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Vertrauen auf die Kraft der Musik

Ela Baumanns Tanz- und Musiktheaterprojekte für Kinder und Jugendliche

Ela Baumann arbeitet als Regisseurin, Choreografin und Librettistin unter anderem an der Opéra nationale La Monnaie, der Wiener Staatsoper, der Vlaamse Opera Antwerpen, dem Lucerne Festival, der Philharmonie Köln, der Philharmonie Luxemburg und anderen. Mit großer Leidenschaft kreiert die Österreicherin Musik- und Tanztheater für junges Publikum. Für diese Arbeiten wurde Baumann mehrfach ausgezeichnet: 2015 ist ihr „Zauberlehrling“ für den Stella Darstellender.Kunst.Preis für junges Publikum Österreich nominiert. 2014 war sie mit „Lollo“ für den junge-ohren-Konzeptpreis nominiert. Ihre Choreografie des Musikspektakels „Drumblebee“ bekam gleich drei Auszeichnungen: den YAMA-Publikumspreis, den junge-ohren-Sonderpreis sowie den YEAH! Young EARopean Award/Kategorie Performance. Mit weiteren Choreografien und Stücken wie „Das goldene Herz“, „Wanja. Eine Wintererzählung“ erzielte sie europaweit Beachtung im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters. Andreas Kolb sprach für „Oper & Tanz“ mit Baumann über ihre Projekte.

Oper&Tanz: Regisseurin, Choreografin und Librettistin: Das sind doch sehr verschiedene „Hüte“. Als was sehen Sie sich selbst?

Ela Baumann. Foto: Yves Maurer

Ela Baumann. Foto: Yves Maurer

Ela Baumann: In der Verbindung von Regie und Choreografie steckt tatsächlich der Kern meiner Motivation. Auch für dramaturgische Arbeiten wurde und werde ich immer wieder aufs Neue angefragt. Obwohl ich stets geantwortet habe: „Ich bin aber keine Dramaturgin.“

O&T: Wie sieht ihr Auftragsbuch 2014/15 aus. Welchen Spannungsbogen gibt es da?

Baumann: „(K)eine Alpensage“, ein Stück, das Anfang des Jahres uraufgeführt wurde, ist eine musikalische Klanggeschichte über die Suche des Mädchens Annie nach den Geheimnissen der Berge mit Musik von Christof Dienz. Es ist definitiv ein Herzstück von mir. Ich führe da nicht nur Regie, sondern habe auch das Libretto geschrieben. Mein zweites zentrales Thema in dieser Saison und für die nächsten zwei Jahre ist das Stück „Something called time“, eine luxemburgisch schwedische Co-Produktion mit dem collectif dadofonic und einer Tanztheatergruppe aus Östersund.

O&T: Sie sind bekannt für Ihre Arbeiten mit und für junges Publikum. Wie sind Sie auf die Konzerte für Kinder gestoßen?

Baumann: Eigentlich eher zufällig. Zur Zeit meiner ersten Regiearbeiten für die Oper habe ich unter anderem mit Studenten an einem Kinderprojekt über die Gesangsstimme gearbeitet. Das war ein sehr vermittelndes Projekt, in Luxemburg irgendwo am Land, in einem Gemeindesaal, in dem drei Scheinwerfer an der Decke hingen. Ich dachte mir: Das kann nicht sein, ich kann so nicht arbeiten! (lacht) Dann kamen die Kinder und haben den Raum erfüllt mit ihren Stimmen und ihrem Duft und haben einfach mit großen Augen und großen Ohren dieses Stück angesehen, das mit diesen drei Scheinwerfern beleuchtet war. So eine Begeisterung habe ich nie zuvor bei Erwachsenen erlebt, egal ob sie Schauspieler oder Zuseher waren. Damals hatte ich das Gefühl: Deswegen möchte ich Theater machen. Auf diese Art und Weise möchte ich mein Publikum berühren können. Das geht mit Kindern fantastisch. Man kann sie so wunderbar verzaubern, und wenn sie mit einem gehen, dann ist das für mich wirklich ein großes Geschenk.

O&T: Wo liegen die Hauptunterschiede zwischen Konzerten für Kinder und Konzerten mit Kindern?

Baumann: Ich versuche mit den Kindern künstlerisch zu arbeiten. Das heißt, sie nicht nur einfach zu inszenieren, sondern das aus ihnen herauszulocken, was sie an diesem Thema interessiert. Die Konzerte für Kinder unterscheiden sich für mich nur in der Themenwahl von der Arbeit für Erwachsene. Denn eigentlich mache ich da nicht besonders viele Unterschiede. Allerdings sind Kinder nicht so sehr von Konventionen geblendet wie die Erwachsenen.

O&T: Erzählen Sie uns mehr über die Art und Weise, wie Sie mit Kindern arbeiten. Was machen Sie anders als bei den „Großen“?

Baumann: Eigentlich sollte ich wohl besser überhaupt keinen Unterschied mehr sehen. Denn über diese Frage nachdenkend merke ich, dass ich mich bei der Arbeit für Kinder einfach freier fühle. Ich verlasse mich dabei viel mehr auf meine ersten Bilder, meinen Instinkt und arbeite viel lustvoller. Ich kann mehr auf die Kraft der Musik vertrauen, darauf vertrauen, dass sie mich zu einer spannenden Geschichte inspirieren wird. Bei einer meiner letzten Arbeiten, „vier gewinnt“ mit dem vision string quartet, zum Beispiel sind die Charaktere des Stückes beim Studium der Partituren gewachsen. Jede Stimme trägt auf ganz besondere Weise zum Gesamtklang bei. Das wollte ich auch gerne in die Figuren übertragen, in menschliche Verhaltensweisen und Charakterzüge übersetzen. Teilweise gab es dann sehr lustige Übereinstimmungen mit den Charakteren der Musiker.

Man scheint dem jungen Publikum endlich etwas zuzutrauen und beginnt auch im Musiktheater, sein Publikum ernstzunehmen.

Wahrscheinlich sollte ich auch bei der Arbeit für ein ausschließlich erwachsenes Publikum (alle Stücke für Kinder sollten auch von Erwachsenen genossen werden können) mehr wagen, den Kopf auszuschalten und mich auf die mich so treibende Kraft verlassen, die Freude und das hemmungslose Amüsieren mit der Musik.

O&T: Wie entsteht ein Hit wie „Drumblebee“, das musikalisch-rhythmische Gemeinschaftsspektakel für die Philharmonie Luxembourg, Lucerne Festival, KölnMusik und die Grazer Spielstätten? Kann man so einen Hit wiederholen?

Baumann: „Drumblebee“ war eine Zusammenarbeit mit dem luxemburgischen Regisseur Dan Tanson. Das ist sicher schon einmal etwas, das die Hitverdächtigkeit steigert, wenn man da nicht alleine steht. Das ist bei Musiktheaterstücken für mich das Wichtigste, dass die Musik zu mir spricht und ich nicht eine Geschichte erfinde und darauf dann Musik setze.

O&T: Was sind Ihre zentralen Projekte 2015/16?

(K)eine Alpensage. Foto: Igor Ripak

(K)eine Alpensage. Foto: Igor Ripak

Baumann: Neben einem Inklusionsprojekt gibt es wieder ein Projekt für Kinder: Mein nächstes Stück ist eine Klanggeschichte zum „spontanen Mitmusizieren“, basierend auf einem Buch von Mira Lobe namens „Lollo“. Ich habe das Libretto geschrieben, und Elisabeth Naske schreibt die Musik gerade im Moment dazu. Am 23. Oktober haben wir Premiere im Wiener Kindermuseum ZOOM.

O&T: Warum ein Kindermuseum als Spielstätte?

Baumann: Ich habe mir das Kindermuseum deshalb als einen Ausweichpunkt zu den normalen Spielstätten gesucht, um dort auszuprobieren, wie weit ich mit einer Klanggeschichte gehen kann, die ich eigentlich nicht selber verbildliche. Dieses Kopfkino entsteht im Moment durch den Klang: Das heißt konkret, die Kinder werden mit uns sehr einfache Instrumente bauen. In einem halbstündigen Konzertteil werden sie mittels des Dirigates durch das Konzert geleitet und musizieren mit. Im Abschluss gibt es, motiviert aus der Geschichte, einen freien Spielteil, wo die Kinder im Raum im Bühnenbild die Geschichte weiterbauen und das Erlebte im Spiel verarbeiten können.

O&T: Was erleben sie denn, erzählen Sie uns den Plot?

Baumann: „Lollo“ ist eine Co-Produktion mit der Oper Köln und den Bregenzer Festspielen. Das Thema des Stücks ist „Müll und Recycling“. Es geht um eine Puppe, die weggeworfen wurde und beschließt, dass sie eigentlich noch gar nicht auf den Müll gehört. Auf der Müllhalde findet sich auch noch anderes kaputtes Spielzeug. Sie packt sie alle ein und sagt: „Komm, wir fahren in den Wald! Und dort machen wir eine Heilanstalt.“

O&T: Sie sprachen eingangs einmal von „sehr vermittelnder Musik“. Das klang beinahe abschätzig. Wie sehen Sie den aktuellen Markt der Kinderkonzerte aus künstlerischer, aber auch aus Veranstaltersicht?

Baumann: Zu meiner großen Freude nehmen die „Erklärungskonzerte“ immer mehr ab. Man scheint dem jungen Publikum endlich etwas zuzutrauen und beginnt langsam aber sicher, auch im Musiktheater sein Publikum ernst zu nehmen. Schön wäre es, wenn die „Wir-machen-was-Niedliches-zum-Lachen-für-Kinder-Projekte“ bald endgültig Vergangenheit wären. Wenn Vermittlung nur Erklärung eines Werkes ist, dann ist das einfach eine Informationsveranstaltung, egal ob der Vermittler als Fee oder Nashorn verkleidet ist. Die Musikvermittlung heute begreift sich glücklicherweise schon viel breiter und schafft Raum für Begegnungen mit Kunst, vermittelt nicht nur zwischen Kunst und Betrachter, auch zwischen Veranstalter, Künstler und oft genug auch Finanzier. Toll ist, dass Veranstalter nachzudenken beginnen, welche Rahmen sie jungen Hörern bieten und wie die Rahmen sich unterscheiden können von der von uns so hochgehaltenen Tradition. Oft merke ich, dass die Eltern des jungen Publikums die experimentellen Präsentationsformen extrem genießen und denke, man sollte auch für Erwachsene mutiger präsentieren und programmieren.

Andreas Kolb

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