„Fördern durch Fordern“ war schon damals Vernons ausgemachtes Ziel. Ebenso wie der Wunsch, die Ausbildung junger Ballettstudenten den internationalen Ansprüchen anzupassen. Der Clou ihres Schulungsmodells – und der Grundsteinlegung für eine Münchner Junioren-Compagnie – war die Verlinkung von Stiftung und staatlicher Ballett-Akademie (verankert in der Hochschule für Musik und Theater München) mit je halbjährlich im Nationaltheater organisierten Matineen, deren Motto „Junge Talente stellen sich vor“ bis heute gleich geblieben ist. Die Unterscheidung zwischen beiden Institutionen verlor jedoch an Klarheit. Denn über lange Zeit hinweg war Konstanze Vernon als Professorin der Hochschule und Vorsitzende der Heinz-Bosl-Stiftung in Personalunion tätig. Zudem verstärkte sie während ihrer zehnjährigen Staatsballett-Leitung die (Ein-)Bindung der Studenten an das große, klassisch geprägte Ensemble. Eine Tradition, die ihr Nachfolger Ivan Liska, Ballettdirektor seit der Spielzeit 1998/1999 und eifriger Mitkämpfer in Sachen Junior Company, bereitwillig weiterführt. Neue GewichtungSeitdem Konstanze Vernon aus dem Lehrkörper der Ballett-Akademie ausgeschieden ist, deren Führung (und strukturelle Neuprägung) nach einer dreijährigen Übergangsphase unter dem Choreografen Robert North im September 2010 auf den Belgier Jan Broeckx überging, hat die Devise der Stiftung: „Wir wollen aus Studenten konkurrenzfähige Tänzer formen“, eine Gewichtungs- beziehungsweise Kategorienverschiebung erfahren. Maßgeblich dafür verantwortlich ist das „Bayerische Staatsballett II – Junior Company“. „Mir ist die Förderung der jungen Leute, die ihren Abschluss gemacht haben und in keiner Truppe unterkommen, weil sie zu grün sind, die Compagnien immer mehr Tempo haben, und immer mehr unterschiedliche Choreografien zu erlernen sind, die wichtigste.“ Somit stehen nicht länger Kinder oder die Mittelstufe im Fokus, sondern jene, „die sich endgültig für den Tänzerberuf entschieden haben“.
Die Idee, mittels einer eigenen Compagnie für junge Tänzer eine Brücke zwischen Schule und Beruf zu schlagen – „die Notwendigkeit einer Zwischenstufe“ –, ist nicht neu. Ivan Liska, neben Vernon mit der künstlerischen Leitung der Junior Company betraut, erwähnt an dieser Stelle exemplarisch das von Jirí Kylián initiierte Nederlands Dans Theater II. „Es ist auch aus dem täglichen Bedarf entstanden, Nachwuchs zu formen, der qualifiziert für die Hauptcompagnie, das NDT I, ist.“ Das Rennen um die erste Juniorentruppe auf deutschem Boden haben Liska, Vernon und Jan Broeckx (als Dritter im Bunde) nur scheinbar an die Hamburger Kollegen verloren. „Als ich mit meinem großen Meister (alle wissen, wie sehr ich Neumeier verehre) über das Bundesjugendballett sprach, das Anfang dieser Spielzeit an den Start ging, kam ich nicht umhin, ihm zu sagen: ‚John, du hast uns vergessen, wir sind schon seit dem 1. September 2010 aktiv – aber wir haben es erstmal nicht vor die Presse geschüttet, sondern gemeinsam ausprobiert, wie es funktioniert.’“ Praxisorientierung Tatsächlich hatte Konstanze Vernon bereits in der ausverkauften
Dezember-Matinee 2010 („Sogar die Partiturplätze ohne
Sicht wurden verlangt!“) vollmundig strahlend verkündet: „Die
ganze Konzentration dieser Vorstellung liegt auf der Gründung
einer Junior-Compagnie. Die Mitglieder – neun Volontäre
und sieben Stipendiaten der Meis-
Das praxisorientierte Konzept einer Exzellenz-Förderung begabter Tänzerinnen und Tänzer, mit dem neue künstlerische Wege beschritten und dem Tanz in der Gesellschaft zu besserem und breiterem Ansehen verholfen werden soll, ähnelt der Sinn- und Funktionsbeschreibung des Bundesjugendballetts. Ohne großzügige Anschubfinanzierung wie für die acht Hamburger Jungprofis konzentriert man sich in Bayern – bislang noch gänzlich ohne staatliche Zuwendungen – auf Ressourcen aus der Vernetzung. Individuelle Stärken fördern Konstanze Vernon: „Ivan bezahlt die Gagen der neun Volontäre
und ich die sieben Meis-terklassen-Studenten (500 Euro zum Leben
und freie Unterbringung). Die Hochschule gibt uns einen ‚halben‘ Professor – nach
Alexander Ursuliak im letzten Jahr übernimmt nun der arrivierte
Norweger Ballettmeister Jens Graff den auf 9 Wochenstunden und
39 Wochen angelegten Posten – und wir überlassen ihr
dafür im Prinz-Joseph-Clemens-Haus, dem Wohnheim für
Ballettstudenten, 20 Betten. Das ist der Deal – und damit
haben wir eine 16-köpfige Junior Company.“ „Am Anfang haben wir die Auftritte forciert, um die finanziellen Anforderungen zu erfüllen“, ergänzt Liska und bringt seine Stellvertreterin Bettina Wagner-Bergelt ins Spiel. „Sie ist für die Weitergabe der Programme an die Agenten zuständig.“ Mittlerweile ist die Hürde „Allgäu“ geknackt und „wir können den Tanz, so wie wir ihn verstehen, außerhalb Münchens – bis Juni 2012 unter anderem in Rosenheim, Kempten, Aschaffenburg, Neuss, Rüsselsheim oder Bonn, Italien und Spanien – zur Geltung bringen“. Auftrittshonorare für die jungen Tänzer, die von allen möglichen international gestreuten Akademien (zum Teil nach Einstiegserfahrungen in Corps de Ballets größerer Ensembles) kommen, werden nicht gezahlt: „Das Tanzen gehört zu ihren Aufgaben“ – stellt Ivan Liska mit der nötigen Brevitas fest. „Aus dem letzten Jahr habe ich vier sehr gute Tänzer übernehmen können. Diese neuen Mitglieder konnten einschlägige Erfahrungen sammeln, sodass ihre Integration in die Compagnie leichter fällt. Sie sitzen zu Beginn nicht nur auf der Ersatzbank, was sonst vielen Volontären oder Anfängern passiert, die wohlbehütet aus der Schule in den Berufs-alltag wechseln – und dann regelrecht versauern können. Andererseits erhöht ein anspruchsvolles Repertoire (die Bosl-Stifung hat da einige wertvolle Stücke in ihrem Fundus) die Qualifikation der Junioren, selbst wenn sie nicht übernommen werden.“ „Auf die richtigen Aufgaben – und richtigen Korrekturen – kommt es an!“ Davon ist Konstanze Vernon überzeugt. Natürlich gehört dazu auch die Zusammenarbeit mit bedeutenden Choreografen. „Junge Tänzer sind wie geschlossene Blüten. Je intensiver man sie pflegt, desto schöner gedeihen sie und blühen sie auf. Ich denke, dass die Junior Company den jungen Leuten helfen kann, den Einstieg schneller zu schaffen, wenn sie schon mal einen Balanchine, van Manen, Nacho Duato, Jirí Kylián, Werke der jüngeren Generation wie Ralf Jaroschinski, Terence Kohler oder Auftragsarbeiten zum Beispiel eines Simone Sandroni oder Richard Siegal durchexerziert haben.“ Tanz ist eine Berufung. Die Kunst, ihn zu beherrschen und von
der Bühne aus ein Publikum zu bezaubern, verlangt einem viele
Opfer und bei kurzer Karriere zahlreiche Härtetests ab. Umso
wichtiger ist ein Erfolg versprechender Start. Dafür steht
die Junior Company: im Sinne eines favorisierenden Sprungbretts.
Aber, so Liska:„Noch haben wir keinen Kassensturz gemacht,
weil wir erstmal diese Vision haben – und wenn die geformt
ist, dann werden wir auch wissen, was sie kostet.“ |
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