| 
 | 
StaatsoperGerette Dresden Gefährdung einer Traditionskultur · Von Kai LinsenmaierIn Dresden ist seit einiger Zeit die Kultur eines der wichtigsten
              Themen – zumindest wenn es darum geht, sie schrittweise abzuschaffen.
              Sei es, über eine Brücke zu diskutieren, die eine einzigartige
              Flusslandschaft gefährden würde und somit zur Aberkennung
              des Weltkulturerbes für das Dresdner Elbtal führen könnte
              oder sei es, nach einer Lösung zu suchen, wie für die
              Staatsoperette Dresden ein neuer Standort gefunden werden kann,
              da sie sonst einer unsicheren Zukunft gegenübersteht.  Viel war in letzter Zeit zu lesen über Sanierungsvorschläge
              dieses weit außerhalb der Innenstadt liegenden Operettentheaters
              in Dresden-Leuben, über die Suche nach einem geeigneten Bauplatz
              im Dresdner Zentrum, über den heldenhaften Verzicht der Mitarbeiter
              auf Gehaltserhöhungen während der nächsten zehn
              Jahre, über eine eventuelle Kooperation mit dem Staatsschauspiel
              Dresden, über Investoren – kurz: über politische
              und finanzielle Streitigkeiten rund um das Projekt „StaatsoperGerette“.               Keine BewegungAls die Diskussionen um Einsparungen an Dresdner Kultureinrichtungen
              vor Jahren begannen, war die Stadt hoch verschuldet. Durch den
              Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft im Frühjahr
              2006 wurde der Stadt knapp eine Milliarde Euro in die Kassen gespült,
              so dass sie über Nacht plötzlich schuldenfrei war. An
              der Argumentation hat sich aber bis heute nichts geändert.
              In diesem Geplänkel um Machbarkeitsstudien und Machtspielchen
              wird jedoch ein Aspekt nahezu ausgeblendet, der aber allein die
              Grundlage einer Diskussion um die Staats-operette Dresden bilden
              sollte: ihre musikalisch-künstlerischen Alleinstellungsmerkmale.
              Warum ist die Staatsoperette Dresden in der regionalen, nationalen
              und internationalen Kulturlandschaft so wichtig? Was hat sie so
              wichtig gemacht? Und was tut sie dafür, um auch weiterhin
              als so wichtig wahrgenommen zu werden? Vorreiter-Rolle Die Staatsoperette Dresden kann, wenn ihre Vorgänger mit einbezogen
              werden, auf 235 Jahre Tradition als musikalisches Volkstheater
              in Dresden stolz sein. Dass das jetzige Operettentheater so weit
              außerhalb des Stadtzentrums liegt, ist eine Folge der Luftangriffe
              auf Dresden im Februar 1945. In den Vorstädten gründeten
              sich schon bald nach Kriegsende wieder kleine Theatergruppen – so
              auch in Leuben.Das Theater war immer wieder prägend für die Entwicklung
              der Operette im deutschsprachigen Raum und hatte vor allem nach
              dem Zweiten Weltkrieg eine Vorreiterstellung inne. Durch die legendäre
              DDR-Erstaufführung der „My Fair Lady“ im Oktober
              1965 errang die Staatsoperette Dresden auch den Ruf einer Musicalbühne
              von besonderer Qualität. Getragen von der daraus resultierenden
              Euphorie folgten zahlreiche weitere Erst- und Uraufführungen,
              die in den folgenden Jahren auf dem Programm des Theaters standen.
              Heute ist die Staatsoperette Dresden das letzte und somit einzige
              Operettentheater Deutschlands (abgesehen vom Hamburger Engelsaal,
              einem kleinen Privattheater). Ist die Operette deshalb aber ein
              aussterbendes Genre? Keinesfalls – man betrachte nur die
              Projekte, die zurzeit hinter den Kulissen in Dresden entstehen.
              Da ist zum einen die intensive Johann-Strauss-Pflege, durch die
              heute unbekannte Werke des Komponisten zur Wiederaufführung
              kommen wie „Carneval in Rom“ oder „Das Spitzentuch
              der Königin“. Des Weiteren hat sich die Operette Dresden
              unter ihrem Dirigenten Ernst Theis gemeinsam mit MDR FIGARO zum
              Ziel gesetzt, ein nahezu vergessenes Stück Rundfunkgeschichte
              aufzuarbeiten, indem sie Kompositionsaufträge des deutschen
              Rundfunks aus den 20er-Jahren wieder neu einspielt. Im Jahr 1929,
              sechs Jahre nach dem offiziellen Start des deutschen Rundfunks,
              war die Welle der Begeisterung für dieses Medium in den Rundfunkanstalten
              noch so groß, dass Werkaufträge an namhafte Komponisten
              wie Franz Schreker, Hermann Reutter oder Eduard Künneke vergeben
              wurden. Auf diese Weise entstand die damals völlig neuartige „Radiomusik“,
              die heute in der Staatsoperette Dresden wieder aufgelegt wird.
              Nicht zu vergessen aufgrund seiner Einzigartigkeit ist auch der
              alljährlich stattfindende Dresdner Operettenball, der dieses
              Jahr am 8. März im Kempinski Hotel in Dresden bereits seine
              14. Auflage erfuhr. Unter den vielen Bällen, die die Opern-
              und Theaterwelt zu bieten hat, ist der Operettenball der Staatsoperette
              Dresden deutschlandweit ein Unikat.
  Spitzenposition in der Auslastung Auch die Erfolge bei der Auslastung des Operettenhauses in Dresden-Leuben
              sprechen eine eindeutige Sprache: Die in der vergangenen Spielzeit
              trotz aller gegebenen Nachteile in Bausubstanz und lokaler Randlage
              von 85 auf 89 Prozent gestiegene Sitzplatznachfrage zeigt die Staatsoperette
              in einer Spitzenposition in Deutschland und unterstützt die
              konservativ kalkulierte Verdopplung der Einnahmen in einem Neubau
              in der Stadtmitte.   Um ein neues Haus kräftiger gegenfinanzieren zu können,
              wie es von Kulturobrigen in Dresden verlangt wird, ist ein neuer
              Standort in der Dresdner Innenstadt notwendig, damit ein größerer
              Saal und somit ein breiteres Spektrum der Eintrittspreise möglich
              ist. Ob das der Postplatz, der Wiener Platz oder ein anderer zentraler
              Standort ist – eine Lösung des Problems ist längst überfällig. Kai Linsenmaier |