Der Pflug, der diesem Pflänzchen den Garaus machte, stand allerdings schon bereit, lange bevor es zu keimen begann. Es ist die fundamentale Fehlentscheidung, die das bis dahin monopolistische öffentlich-rechtliche System traf, als Mitte der 80er Jahre die ersten kommerziellen Fernsehsender den Betrieb aufnahmen: man positionierte sich zu ihnen ängstlich-aggressiv als Konkurrenz, statt sie selbstbewußt als Ergänzung und Entlastung bei der Erfüllung des eigenen öffentlich-rechtlichen Programmauftrags zu sehen. Es begann der unselige Wettlauf um die Einschaltquote – und das um jeden Preis, auch den eines nicht absehbaren gesellschaftlichen Schadens. So mußte, obwohl Jahr für Jahr mehr als 30 Millionen Besucher die Theater in Deutschland bevölkern, (nicht nur) das Theater zunächst aus der „primetime“, dann schließlich völlig aus dem Angebot der Mainstream-Sender von ARD und ZDF verschwinden und bekam dafür – immerhin – den Theaterkanal, wenngleich mit bescheidenster Finanzausstattung. Doch da – entgegen der demographischen Entwicklung – die primäre Wunschzielgruppe auch des ZDF die Jugend ist, wurde nach der Verdrängung des ZDF-Dokukanals durch zdf.neo nun auch der Theaterkanal ersetzt, und zwar, wohl um den Schein zu wahren, durch ein Programm mit dem irreführenden Namen zdf.kultur – besser wäre allerdings die Schreibweise „cool tour“. Denn was man hier findet, ist, auf die These gebaut, es gebe keinen Unterschied mehr zwischen Pop- und Hochkultur, ein auf Biegen und Brechen auf Jugendlichkeit getrimmtes wildes Sammelsurium unterschiedlichster Inhalte und Qualitätsniveaus. Hier trifft – eingebettet in einen geradezu unendlichen Lärmteppich von Popmusik – Samuel Beckett ungebremst auf Wettsaufgelage Jugendlicher auf dem Campingplatz à la RTL II. Ob allerdings diejenigen, die sich letzteres reinziehen, dadurch zu ersterem finden, muß bezweifelt werden. Und ob dann Senderbindung entsteht, auch. Dreh- und Angelpunkt des Senders ist ein inhaltsarmes Blödelmagazin namens „Der Marker“, selbstbewußt (oder größenwahnsinnig?) mit „Popkulturellem aus der analogen und der digitalen Alltagswelt“ von 20.00 bis 20.15 Uhr gegen die „Tagesschau“ programmiert. Ohnehin scheint gequälte Witzigkeit um jeden Preis oberstes Gebot aller Formate zu sein – die Folge ist frühzeitige Ermüdung. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Dieser Kanal enthält durchaus auch einige erfrischende Formate sowie hochwertige Inhalte, und an der Spritzigkeit der Präsentation könnten sich die Hauptprogramm-Schlachtschiffe „aspekte“ und „ttt“ zumindest teilweise ein Beispiel nehmen. Aber insgesamt läßt dieser Versuch der Quadratur des Kreises doch befürchten, daß hier die Alten und Mittelalten vergrault werden, ohne daß die Jungen kommen. Denn wenn es darum geht, Inhaltslosigkeit durch möglichst dumme Shows oder Daily Soaps in die Gehirne einer zugegebenermaßen höchst unterhaltungsorientierten Zukunftsgeneration einzubrennen: Das können RTL, Pro 7 & Co. – mit Programm und Formaten gefüttert von der US-Entertainmnent-Industrie – immer noch ein Stück besser. Die Herausforderung, hierzu ein intelligentes Gegengewicht – „Infotainment“ im eigentlichen Sinne des Wortes – zu entwickeln, erscheint den ZDF-Verantwortlichen aber offenbar zu hoch gehängt. Und so wird der Flickenteppich der als jugendaffin deklarierten Programme – nach KiKa und zdf.neo – um einen weiteren Anlauf erweitert, ohne inhaltlich bereichert zu werden. Ob ARD und ZDF (und mit ihnen die leider notwendige Politik) irgendwann doch noch über ihren Schatten springen und die Kanäle, die ihnen zur Verfügung stehen, für ein gemeinsames Spartenkonzept nutzen, bei dem jeder Zuschauer zuverlässig und unkompliziert das findet, was ihn gerade interessiert? Erste Ansätze dazu gibt es ja schon in Form von Kika und Phoenix. Das wäre ein überzeugender Schritt im Sinne der Qualität, der Zuschauer und der Tragfähigkeit des dualen Systems – und in Richtung der vorausschauenden Formierung für die unweigerlich anbrechende Zeit, in der das Internet mit seinen „on-demand“-Services das traditionelle Fernsehen aus seiner zentralen Position verdrängen wird. Tobias Könemann
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