem Engagement an der Deutschen Oper Berlin die langjährige Primaballerina der Bayerischen Staatsoper (1962–80), dass vor allem Amerikaner, Engländer und Franzosen in den Ensembles tanzten – weil sie eine bessere Technik hatten. Tänzer und Choreografen, da nicht an Sprache gebunden, waren übrigens schon im 18. und 19. Jahrhundert die emsigsten Migranten.

 
Vernons Nachfolger Robert North mit Studierenden. Foto: Thomas Kirchgraber
 

Vernons Nachfolger Robert North mit Studierenden. Foto: Thomas Kirchgraber

 

In einer globalisierten Welt ist das multikulturelle Profil der „Tanzgemeinde“ zwangsläufig nur noch ausgeprägter, was North bekräftigt: „Früher nahm das Londoner Royal Ballet keine ausländischen Solisten an. Heute dürfen es Polen, Rumänen, Russen, Franzosen, jede Nationalität sein. Man engagiert eben die Besten.“ Warum aber sind schon so viele Ausländer bereits in unseren Ballettakademien? Mit der wichtigste Grund ist sicher, dass ein Abschluss von einer deutschen Institution den Sprung auf eine der – dank ererbtem Hoftheatersystem – vielen deutschen Bühnen erleichtert. Und die Ausländer sind da. Wird ein Schuldirektor sie abweisen, wenn sie Talent und eine gute Vorbildung mitbringen – nur, weil sie keine Deutsche sind? Das wäre eine in ein gefährlich nationalistisches Denken entgleisende Diskriminierung.
Ein anderer Grund ist das – zugegeben legitime – Sicherheitsdenken der Deutschen. Wenn schon Tänzerberuf, der bereits um die 30 zu Ende ist, dann sollen die Kinder wenigstens eine zukunftssichernde Gymnasialbildung bekommen. Das befürwortet auch Konstanze Vernon: „Aber: Gymnasialschüler sind oft erst um 17 Uhr frei, kommen deshalb nur dreimal in der Woche zum Ballettunterricht. Die ausländischen Studenten sind dagegen jeden Tag da! Nur, wenn man den jungen Körper ganz intensiv formen kann, wird sich ein guter Tänzer entwickeln.“ Die Struktur des Gymnasiums verändern, die Kinder um 14 Uhr entlassen, darin sähe die Ex-Schulchefin eine Lösung des Problems.

Neuer Feinschliff

Auf solche dringende, eben auch Minderheiten-Berufsziele beachtende strukturelle Veränderungen im deutschen Schulsystem wird man wohl noch eine Zeitlang warten müssen. In der Zwischenzeit wird der neue Akademieleiter Robert North am professionellen Feinschliff seiner Studenten arbeiten: „Das klassische Ballett des 19. Jahrhunderts kann Gefahr laufen, in einem Manierismus zu erstarren. Meine Aufgabe ist es, das Überkünstliche, das Unechte wegzuschleifen, Ballett näher an unsere heutige Realität heranzuführen. Ich möchte die Studenten in allen Stilen fit machen, ihnen zum Beispiel auch Jazzdance beibringen. Aber vor allem werde ich an der Persönlichkeit der Tänzer arbeiten. Denn Bewegung muss immer auch zugleich sprechender Text sein.“

Malve Gradinger

Robert North

geboren 1945 in South Carolina, USA. Nach Ausbildung in der Londoner Royal Ballet School tanzt er in der New Yorker Martha Graham Company, wiederholt im London Contemporary Dance Theatre, für das er auch choreografiert. Neben seiner Lehrtätigkeit im Modern-Dance-Bereich an Hochschulen und Konservatorien ist er ab 1981 künstlerischer Leiter einer ganzen Reihe von Compagnien, darunter das renommierte Londoner Ballet Rambert, das Ballett Göteborg, das Schottische Ballett.

Dazwischen freiberufliche Tätigkeit als Lehrer und Choreograf, vielfach ausgezeichnet mit Preisen wie dem Golden Prague Award und dem 1. Preis der Helsinki International Dance Competition. 2001 wird er zum Honorarprofessor an der Ungarischen Tanzakademie in Budapest ernannt. Vom 1. 1. 2007 bis zum Antritt der Münchner Professur am 1. 9. 2007 war er Ballettdirektor der Vereinigten Städtischen Bühnen von Krefeld und Mönchengladbach.

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