All das aber nicht über Nacht: „Ich habe zehn Jahre gebraucht, um mir meine Tänzer heranzuziehen, in meinem eigenen Unterricht“, erzählt Kopp. „Es gab damals in Würzburg ja keine einzige Ballettschule mit Modern Dance im Stundenplan. Meine Stücke, 1997 sogar einen Abendfüller im Würzburger Theater, habe ich selbst finanziert. Die Stadt ist aber relativ schnell dazu gekommen.“ Ebenso der Bayerische Landesverband für zeitgenössischen Tanz (BLZT), das bayerische Kunst- und Wissenschaftsministerium und der Bezirk Unterfranken – verdientermaßen, bei so vielen engagiert-umtriebigen Aktivitäten. Der OrganisatorBereits 1994 initiiert er die bayerischen Jugendtanztage, einen biennalen Mammut-Workshop, der Jugendliche von 12 und 13 Jahren an die verschiedensten zeitgenössischen Stile heranführt: „20 bis 25 Lehrer arbeiten in zehn Turnhallen vier Tage rund um die Uhr mit den etwa 900 Jugendlichen, die aus ganz Bayern, aber auch aus anderen Bundesländern, angereist kommen. Die Unterbringung, die Mahlzeiten in der Hauswirtschafts-Berufsfachschule, die Proben, die Abschlussvorstellung, alles muss durchorganisiert sein. Wir haben jetzt auch das Copyright auf diese Veranstaltung“, kann Kopp seinen ihm eigenen Enthusiasmus nicht verhehlen. Bei dann annähernd 5.000 Zuschauern in der S. Oliver Arena, Stadträte und Bürgermeister inklusive, darf er sich als Würzburgs Royston Maldoom fühlen. Erfolg spornt an. Im Jahr 2000 initiiert er die Würzburger Biennale „Tanzlandschaft“, zu der zeitgenössische Größen wie der Wahlberliner Xavier LeRoy und Jochen Roller eingeladen werden, aber auch Nachwuchstalente wie Philip Bergman, Ex-Tänzer von Daniela Kurz‘ Tanztheater Nürnberg. Die feste Bleibe„Als alte Lagerhallen zum Kulturspeicher umgebaut wurden, konnte ich mir im Gebäudekomplex einen geeigneten Theaterraum aussuchen – das war wie ein Dornröschenerwachen“, blickt Kopp zurück, ist aber gleich schon beim tanzSpeicher-Konzept: „Es gibt mehrere Säulen. Einmal die dreijährige Tänzerausbildung. Im vierten Jahr kommen Choreografie und Theatertechnik wie Licht und Ton dazu. Aber auch für Profis und Amateure gibt es Unterrichtsangebote in allen Stilen, vom Modern Dance bis zu Flamenco, Stepp und Akrobatik. Dann das Veranstaltungsprogramm mit immerhin einer Auslastung von 97 Prozent. Die Basis bilden die Premieren der thomas kopp kompanie und mein Repertoire. Dazu kommen Gastspiele von Compagnien verschiedenster Stilrichtungen. Gabriele Weinzierl steht mir da als Kuratorin zur Seite wie auch als stützende Gesprächspartnerin, wenn ich ein neues Stück erarbeite. Als studierte Kunsthistorikerin und Dramaturgin verfügt sie über ein großes Wissen, das sie auch in regelmäßigen Einführungen bei uns weitergibt. Und aus ihrer Zeit als Leiterin der Nürnberger Tafelhalle hat sie viele Kontakte zu bekannten Choreografen, ob nun Wim Vandekeybus oder Sasha Waltz. Ich kenne mich eher aus, wenn es um die Nachwuchsgarde geht.“ Und er fühlt sich „daheim“, wenn ihm die Chance geboten wird, „spontan, mit wenig Bürokratie Ideen flott umzusetzen, so wie jetzt bei unseren Austausch-Projekten. Magali Sander-Fett vom Bremer Tanztheater tritt bei uns auf, wir im Gegenzug in Bremen.“ Der ChoreografMan war beeindruckt von seinem Beitrag in einem Gemeinschaftsprojekt mit Katja Wachter und Carlos Cortizo: Kopps Duette und Trios, Beschattungs- und Überwachungsakte, spiegelten das gemeinsam gesetzte Thema „Alles außer Kontrolle“. Das kurze Stück gewann den Zuschauer mit seiner skulpturalen Bewegungsqualität und, seinem Titel „Bitte Lächeln!“ entsprechend, mit marionettenhaften Witz. Etwas enttäuscht war man daher von seinen im März zur Münchner Tanzplattform „Made in Bavaria“ mitgebrachten „Tischgesprächen“. Kopp startet zwar von einer klaren Grundidee: „Mindestens 80 Zentimeter als Wohlfühl-Gesprächsdistanz“. Aber die Tanzsequenzen auf und um einen großen runden Tisch vermögen in ihrer turnerischen Ähnlichkeit keinerlei Spannung aufzubauen und sind von geringem Aussagwert. Kopp – wie übrigens viele Choreografen – hat den zeitgenössischen Tanz als abendfüllendes Medium überstrapaziert. Der freie Tanz, wenn er gut ist, ist eine Ausdrucksform von assoziativer Kraft, kommt der Dichtkunst am nächsten. Und Gedichte dauern keine Stunde. Möglich, dass der tanzSpeicher-Chef mit seinen zahlreichen Funktionen und Pflichten nicht genug Zeit hatte, dies zu bedenken. Mit noch vielen Choreografien vor sich und den daraus sich ergebenden Lernprozessen wird er zu der richtigen Erkenntnis gelangen. Was er bisher pädagogisch und gesellschaftlich im Bereich zeitgenössischer Tanz aufgebaut hat, ist unbedingt schätzenswert. Malve Gradinger |
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