Die Theatertruppe La Fura dels Baus um Valentina Carrasco und Carlos Padrissa hat revolutionäres, avantgardistisches Blut in den Adern, schien also wie geschaffen, das surreale Wurzelwerk von Jüngers Text, das radikal-kontrapunktische Ineinandergreifen von Mythen verschiedener Kulturen bloßzulegen. Was aber wird aus der lenguaje furero, wenn sie Vokabeln des deutschen Feld-, Wald- und Wiesenregietheaters übernimmt? Die Frage Wie hältst dus mit dem Wort? wäre im Stande gewesen, Giorgio Battistelli und seinen Librettisten Giorgio Van Straten in eine ernste produktive Krise zu stürzen wenn sie sich diese Frage gestellt hätten. Es gibt Komponisten, die Rhythmus, Klang und Sinn eines Textes in- und auswendig beherrschen, ehe sie die erste Note niederschreiben. Dieses Ethos fehlt hier. Battistellis emphatisches Interesse für Jünger bleibt fruchtlos, sooft er beim Zitieren den Wort-Akzent mit Jauchzen verfehlt. Es ist nicht gut, Lieblingssätze aus dem komplexen episch-rhapsodischen Gefüge von Jüngers Buch zu reißen und sie ohne Rücksicht auf Ton, Tempus und Kontext als notdürftig passende Dialogfetzen an den Faden einer krass vereinfachten Handlung zu heften. Battistelli ficht das nicht an, er malt mit grandios grobborstigem Pinsel über das ungelöste Problem hinweg. Der beschützende Hirte Belovar ist in der Interpretation von Winfried Sakai die zentrale Gestalt des Abends, mit einer vokalen Aura, die auf der Feindseite ein starkes Pendant bräuchte aber die avancierte Idee des Komponisten, das vertrackt-ungreifbare Wesen des Oberförsters perspektivisch zu zersplittern, missriet zum hilflosen Rufen vierer Grobiane. Alfred Tewes, Vasile Tartan, Stephan Somburg und Hyun-Seok Kim verwandten redlich ihre Kräfte auf eine kompositorisch besserungswürdige Aufgabe und ertrugen es, dass man sie periodisch als hammerbewehrte Kuckucke aus dem Schnürboden-Uhrwerk herabließ. Die emporknurrenden, an Leinen zerrenden Choristen-Hunde gehörten indes weder zum Oberförster noch zu Belovar sondern in den Zirkus. Wie anders wäre es gewesen, die Schlacht indirekt zu erleben, gespiegelt im Entsetzen von Belovars junger Frau oder seiner weissagenden Mutter beide kommen in der Oper nicht vor. Was für Figuren, was für Charakterstudien hätten das werden können! Freilich: dass sich nun solche Fragen überhaupt stellen, dass ein inkommensurables literarisches uvre diskutiert und nicht tabuisiert wird darin liegt das Verdienst der Mannheimer Uraufführung. In ihren gescheiterten mehr noch als in ihren gelungenen Momenten zeigt sie, dass Jüngers Prosa ein dramatisches Potenzial enthält, das der Entdeckung wert wäre. Angesichts von Battistellis Partitur muss man aber weiter fragen: Hätte auch ein Komponist, der an seiner Musik ebenso kompromisslos und unbeirrbar feilt wie Jünger es an seiner Sprache tat, eine Chance, aufgeführt zu werden? Wie simpel in der Struktur, wie ungefährlich für den normalen Betrieb muss Neue Musik heute sein, um im Repertoiretheater unterzukommen? Dürften Querdenker wie Schönberg, Bernd Alois Zimmermann, Luigi Nono dürften diese Leute, wenn sie heute jung und ihre Werke unbekannt wären, auch nur die leiseste Hoffnung auf einen Partner hegen, der ihre Klangvorstellungen realisiert?
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|