Dabei geht Horta das knapp einstündige, gemeinsam mit den 13 Darstellern erarbeitete Stück fast behutsam an: Ein filmischer Prolog, der im Schnelldurchlauf Gesichter abwechselnd mit Intimaufnahmen der sich die Zähne putzenden Solisten zeigt, gibt diesen die Möglichkeit, in Zuckungen, Posen und getanzten Gesten auch live auf sich aufmerksam zu machen. Eine schöne Exposition, die der Ausruf „I want to go to Cuba“ beendet. Gleichzeitig liefert er der sich anschließenden Show einen weiteren Aufhänger: Witziges rund um und auf Kosten von Kuba. Doch während alle Redesequenzen nur an der Oberfläche kratzen, gelingen dem Portugiesen Horta gerade da beeindruckende Szenen, wo er auf musicalhafte Leichtigkeit verzichtet und ganz auf die Kunst der non-verbalen Ausdruckskraft setzt. Im Zwielicht rollen die Tänzer über den Boden, springen, drehen, laufen und führen ein geordnetes Chaos vor, das zwischen Momenten des Verharrens und der Ekstase pendelt – bis jemand das Wort „ICH“ hochhält. Stille tritt ein. In Reih’ und Glied stehend bekommt nun jeder, breit grinsend, so ein Schild um den Hals gehängt, was ein Boxgerangel in slow motion auslöst, das in einem Kreistanz mit Poklatschern, Umarmungen und Siegerposen kulminiert: Jeder ist sich selbst der Nächste! Mit dem Beuys Zitat „Jeder Mensch ist ein Künstler“ und seiner Demontierung per T-Shirt-Aufdruck „Ich bin kein Künstler“ klingt Hortas Uraufführung aus. Das letzte Wort überlässt er jedoch Sergiu Matis, der noch schnell Fidel Castro mit Osama bin Laden in einen Topf wirft, bevor er lieber in ein kubanisches Restaurant als gen Kuba entschwindet: „Vive la révolution“. Die Crux an diesem Tanztheaterabend ist, dass Horta in „Great Originals“ eigentlich nur die Aussagen noch einmal breit tritt, die er schon vor der Pause in nur 25 Minuten wesentlich konzentrierter formuliert hatte: „Nest“ bringt die Zwänge zwischen Individuum und Masse, zwischen Sein und Schein auf den Punkt. Und dies ganz ohne Einsatz von Mikrofonen, Rasseln oder verschiebbarem Mobiliar. Vielmehr werden vier mal vier Interpreten in ein Experiment geschickt, dessen schachbrettartiges Spielfeld sie erst einmal selbst auf das Bühnenplateau kleben müssen. Und während man noch darüber rätselt, was die Buchstabenkombinationen auf ihren Sweatshirts zu bedeuten haben, lenkt ein Spot die Aufmerksamkeit auf den darin gefangenen Tänzer. Bricht er aus dem Lichtschein aus, begrenzt der zuvor angehaltene Atem den Radius seiner Bewegungen. Weitere Tänzer klinken sich in den Rhythmus seines Luftholens, Stampfens und Hechtens ein, tummeln sich mit vor den Mund gepresster Hand über das Raster. Bisweilen zwingt elektronisches Getrommel (Musik: Viktor Joaquim, Queen Esther, Yens & Yens, Maxim Frank) die Choreografie in lineare Formen. In einer Reihe am Boden hockend kippen die Tänzer zur Seite, krabbeln auf allen Vieren rückwärts, lassen tief in die Knie gebeugt ihre Körper rotieren, rennen dem Verlauf der Quadrate folgend über den Platz und steigern den Bewegungsfluss durch kräftigen Armeinsatz und gewagte Vertikalsprünge. Ausbrüche Einzelner oder der vergebliche Annäherungsversuch eines Pärchens konterkarieren diesen Drive, der sich bald auch als Revierkampf entpuppt. Auf die immer wiederkehrenden Provokationen und Beschimpfungen eines Machos wehrt sich die Gruppe, indem sie den Raum auflöst und den Unruhestifter mit den Klebestreifen an den Boden fesselt. Nur eine Tänzerin bleibt zurück, greift Schrittvariationen wieder auf und bekennt sich, ihre Kleider ablegend, unter der angesungenen Frage „could you promise“ zu dem Verstoßenen. Für einen kurzen Augenblick stehen sich beide nackt gegenüber. Mutig, dieser Moment von Wahrhaftigkeit, der so viel Zerbrechlichkeit und kommunikative Ehrlichkeit transportiert. Vesna Mlakar |
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