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Portrait

Die Primadonna assoluta

Zum Tod der Sängerin Birgit Nilsson · Von Stefan Meuschel

Auf einem Bauernhof in Svenstad, das zur Gemeinde Vastra Karup in der südschwedischen Provinz Skåne gehört, wurde sie am 17. Mai 1918 geboren. Am Vorabend ihrer Aufnahmeprüfung für die königliche Musikhochschule Stockholm hatte sie auf dem Hof ihrer Eltern die zehn Kühe zu melken. Als sie sich am 17. August 1991 in Bayreuth für den ihr von der VdO verliehenen Wilhelm Pitz-Preis bedankte, erinnerte sie die Wagner-Stadt des Jahres 1953, des Jahres ihres Festspiel-Debüts, als „ein gottverlassenes Nest“, in dem „ich, die Erbhof-Tochter, zum ersten Male in meinem Leben sehen konnte, wie Bauern ihre Äcker noch mit Kühen und Ochsen bestellten“. Von den Mittsommer-Abenden ihrer Heimat, von ihrer lebenslangen Partnerschaft mit dem Tierarzt Bertil Niklasson, von ihrem Leben in Kristianstad, wo sie französisches Omelett mit gedämpften Muscheln servierte, erzählte sie viel und gern. „Ein bodenständiges Urvieh“, nannte sie Hans Hotter, einer „ihrer“ Wotans, „das ganz ausgefuchst Skat spielen konnte“.

 
 

Elsa in Bayreuth (1954). Foto: Bayreuther Festspiele

 

1995 veröffentlichte Birgit Nilsson ihre Autobiographie, die 1997 unter dem Titel „La Nilsson – Mein Leben für die Oper“ in deutscher Übersetzung beim Wolfgang Krüger Verlag in Frankfurt am Main erschien. Als Taschenbuch liegt sie beim Fischer Verlag vor. Die ihr beigegebene, von John Hunt zusammengestellte Diskographie, die ihre künstlerische Laufbahn widerspiegelt, umfasst nicht weniger als 275 Titel, beginnend 1953 mit ihrer Judith in Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“, endend 1983 mit der Jahrhundert-Gala der Met. Wer hören will, dass sie auch anderes war, als die „Großmeisterin des dramatischen Gesangs“ (Hans-Peter Lehmann) oder die „Assoluta des Wagner-Gesangs“ (Jürgen Kesting), muss ihre Klärchen-Lieder aus Beethovens „Egmont“ (1957 unter Klemperer in London), ihre Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“ (1967 unter Böhm in Prag), die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss (1970 unter Segerstam in Stockholm) oder eine ihrer Einspielungen nordischer Lieder auflegen.

Ihr Bühnen-Repertoire, das mit dem lyrischen und jugendlich-dramatischen Fach anhob (Agathe, Senta, Fidelio- Leonore, Tosca und Marschallin) und sich schon sehr bald die großen dramatischen Sopran-Partien eroberte (bei den Münchner Opernfestspielen 1955 sang sie bereits alle Brünnhilden des Rings) ist teils in Mitschnitten, teils in Studioaufnahmen festgehalten. Joseph Wechsberg, Kritiker des Magazins „Opera“, schrieb nach ihrem Gastspiel an der Wiener Staatsoper 1960: „Sie war vokal grandios, die größte Brünnhilde meiner Erinnerung. Ich glaube nicht, dass es je eine Sängerin ihresgleichen gegeben hat. Vielleicht die Flagstad? Die Mildenburg?“

 
 

Isolde in Bayreuth mit Wolfgang Windgassen (1962). Foto: Lauterwasser

 

Zur Legende ist ihre Isolde geworden, die sie in Bayreuth unter Sawallisch (Regie: Wolfgang Wagner) und unter Böhm (Regie: Wieland Wagner) sang, unter dem Dirigat Böhms auch in New York und in Wien. „Von allen – genau 33 – ,Tristan‘-Dirigenten, mit denen ich gesungen habe, kann niemand, wage ich zu behaupten, sich mit Böhms musikalischer Interpretation messen“, erklärte sie 1991 in Bayreuth. „Die ganze Oper war eine Liebeserklärung.“ Und: „209-mal habe ich die Isolde gesungen, das gehört ins Guinness-Buch der Rekorde.“ Die Gesamtaufnahmen der Bayreuther Böhm-Dirigate mit Wolfgang Windgassen als Tristan liegen als CDs vor. Ohne den jeweils mehr als halbstündigen Applaus des Publikums...

Die Nilsson war klug und vorsichtig bei der Wahl ihrer Rollen: „Carmen – bei meiner Figur?“, fragte sie. Puccinis „Turandot“, von Richard Strauss die „Elektra“, die „Salome“ und die Färbersfrau in „Die Frau ohne Schatten“ sowie die großen Verdi-Partien waren ihre Domäne. Da war sie in ihrem Fach die Größte. 1983 stellte sie von heut‘ auf morgen und ohne Abschiedsvorstellung ihre Bühnentätigkeit ein: „Es ist besser, zwei Jahre zu früh als zwei Jahre zu spät aufzuhören!“ Noch eine Konzerttournee im Jahr 1984 und danach engagierte Lehrtätigkeiten. Die mit Orden und Auszeichnungen geradezu überschüttete schwedische Hofsängerin, österreichische und bayerische Kammersängerin leitete Gesangs-Meisterklassen in Stockholm, Hannover und New York.

Sie war eine witzige Anekdoten-Erzählerin. Als Karl Böhm nach einer „Tristan“-Vorstellung in überschwänglicher Begeisterung zu ihr sagte: „Birgit, wenn du aufhörst zu singen, dann werde ich aufhören zu dirigieren“, wollte der neben ihr sitzende damalige Bayreuther Oberbürgermeister Hans Peter Wild das Kompliment übertrumpfen. „Er sann eine Weile. Dann legte er mir die Hand auf den Arm und sagte: Frau Nilsson, wir möchten Sie hier in Bayreuth begraben!“

Der Wunsch wurde Bayreuth nicht erfüllt. 87-jährig ist sie Anfang Januar in ihrer Heimat gestorben und dort in aller Stille beerdigt worden.

Stefan Meuschel

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