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Vergnügliche Suche in der Schatzkiste

Der Schweriner Opernchor mit einem Projekt für Kinder und Jugendliche

Den Opernpremierenplan des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin für die zurückliegende Spielzeit hatte Operndirektorin Ute Lemm ziemlich rund angelegt. Große romantische Oper mit Dvořáks „Rusalka“, ein anspruchsvolles modernes Werk war Strawinskys „The Rake’s Progress“ und mittendrin „Der Wildschütz“. Den Liebhabern der herausgepickten Rosinen wurden zusätzlich jeweils eine Operngala und eine Operettengala gewährt, daneben wurde auf der Kammerbühne im E-Werk eine „Winter. Reise“ nach Schubert in Szene gesetzt.

Der Schweriner Opernchor auf musikalischer Schatzsuche. Vorne: Franz Sieveke als Mozart, Reinhard Strey als Papageno. Foto: Silke Winkler

Der Schweriner Opernchor auf musikalischer Schatzsuche. Vorne: Franz Sieveke als Mozart, Reinhard Strey als Papageno. Foto: Silke Winkler

Dennoch meinte der Opernchor, er könne noch mehr leisten. Direkt aus den Reihen der Chorsängerinnen und -sänger entsprang die Idee zu einer musikalischen Geschichte für Kinder im Grundschulalter. Es sollte ein Projekt werden, das Kinder mit den Schätzen des Musiktheaters bekannt macht: mit einer fesselnden Geschichte in bunten Kostümen, mit klangvoller Musik und all den faszinierenden Illusionen des Theaters. Cristiano Fioravanti, Regieassistent im Musiktheaterteam des Staatstheaters, nahm sich der Ideen des Chores an und verwandelte sie in eine farbige Inszenierung.

Premiere hatte die einstündige Aufführung unter dem Titel „Mozarts Schatzsuche“ an einem Freitagvormittag Ende Februar im vollbesetzten Konzertfoyer im Großen Haus. Den Hauptanteil an den Besuchern hatten etwa 80 Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen aus der Schule an der Bleiche, die aus dem knapp 40 Kilometer entfernten Städtchen Ludwigslust gekommen waren. Mit erstaunlicher Konzentration verfolgten sie alle die geheimnisvollen Geschehnisse auf der Bühne, am Ende klatschten sie voller Begeisterung und trampelten dazu mit den Füßen.

Die Geschichte konnten die Kinder schnell begreifen: Der berühmte Komponist Mozart (Franz Sieveke) sitzt in seinem Arbeitszimmer auf dem Kanapee und trinkt Tee (Die Kinder: „Der ist ja echt!“). Da „klinget so herrlich“ sein Handy. Doch wie man mit diesem Ding umgeht, weiß Mozart nicht. Das konnten ihm die Kinder aber schnell beibringen, denn damit findet sich ja heute jedes Kind zurecht. Über dieses Handy bekam Mozart den Auftrag, die schönste Melodie der Welt zu finden. Zuerst kramte er in seinen eigenen Melodien und fand dabei aus seiner „Zauberflöte“ den Papageno (Reinhard Strey), der sich mit der Arie „Der Vogelfänger bin ich ja“ vorstellte. Mit ihm bekam das Stück einen zweiten Handlungsstrang, denn Papageno suchte – wie in der Zauberflöte auch – nach einer Braut für sich.

Da trugen Seeleute unter dem Gesang von Wagners „Steuermann, lass die Wacht!“ eine geheimnisvolle Schatzkiste aus den Tiefen des Meeres von hinten durch den Mittelgang zur Bühne. Was nun? „Mozart, mach die Kiste auf!“, schrien die Kinder. Das tat er und fand in der Kiste verschiedene Anregungen für die schönste Melodie – und Papageno für ein Weibchen. Etwa ein Kätzchen (Daniela Sieveke), dem er sich im Duett „Nun, liebes Weibchen“ aus dem Singspiel „Der Stein der Weisen“ näherte. Oder ob eher Bizets Carmen die Richtige für ihn sein könnte, so wie Ruth Kiefer ihr mit der berühmten Habanera „L‘amour est un oiseau rebelle“ und einem großen roten Fächer in der Hand einen Auftritt gab? Oder etwa die Aufziehpuppe Olympia aus „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach, deren Koloraturen der Sopranistin Kaori Okita vorzüglich über die Lippen perlten, wobei sie die mechanischen Puppenbewegungen köstlich imitierte?

Die Sängerinnen und Sänger des Chores hatten grosse Sing- und Spielfreude an ihrem Projekt. Nicht nur die Chornummern, sondern auch sämtliche solistischen Aufgaben hatten sie übernommen.

So kramten beide, Mozart und Papageno, gemeinsam in der Kiste nach Schätzen und in der Opernliteratur nach Melodien, Arien, Duetten. Bis plötzlich das Licht ausging! Was war das? Genau: „Der Mond ist fort!“, tönte erschrocken der Chor aus Carl Orffs kleinem Welttheater „Der Mond“. Danach wurde noch eine Reihe weiterer Melodien ans Licht gebracht, das inzwischen wieder von der Bühne strahlte. Melodien aus „Figaros Hochzeit“, aus „Don Giovanni“ und „La donna è mobile“ aus Verdis „Rigoletto“, wobei der Tenor Tomoji Okita das „mobile“ sehr direkt mit einem Jo-jo-Spiel ausdeutete. Besonderen Applaus bekam der schmissige Vortrag des neapolitanischen Liedes „Funiculì, Funiculà“, ehe die Geschichte fröhlich mit dem himmlischen Halleluja aus Händels „Messias“ zu Ende ging.

Eine Braut für Papageno wurde nicht gefunden, doch das fiel kaum ins Gewicht. Auch konnte DIE schönste Melodie nicht gefunden werden, aber auch darüber wurde nicht abgerechnet. Viel wichtiger blieb in Erinnerung, wie viele schöne Melodien uns doch bekannt sind, von denen eine für diesen, eine andere für jenen Zuhörer die schönste sein könnte. Dass längst nicht alle Musik von Mozart war, und dass es überhaupt bunt gewürfelt durch die Musikgeschichte ging – wen störte das schon! Den Kindern war das völlig egal, ihnen hatte die Aufführung ganz offensichtlich viel Vergnügen bereitet.

Foto: Silke Winkler

Foto: Silke Winkler

Auch die Sängerinnen und Sänger des Chores auf, vor und neben der kleinen Podestbühne im Konzertfoyer hatten große Sing- und Spielfreude an ihrem Projekt. Nicht nur die Chornummern, auch sämtliche solistischen Aufgaben hatten sie übernommen. Und das auf sehr überzeugende Weise! Es war toll, mit welchem Engagement, mit welch sängerischem Können und darstellerischer Präsenz sich das Ensemble hier in die Hauptrolle spielte! Musikalisch stand hinter allem die profunde Arbeit des Chordirektors Ulrich Barthel. Er wirkte überdies als Solist mit und steuerte zu Händels „Halleluja“ einen eigenen, auf das Stück bezogenen Text bei. Das Orchester für die verschiedenen Arten und Stile der Musik war der Solorepetitor Friedemann Braun. Hier begleitete er am Flügel, dort an der Orgel und den Papageno auf dem Zauberflöten-Glockenspiel.

Einen völlig überraschenden Sprung in die Moderne machte der Chor mit seiner Zugabe von Falcos Rapsong „Rock me Amadeus“ – und traf damit bei den jungen Zuhörern glatt ins Schwarze. Die rockten mit, als hätten sie den Song selbst drauf. Dennoch war dies eine Schatzsuche, die nicht nur Kindern, sondern auch erwachsenen Opernliebhabern durchaus Vergnügen bereiten konnte.

Michael Baumgartl

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