Vor dem Hintergrund der Französischen Revolution reflektiert
der „Eremit in Griechenland“ über Bedingungen
und Möglichkeiten revolutionären Handelns. Während
der Rebell Alabanda Gewalt akzeptiert, möchte Hyperion zur
Freiheit erziehen und eine universale Harmonie erreichen: Beide
scheitern. Selbst Diotima, die Hyperion zuvor von der Notwendigkeit
politischen Handelns überzeugt und ihm die allumfassende Harmonie
vorgelebt hatte, scheitert – sie stirbt. Wenn es also zwischen
Hölderlins Handlung und Madernas Klangwelten assoziative Zusammenhänge
gibt, manifestieren sie sich in Konflikten. Verzweifelt war er etwa bemüht, den ausschweifenden Solokadenzen des Geigenprimus oder dem auslandenden Blech und Schlagwerk Einhalt zu gebieten, doch war es vergebens. Vielfach stach der Taktstock ins Leere, wurde das Dirigieren zur bloßen Performance. Denn in einer Musik, die neben streng fixierten Strukturen ebenso Zufall und Improvisation integriert, kann der Dirigent kaum Kontrolle ausüben oder auch nur beanspruchen. Und immer mehr entgleitet die abstrakte, handlungslose Handlung. Zunehmend wirken die Akteure wie Karikaturen – oder besser: wie Marionetten, die gelenkt werden, ohne dass man wüsste, von wem oder was eigentlich. Selbst der Pavillon dreht sich willkürlich im Kreis. Einer jedoch kann es nicht ertragen, dass er das Geschehen nicht zu kontrollieren vermag, nämlich der von TV-Schauspieler Bernd Grawert dargestellte Alabanda. Gezeichnet wird er als Fanatiker, als Terrorist. Abgesehen hat er es vor allem auf Diotima, die mit dem Chor die einzige Trägerin des Wortes ist. Das Menschenherz zergeht im Nichts, einzig bleibt die Wüste“: Mit ungeheurer Intensität gestaltete Sopranistin Melanie Walz, die 1997 in der Hamburger Uraufführung von Helmut Lachenmanns „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ debütierte, Diotimas Wahrheiten. Alabanda kann sie nicht ertragen, er macht sie mundtot. Die Wahrheit verstummt und schließt ihre Augen, Diotima stirbt. Schließlich verjagt Alabanda noch den Dirigenten, die Musiker und den Chor, an den wahrhaftigen Flötendichter Hyperion traut er sich jedoch nicht heran. Die Bühne leert sich, der Kinderchor erobert den sich drehenden Pavillon und imitiert ein Orchester. Dann die Worte: „Wie der schwebende Säugling atmen die Himmlischen“. Und da steht er nun, der „flauto-poeta“, der unverstandene Wahrhaftige. Ein letztes Mal berühren seine Tonreden – Licht aus, wortlos erschüttert bleibt man zurück. Und Diotima? Mit dem Streichquartett „Fragmente – Stille, An Diotima“ nach Hölderlin wird ihr Luigi Nono 1979/80 ein tönendes Denkmal setzen: „Schweigende Gesänge aus anderen Räumen, aus anderen Himmeln,“ so Nono. Marco Frei |
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