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Berichte

Zauberhafter Orient

„Der Kleine Muck“ im Staatstheater Cottbus · Von Susanne Geißler

Wer kennt ihn nicht, den kleinen Muck, der mit Mut, Pfiffigkeit und einem viel zu großen Turban in die Welt zieht, um sein Glück zu suchen? Die Märchenoper von Frank Schwemmer mit dem Libretto von Manuel Schöbel brachte den kleinen Helden nun im Cottbuser Theater auf die Bühne. Von der Verwandtschaft als Zwerg verspottet und aus dem Haus gejagt, entdeckt er eines Tages zwei wunderbare Dinge: Pantoffeln, die schneller sind als der Wind, und ein Stöckchen, das Gold und Edelsteine aufspüren kann. Er begibt sich damit auf die Suche nach dem Glück, erlebt eine Reihe von Abenteuern, lernt Geldgier, Neid und Eitelkeit kennen, wird als Oberschnellläufer am Hof des Sultans angestellt und als vermeintlicher Golddieb verleumdet, erntet Feigen, die entweder Eselsohren wachsen oder wieder verschwinden lassen. Und er lernt, dass das Glück weder in der auskömmlichen, aber stupiden Arbeit bei der Katzenmutter Frau Ahavzi noch in einem Haufen Gold oder im Gefühl der ausgeübten Rache liegt. Glücklich wird man erst, wenn man Freunde gefunden hat, auf die man sich verlassen kann.

 
 

Hardy Brachmann als Kleiner Muck. Foto: Marlies Kross

 

Im Januar 2002 kam diese kleine Märchenoper am carrousel Theater Berlin zur Uraufführung. Der Komponist Frank Schwemmer hat sich, nach seiner Angela-Merkel-Oper, zusammen mit dem Librettisten Manuel Schöbel der Oper für Kinder zugewandt. Das ist löblich, denn noch immer beschränkt sich das vorweihnachtliche Kinderprogramm vieler Häuser zumeist auf Humperdincks „Hänsel und Gretel“ und Mozarts „Zauberflöte“. Zwar hat sich in den letzten Jahren das Repertoire spürbar erweitert, es besteht aber weiterhin ein großer Bedarf an kindgerechten neuen Werken, um das Publikum der Zukunft abwechslungsreich und ganzjährig für die Oper zu begeistern. Großen Beifall fand Schwemmers „Ritter mit dem Wind im Haar“, der an der Komischen Oper Berlin zu erleben war. Nun gibt er dem Märchen von Wilhelm Hauff eine musikalische Gestalt, und er macht es gut. Im Duktus von Richard Strauss und Engelbert Humperdinck versetzt er die Hörer in einen zauberhaften Orient, vermittelt die Atmosphäre von Einsamkeit und Verzweiflung in dürrer Wüste ebenso wie den umtriebigen Tumult am Palast des Sultans. Schwemmer versteht es, fernab von Mitklatschsongs oder Trampelrhythmen die kindlichen Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Jedem der spannungsgeladenen Abenteuer lässt er musikalische Beruhigungsphasen folgen, die den Kindern die Möglichkeit geben, sich wieder zu sammeln und dem Bühnengeschehen weiter aufmerksam und aufnahmebereit zu folgen. Das Philharmonische Orchester Cottbus unter der Leitung von Judith Kubitz interpretiert Schwemmers Musik mit überzeugender Klangschönheit.

Bernhard Kilchmann versteht es, mit seiner Ausstattung märchenhaften orientalischen Glanz zu verbreiten. Golden, rot und grün prunkt der bühnenfüllende Palast. Turbane, Pluderhosen und die Schleier der Haremsdamen passen sich mit praller Farbigkeit dem glitzernden Überfluss an. Das Ballett, grün gewandet und zu Gruppen gestellt, wird zu Feigenbäumen oder buckelt und rekelt sich als Katzenschar durchs Haus der Katzenmutter (hoheitsvoll und bedrohlich gesungen von Heidi Jütten). Hauke Teschs Inszenierung gibt dem Märchen eine Rahmenhandlung. Ein Mädchen (kraftvoll und einfühlsam singt Cornelia Zink) sitzt in seinem mit allen Attributen der Jetztzeit ausgestatteten Kinderzimmer und liest in einem alten Märchenbuch. Das Gelesene wird zur Bühnenhandlung, in die das Mädchen nach und nach einbezogen wird. Es wird dem kleinen Muck hilfreich zur Seite stehen und ihm wahre Freundschaft beweisen. Hardy Brachmann ist als Muck schauspielerisch wie sängerisch gleichermaßen gefordert. Er ist der Held, dessen jugendlicher Mut bei all den gefährlichen Abenteuern die Zuschauer sicht- und hörbar mitleiden, mitsiegen lässt. Seine rasante Geschwindigkeit, mit der es ihm in seinen Zauberpantoffeln gelingt, in Sekundenschnelle von der Bühne weg in den ersten und zweiten Rang zu sausen, um sich dort dem verdutzten Publikum zu präsentieren, gibt Rätsel auf. Neben dem Achtung heischenden Polter-Bass des Sultans (KS Horand Friedrich) sind die Rollen des Prinzen (Dirk Kleinke), des geldgierigen Schatzmeisters (Heiko Walter), des Hellsehers (Frank Wustlich) oder des Wächters und Kochs (Volker Maria Rabe) überzeugend besetzt. Bezieht man den Chor des Hauses mit ein, kann man von einer rundherum gelungenen Ensembleleistung sprechen.

Wenn sich der Vorhang nach dem vierten Akt senkt, bedankt sich das junge Publikum mit glänzenden Augen und nicht enden wollendem Applaus. Dass mit diesen zwei Stunden nicht alles vergangen und vergessen ist, berichten die Lehrer. Klassen der umliegenden Schulen werden regelmäßig vom Theater eingeladen, und diese Besuche sind eingebettet in mehrtägige Arbeitsprojekte, die der Veranstaltung vorausgehen und ihr nachfolgen. Im Deutsch-, Kunst- und Musikunterricht wird das Erlebte verarbeitet, wird damit unvergesslich und – im Hinblick auf spätere Jahre – hoffentlich unverzichtbar gemacht.

Susanne Geißler

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