Diesem Grundirrtum unterlag vor allem der Dirigent Antonio Fogliani, der die Serie in Mailand dirigierte. Er zerdehnte und zerlegte die Musik und nahm dadurch die Spannung aus dem Ablauf. Lediglich in den zentralen Szenen vermochte er dem Belcanto Ausdruck zu verleihen und so etwas wie musikalische Substanz zu vermitteln. Zu diesem Bild passte die Leistung des Tenors, ein gewisser Dario Edgardo Schmunck, der viel Bewegung, aber wenig Stimme vermittelte. Man muss nicht Pavarotti oder Araiza im Ohr haben, um sich hier zu fragen, ob es nicht geeignetere Tenöre für diese Rolle gegeben hätte. Schmunck, der die wichtige Rolle des Roberto Conte di Leicester sang, kam in den Schlüsselszenen mit seiner kleinen Zwischenfachstimme gar nicht über die Rampe hinaus und vermittelte den Eindruck, von irgendwo hinter der Bühne zu singen. Lediglich in der Schlussszene zeigte er überraschend, dass der Kritiker ihm möglicherweise nicht ganz gerecht wird. Wer jedoch schon an den akustischen Gegebenheiten scheitert, sollte sicherlich näher beim Orchester stehen. Dies wäre eine Aufgabe des Dirigenten gewesen. Über schöne Höhen in leisen lyrischen Stellen verfügte Herr Schmunck durchaus. Aufgrund der mangelnden stimmlichen Präsenz, die das Publikum wie beim Dirigenten zu Widerspruch herausforderte, war aber dem Stück der männliche Katalysator von Liebe und Eifersucht der Boden entzogen, Roberto war praktisch nicht existent , so dass sich „Maria Stuarda“ wie schon zu Uraufführungszeiten (1835 in Mailand) auf den Kampf der weiblichen Hauptdarstellerinnen konzentrierte. Anna Caterina Antonacci als Elisabetta und Mariella Devia als Maria konnten vor allem stimmlich wie darstellerisch als Gegenspielerinnen in Gefühl und Politik überzeugen. Hier gab es trotz der beschriebenen Umstände wunderschöne Momente. Zu nennen sind hier das Zusammentreffen der beiden Königinnen in Fotheringhay, die Demütigung Marias durch Elisabeth und die dann folgende Beleidigung Elisabeths durch Maria. Davon hätte man sich wirklich mehr gewünscht. Positiv aufhorchen ließ noch der Bariton des Carlo Cigni, der den Vertrauten Marias Conte di Shrewsbruy sang, während man sich über die mangelnde Präsenz des Cecil, interpretiert von Pieri Terranova, ärgerte. Das Gesamturteil: eine spannungsarme Aufführung mit wenigen stimmlichen Glanzpunkten hinterließ gemischte Gefühle. Joachim Gerth |
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