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Editorial

Duisburg dreht durch – die Parole kommt einem in den Sinn, wenn man liest, welchen Unfug sich die Duisburger Verwaltung, allen voran der Kulturabschaffungsdezernent Karl Janssen einfallen lässt, um Sanierungsmaßnahmen am geschundenen Stadt-Haushalt vorzutäuschen: Statt, wie ursprünglich angedacht und schmerzhaft genug, den Finanzierungsbeitrag zu der seit 1956 in beispielhafter Effizienz funktionierenden Theatergemeinschaft „Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg“ (DOR), die es beiden Städten ermöglicht, zu denkbar moderaten Kosten in der ersten Liga der deutschen Musiktheater mitzuspielen, um 2,5 Millionen Euro zu reduzieren, soll nach Janssens Vorstellung nun diese Partnerschaft insgesamt aufgekündigt werden. Tolle Folge: Die Stadt „spart“ nicht nur die 7 Millionen Euro, um die der Kultur-Etat insgesamt beschnitten werden sollte, sondern gleich die vollen 11 Millionen Euro, für die der Stadt bis dahin ein erstklassiges Opern- und Ballettprogramm geboten wurde. Natürlich sind schon die vorgegebenen Einsparungserwartungen an die Kultur weit überproportional: ihr Anteil am Haushalt beträgt 2,7 Prozent, der an der Erreichung des Sparziels verlangte fast 9 Prozent! Aber die Folgen sind ja gar nicht so schlimm. Originalton Janssen in einem WDR-Interview: „Wir verabschieden uns von der Opernehe mit Düsseldorf, nicht von der Oper, also das Haus bleibt stehen…….“ Wussten wir es doch immer schon: Das Wichtigste an der Oper ist das Haus, nicht das, was drin geschieht! Immerhin: Es werden sogar „weitere Veranstaltungen“ in diesem Haus – darunter wohl auch gelegentliche Musik- und Tanztheatergastspiele – angekündigt.

  Tobias Könemann  

Tobias Könemann

 

Wenn nun Duisburg, die fünfzehntgrößte Stadt der Bundesrepublik mit zirka einer halben Million Einwohner, diesen Wahnsinn wahr macht, bedeutet das ein Negativsignal von ganz neuer Dimension für die deutsche Theaterlandschaft: Von woher sollen denn die nebulös angekündigten Gastspiele kommen? Aus dem alleingelassenen Düsseldorf? Das kann nur teurer werden. Von den übrigen der 14 größeren Städte? Wie viele Gastspiele kann denn jedes der dortigen Häuser in Duisburg machen? Vielleicht 3 pro Jahr? Das wären dann maximal um die 40 – nicht gerade ein voller Spielplan. Und was kosten sie – vielleicht doch jeweils mehr als eine Vorstellung der DOR? Und wie sieht das technisch aus? Passen die Produktionen anderer Häuser so einfach auf die Bühne? Und was ist mit den Reisekosten? Und können und wollen die anderen Häuser denn überhaupt regelmäßig gastieren? Wer füllt bei ihnen zu Hause die Lücke? Und wer sagt, dass, wenn Stadt Nr. 15 kein eigenes Musiktheater mehr zu brauchen glaubt, dies nicht auch für Stadt 14, 13, …… gelten kann? Von den vielen viel kleineren Theaterstandorten, die tapfer ihre Häuser halten, mal ganz abgesehen. Und ist nicht die Vielfalt des Theaterangebots, die das Gebiet um Rhein und Ruhr so einmalig macht, ein ganz eigener Wert – auch für die Attraktivität dieser strukturell ansonsten so mitgenommenen Region als Wirtschaftsstandort? Ach ja – und wie werden zukünftig die Duisburger Philharmoniker, die bislang überwiegend in der Oper eingesetzt werden, sinnvoll ausgelastet? Bekommen sie jetzt einfach mehr Freizeit, wird die Stadt mit einer Vielzahl zusätzlicher Sinfoniekonzerte beglückt oder sollen die Philharmoniker verstärkt auf Reisen gehen?

Im Moment ist das alles erst ein Vorschlag des Kulturdezernenten der Stadt, die sich noch vor 2 Jahren unter dem Titel „Kulturhauptstadt Europas“ sonnte. Aber wenn schon der, der ja eigentlich der Hüter und Vorkämpfer der Kultur in seiner Stadt sein sollte, solche Vorschläge unters Volk bringt, kann man dann wirklich hoffen, dass der Rat der Stadt, in dem die Kultur naturgemäß nur ein Interessenbereich unter vielen ist, hier Vernunft und Weitsicht aufbringt?

Dies ist nun der dritte Sündenfall am Rhein, nachdem es in den letzten 12 Monaten bereits die Stadtoberen von Bonn und Köln geschafft haben, in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen mit abstrusen, im Falle Bonn sogar in einer von der Stadt lancierten Bürgerbefragung mehrheitlich abgelehnten Kürzungsvorgaben ihre in der Erhaltung beziehungsweise Schaffung eines jeweils bemerkenswerten künstlerischen Niveaus erfolgreichen Theater-Intendanten flächendeckend vorzeitig wegzuekeln.

Es gibt auch noch positive Signale aus der Region: Die ähnlich erfolgreiche Theaterehe Krefeld/Mönchengladbach konnte zumindest vorläufig gerettet werden. Aus Köln, wo eine Bürgerinitiative ja auch schon den Abriss des Schauspielhauses verhindern konnte, hört man, dass man doch noch einmal mit dem Opernintendanten über eine Lösung reden wolle, aus Bochum – einer Stadt, die finanziell mindestens so gebeutelt ist wie Duisburg – gar, dass das dortige Theater von Sparmaßnahmen ausgenommen bleiben soll.

Tobias Könemann

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