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Atemberaubende Tanzdarbietung

Das Nederlands Dans Theater II auf Tour · Von Alexandra Karabelas

Wer lebt im Aquarium? Wir oder die Fische? – Es gibt kaum jemanden, der sich beim Blick auf die Welt diese oder ähnliche Fragen nicht schon gestellt hätte. Der 29-jährige Gustavo Ramirez Sansano hat daraus für seine ehemalige Compagnie, das Nederlands Dans Theater II, unter dem Titel „De Ida Y Vuelta“ eine Choreografie gemacht, die vor Witz, Einfallsreichtum und Einsicht ins Allzumenschliche nur so sprühte. Auf der aktuellen Tour des Weltklasse-Ensembles aus Den Haag nach Deutschland und in die Schweiz ist das prächtige Stück in Aschaffenburg, bei den 10. Regensburger Tanztagen, in Schweinfurt und Winterthur zu sehen gewesen. Vor allem im direkten Vergleich mit Jirí Kyliáns vor fünf Jahren entstandenem Werk „27 Minuten und 52 Sekunden“ für, über und mit sechs jungen Tänzerinnen und Tänzern des Ensembles, vermittelt es, wie hochkarätiger zeitgenössischer Bühnentanz heute aussieht: isoliert und dynamisiert in der Bewegung, auf höchstem technischen Niveau, rasant durch den Körper fließend und eingebettet in eine tanztheatrale Rahmung.

Diese besteht bei dem mehrfachen Choreografie-Preisträger aus einem Angler, der auf einen Steg hinauswandert und ins fischige Getümmel fällt, mit dem man kleinere Menschenansammlungen zuweilen getrost vergleichen kann. Dort wird er von einer schon lange auf die Liebe wartenden Dame entdeckt und von vielen anderen umgarnt, beschaut und bedrängt. Als passenden Unterwassersound hat Sansano Mikis Theodorakis‘ hochtreibenden „Sirtaki“ gewählt, und dazu, wie er im Programmheft schreibt, „fröhliche Musik“ unterschiedlicher Pop- und Balladenkomponisten, die ihn zu einigen mitreißenden Gruppenszenen voll Herz und Wärme inspirierten, wie man sie auch in südländischen Dörfern erleben könnte.

Erlebt man in Sansaros Werk pralle Fröhlichkeit und Wehmut und bleibt so eher auf der Oberfläche, blickt Kyliáns „27 Minuten und 52 Sekunden“ tief hinter die Fassade. Das 27 Minuten und 52 Sekunden dauernde Stück ist atemberaubender Tanz über Lebensgefühle in einer Welt, die fugen- und ruhelos geworden ist. Ausdrucksstark bringt Kylián hierfür die Koordinaten im Tanzraum Bühne ins Wanken, bis das intensive Lebensspiel aus ist: Der Tanzboden liegt in losen Streifen aus und wird von Tänzern immer wieder geschoben, gewellt oder weggezogen, das Saallicht bleibt anfangs lange hell, am Ende fallen tosend drei Vorhangstangen zu Boden.

Faszinierend dabei, wie unverändert stark und authentisch der künstlerische Antrieb des heute 60-jährigen Meisterchoreografen geblieben ist: die Vergänglichkeit des Lebens, die pure Existenz des Mysteriums Mensch in Zeit und Raum, sein Verlangen und seine Bedürftigkeit in bizarren, verrätselten und hochsuggestiven Bewegungsbildern abzurufen und auszuleuchten. Angepasst hat er seinen Bewegungsstil. Durch die intensive Arbeit mit den jungen Tänzern ist dieser entsprechend kleinteilig und ins Vielfache dynamisiert. Der zu einer elektronischen Komposition von Dirk Haubrich nach zwei Themen aus Gustav Mahlers zehnter Sinfonie tanzende Körper muss Unterbrechungen in den vormals klaren Bewegungslinien hinnehmen. Hände, Oberkörper zittern unvermittelt im rasant dahinschmelzenden Bewegungsfluss, der Tanz zwischen Mann und Frau erscheint in seiner ganzen Ästhetik unruhig und sexualisiert, von starker Präzision und Präsenz. 4.418 Stunden und 45 Minuten Gesamtarbeitszeit wurden für die Produktion benötigt, so steht es im Programmheft – ein kühler Verweis auf den zuweilen fragwürdigen Umgang mit Kunst und Künstlern in einer Gesellschaft, die zu oft zu schnell nach der Rendite fragt.

Nicht weniger Ausdruckskraft strahlte Hans van Manens Werk „Simple Things“ für zwei Paare aus, das dieser, 70-jährig, nur ein halbes Jahr vor Kyliáns „27 Minuten und 32 Sekunden“ geschaffen hat. Wieder hat der heute 75-jährige einen betörenden Klassiker ersonnen, der feinsinnig das Verhältnis von Mann und Frau ausbalanciert, umrahmt von einer Art Variation seines berühmten „Solo“. Wechseln sich anfangs Anton Valdbauer und Francesco Vecchione in rasant virtuosen Soli ab, nimmt im Mittelteil die Spannung gefangen, die sich sofort mit Erscheinen der ersten Tänzerin über die Szenerie legt. Van Manen ist sich in seiner Bewegungssprache treu geblieben: eng geführte Pas de deux, einfach anmutende kraftvolle Schritte, weit ausgestellte Arme mit hoch gestreckten Händen, klassische Promenaden, Arabesken, Attitüden – jedoch hier und da leicht verzögert, verkürzt, mit einem bestimmten Blick ausgeführt, innerhalb des Körpers in Spannungsverhältnisse gebracht. Besser geht´s kaum.

Alexandra Karabelas

 

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