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 Ob nun solche – zugegebenermaßen hier und da auch durchaus amüsanten – eigenmächtig ins Libretto eingeschobenen „geplanten Improvisationen“ ein probates Mittel darstellen, um dieser polternden Tragikomödie Weills aus den Zwanziger-Jahren heutzutage ein fesselndes Antlitz zu verleihen, darf mehr als bezweifelt werden. Selbiges gilt auch für die von Brieger sehr plakativ in Szene gesetzten sexuellen Handlungen der Pantomimen, die wohl in den Zwanziger-Jahren die gewollte Provokation erreichten, heute aber eher lächerlich wirken. Da hilft es auch nichts wenn man wie Brieger dem ohnehin schon übertrieben angelegten Gestöhne noch eins draufsetzt. Das ist für eine Produktion im Rahmen eines so renommierten Festivals wie den „Bregenzer Festspielen“ ganz einfach zu wenig. Das Bühnenbild von Raimund Bauer mit den übereinandergeschobenen Theaterstuhlreihen verdient hingegen ebenso Lob wie die modernen Kostüme mit Künstlerdetails von Margit Koppendorfer. An den Bühnenakteuren lag es nicht, dass die Produktion nur wenig zu fesseln vermochte, wenngleich Gerhard Siegel hier und da Mühe hatte, sich in der Rolle des Protagonisten gegen das Orchester durchzusetzen. Schauspielerisch und gesanglich ausdrucksstark agierten vor allem Catherine Nagelstadt als Schwester und Peter Bording als junger Herr. Ungleich beeindruckender gestalteten Nicolas Brieger und sein Team Weills Einakter „Royal Palace“, der im ausverkauften Bregenzer Festspielhaus nach der Pause zu erleben war. Packend gelang es hier, durch die Unterstützung der Videoartisten von „fettFilm“ und die Projektionsfirma „Rezac“ die im orbitalen Raum zwischen Realität und Surrealität oszillierende Handlungsebene und damit die äußerlich karge, jedoch innerlich überreiche Handlung des Werks umzusetzen. So werden hier auf eine schräge plafondartige, in die Tiefe der Bühne abfallende Deckenebene unter vielen anderen kreativen Einfällen Sonnenuntergänge, „Metropolis“-ähnliche Flüge durch die Wolkenkratzerwelt oder ein Liebesakt der handelnden Figuren auf einem fliegenden weißen Bettlaken projiziert und dramaturgisch äußerst geschickt in die Handlung miteinbezogen. Innovationen der besonderen Art stellen auch die auf die handelnden Figuren projizierten Videowerke dar, die es unter anderem ermöglichen, überdimensionale rote Blutkörperchen über die Verbindung der Hände von einer Person zur anderen wandeln zu lassen. Transparent und mit großem Gespür für den Charakter des Werks setzt Brieger auch die äußeren Handlungen in Szene. So erlebt man auf einem spiegelnden Boden zwischen Bar und Sitzgruppe der Neuen Sachlichkeit gut durchdachte Bewegungsabläufe der in eleganter Abendgarderobe gekleideten Akteure. Catherine Nagelstadt als Dejanira, Otto Katzameier als Ehemann, Peter Bording als Geliebter von gestern und Gerhard Siegel als Verliebter von morgen sowie alle anderen Bühnenakteure komplettierten hier durch ausgesprochen überzeugende Leistungen den fesselnden Gesamteindruck. Dies gilt auch für die Wiener Symphoniker, die wie in der Partitur des „Protagonisten“ unter der Leitung von Yakov Kreizberg auch hier immer die angemessenen Tempi fanden und die dynamischen Verästelungen bis auf den Grund hervorragend auszuloten wussten. Der Applaus fiel an diesem zwiespältigen Eröffnungsabend der 59. Bregenzer Festspiele für „Royal Palace“ zu Recht wesentlich intensiver aus als für den „Protagonisten“. 
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