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Kulturpolitik

Innovation und Spielfreude

Das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin · Von Karin Gustmann

Zu Beginn der Spielzeit 2011/2012 feierte das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin. Unter der Überschrift: Was für ein Theater! wurde an die Eröffnung des Theaterbaus 1886 erinnert. Ein Höhepunkt dieser Festwoche war die Premiere des Stücks „Ein Sommernachtstraum“ nach Shakespeare mit der Musik von Mendelssohn Bartholdy. Beteiligt an dieser alle Sparten einbeziehenden Schweriner Fassung sind rund 120 Mitwirkende, die meisten davon stellt das Musiktheater – mit Staatskapelle, Opernchor, Ballett und Solisten die zahlenmäßig stärkste Sparte des Schweriner Theaters. Was nicht heißt, dass die allgemeinen „Streich-Arien“, die Stellenkürzungen, an dieser Sparte vorbeigegangen sind. Sowohl Staatskapelle als auch Opernchor und das Solistenensemble wurden in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich personell reduziert. Doch trotz des immerwährenden Personal-, also eigentlich ja Geldmangels, war die Qualität des Schweriner Musiktheaters gut bis sehr gut. Sicher auch, weil man sich in der Provinz Schwerin traute und bis heute traut, neue, unkonventionelle Wege zu gehen.

Paradiesische Zeiten

 
„Ein Sommernachtstraum“. Im Vordergrund Davina Kramer und
 

„Ein Sommernachtstraum“. Im Vordergrund Davina Kramer und Jochen Fahr. Foto: Silke Winkler

 

So hatten die Opern von Richard Wagner immer einen besonderen Stellenwert in Schwerin, nicht ohne Grund wurde Schwerin im 19. Jahrhundert das „Bayreuth des Nordens“ genannt. Kurz nach ihren Uraufführungen standen Wagners Opern in Schwerin auf dem Spielplan – und behaupten dort bis heute ihren Platz. 1873 besuchte Richard Wagner eine Aufführung vom „Fliegenden Holländer“ (zur Zeit auch im Spielplan) und war sehr zufrieden. Mit dem Bassbariton Carl Hill in der Titelrolle sogar so sehr, dass er ihn für Bayreuth wegengagierte. Viele Sänger und Musiker fanden von Schwerin aus den Weg in die „große Musikwelt“, in der jüngsten Vergangenheit, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es unter anderen Klaus Tennstedt (GMD von 1962 bis 1969), Hartmut Haenchen (GMD von 1976 bis 1979) und natürlich Kurt Masur. Er war von 1958 bis 1960 in Schwerin, zunächst als Musikalischer Oberleiter, dann als GMD. Und es müssen – für heutige Verhältnisse – wahrhaft paradiesische Zeiten gewesen sein: Die Oper „fuhr zweigleisig“, es gab ein Ensemble für die dramatische Oper und eins für die lyrischen Stücke und Spielopern. In den zwei Jahren seines Wirkens in Schwerin brachte Kurt Masur rund zwanzig Neuinszenierungen auf die Bühne. Dazu kamen Konzerte und Ballette – wie eine bis heute in Erinnerung gebliebene „Carmina burana“ von 1960 mit Kurt Masur am Pult.

Sensationell und hochbegabt

In den Schweriner Spielplänen der letzten fünfzig Jahre taucht die „Carmina“ immer wieder auf. „Kein Wunder, es gibt drei Ballette, die das Publikum kennt und liebt: ‚Carmina burana‘, ‚Bolero‘ und ‚Vier Jahreszeiten‘.“ Das ist die Erfahrung von Jens-Peter Urbich, seit 2004 Ballettdirektor am Schweriner Theater. Seine Compagnie ist klein, international, jung – die 16 Tänzerinnen und Tänzer kommen aus zehn Ländern, das Durchschnittsalter liegt bei 25 Jahren – und bekommt überregional Lob und Anerkennung: „Die kleine Truppe sorgt immer wieder für positives Aufsehen.“ – „Erneut ein Ausrufezeichen für Ballett-Attraktion in Schwerin.“ Das sind nur zwei Auszüge aus Presseberichten. So positive Bewertungen sind nach fast jeder Premiere der Schweriner Ballettcompagnie zu lesen. Von der zyprischen Presse wurde das Ensemble bei seinem ersten Gastspiel 2006 in Zypern beim „Festival antiker Dramen“ als „sensationell“ und „hochbegabt“ gefeiert. Dreimal gastierte das Schweriner Ballett dort, weitere Gastspielreisen führten in diesem Jahr Solisten nach Korea und Arnheim und das ganze Ensemble zum 9. Internationalen Bodrum Ballett-Festival in die Türkei. „Dort haben wir vor 1.500 Leuten in ausverkauften Häusern getanzt und uns gegen internationale Konkurrenz behauptet“, sagt Jens Peter Urbich nicht ohne – berechtigten – Stolz auf seine kleine Truppe, die pro Spielzeit sieben bis acht verschiedene Stücke im Repertoire hat und neunzig bis fünfundneunzig Vorstellungen tanzt – „Gastauftritte“ bei Oper, Operette und Schauspiel nicht gezählt.

 
Silvia Pisani, Simon Herm, Julio Miranda und Annelies Waller als „Bremer Stadtmusikanten“. Foto: Silke Winkler
 

Silvia Pisani, Simon Herm, Julio Miranda und Annelies Waller als „Bremer Stadtmusikanten“. Foto: Silke Winkler

 

Frage an den Ballettdirektor: Was macht die Eigenheit des Schweriner Ballettensembles aus? „Da ich keine eigenen Choreografien mache, arbeiten wir mit sehr unterschiedlichen Gästen wie Young Soon Hue, Dominique Efstratiou, Paul Julius, Birgit Scherzer, Choreografen, die alle eine eigene Handschrift haben – was auf der Bühne zu sehen ist. Außerdem machen wir immer abendfüllende Programme, im Großen Haus ebenso wie im E-Werk“, so Jens Peter Urbich. Auf dem Spielplan 2011/2012 stehen im Großen Haus „Carmen“, im E-Werk die Kammertanzabende „Frauen-Männer-Paare“ und „Genesis“, dazu das von den Tänzern Davina Kramer und Robert Viehweg choreografierte Märchenballett „Die Bremer Stadtmusikanten“. In Vorbereitung sind das Tanzstück „BREL Pure Leidenschaft“ von Oliver Dähler mit dem Schauspieler Rüdiger Daas, der Brels Chansons live singen wird (Premiere am 30. November im E-Werk) und „Blutrot Schneeweiß Tiefschwarz“ von Birgit Scherzer (Premiere am 13. April 2012 im Großen Haus). Beide Stücke erfüllen einen Anspruch, den sich Jens Peter Urbich mit seiner Compagnie gestellt hat: Zeigen, was es woanders nicht gibt, neue Sachen ausprobieren und dem Publikum anbieten. „Wir haben hier am Schweriner Theater in den letzten Jahren eine ziemlich gute Arbeit gemacht und sind auf einem guten Weg.“ Eine Einschätzung des Ballettdirektors die durch Auslas-tungszahlen und Auszeichnungen belegt wird. Seit 1998 verleiht die Gesellschaft der Freunde des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin e.V. (mit rund 1.200 Mitgliedern der größte Kulturverein in Mecklenburg-Vorpommern) den Conrad-Ekhof-Preis an einen jungen Künstler oder eine junge Künstlerin für besondere Leistungen am Schweriner Theater. In diesem Jahr ging der Preis an die Tänzerin Davina Kramer für ihre Interpretation der Carmen. Sie ist die vierte Preisträgerin aus dem Ballett nach Stefan Haufe (1998), Kellymarie Sullivan (2006) und Lars Scheibner. Er erhielt 2009 den Ekhof-Preis für eine aufsehenerregende Inszenierung: Im März 2008 begann er mit Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schweriner Schulen am Projekt „Carmina burana“ zu arbeiten. Bei den Vorstellungen im November standen rund 200 Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 18 Jahren auf der Bühne im Großen Haus und führten Carl Orffs Meisterwerk auf. Beteiligt auch die Mecklenburgische Staatskapelle, Solisten des Hauses, der Opernchor, die Singakademie, der Kinderchor.

Eigene Chor-Präsentationen

Ein ähnlich gewaltiges Projekt realisierte in diesem Sommer Chordirektor Ulrich Barthel: 400 Sängerinnen und Sänger aus elf Chö-ren führten unter seiner Leitung die „Carmina Burana“ auf. In der ersten Reihe die 28 Damen und Herren des Opernchores des Schweriner Theaters. Seit 2007 leitet Ulrich Barthel (Jahrgang 1978) den Chor – und pa-rallel dazu die Singakademie Schwerin e.V. (80 Mitglieder) und den von ihm 2008 gegründeten Kinderchor (25 Mitglieder). Die Leitung und damit ja auch Aus- und Weiterbildung dieser Ensembles zu übernehmen, hat für Ulrich Barthel praktische Gründe: „Wir brauchen sie als Unterstützung für unsere Opernproduktionen, besonders bei den Open Air Schlossfestspielen, aber auch im Haus.“ Bewährtes, wie die Einbindung der Singakademie, hat Ulrich Barthel fort- und Neues eingeführt: Eigene Präsentationen des Opernchores. „Wir können da Sachen machen, die sonst nicht möglich sind wie Jazz- oder Pop-Variationen oder kleine Opernszenen spielen zwischen und mit den Zuschauern.“

Schwarze Wolke „Finanzierung“

Für die darstellerische Gestaltung wird der Opernchor regelmäßig gewürdigt. „Alle Kollegen sind spielfreudig“, sagt Reinhard Strey, seit 1989 Sänger im Opernchor, Schweriner Ortsdelegierter der VdO und Mitglied im Chorvorstand. Größte Herausforderung in puncto Spiel war eine „Eugen Onegin“-Aufführung: „Da hat der Chor den Part des Balletts gleich mit übernommen. Wir hatten wohl so dreißig Tanzproben“, erinnert sich Reinhard Strey. Etwas Ähnliches könnte in dieser Spielzeit wieder auf den Opernchor zukommen, wenn Stefan Haufe, ein ehemaliger Tänzer, das Musical „Anatevka“ inszeniert (Premiere am 30. März 2012). Ebenfalls neu in dieser Spielzeit: „Madama Butterfly“ (Premiere am 18. November), „eine dankbare Geschichte“ wie der Chordirektor meint und „Tannhäuser“ (Premiere am 20. Januar 2012) „da brauchen wir wieder Verstärkung“. Ebenso für die Schlossfestspiele 2012, da präsentiert das Schweriner Theater gemeinsam mit dem Circus Roncalli in einem Zelt auf dem Alten Garten Ruggero Leoncavallos Oper „Der Bajazzo“. Weiter im Repertoire sind „Lucia di Lammermoor“, „Der fliegende Holländer“, „Der Bettelstudent“, „Cosi fan tutte“ und „Martha“.

Was Pläne, aber auch Wünsche für die Zukunft angeht, so sind sich Direktor und Sänger einig: „Wir wollen weitermachen, interessante Projekte angehen. Der Chor ist offen für neue Formate“, so Ulrich Barthel. Und Reinhard Strey erklärt: „Wir wünschen uns einen guten Spielplan, viele Zuschauer – und das nicht immer wieder die schwarze Wolke „Finanzierung“ über dem Theater steht.“

Karin Gustmann

 

 

 

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