Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Musik im öffentlich-rechtlichen Funk
Radio im Wandel – Quoten, Inhalte, Aufgaben
Chorsingen in Deutschland
Das Laienchorwesen wieder im Aufschwung
Die Intonation im Chor
Ausschnitte aus einer Diplomarbeit von Ulrich Barthel

Portrait
Alarmglocken trotz Fusionserfolg
Das Theater Plauen-Zwickau

Berichte
Vergebliche Skandal-Erwartung
Schlingensiefs Bayreuther Parsifal
Zwiespältige Eindrücke
Die Salzburger Festspiele 2005
Wortspiel und Video
Weill-Schwerpunkt bei den Bregenzer Festspielen
Nike in Weimar
Eröffnung des Kunstfestes „Pèlerinages“

Aktuell
Das Treffen in Halle
Vier Seiten zur VdO-Bundesversammlung: Chor in der Hauptrolle (Irene Constantin), Porträt der Musikstadt Halle, Tagungsprogramm

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Michael Janze am Dirigentenpult // Korrekturbedarf bei der Bühnenversorgung // Wir gratulieren //

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Wettbewerbe 2004
Spielpläne 2004/2005
Festspiel-Vorschau 2004

 

Portrait

Alarmglocken trotz Fusionserfolg

Das Theater Plauen-Zwickau · Ein Porträt von Werner Wolf

Im an Theatern reichen Freistaat Sachsen konnten sich auch in früheren Zeiten nur die Residenzstadt Dresden, die Handels- und Wissenschaftsmetropole Leipzig und das Industriezentrum Chemnitz spezielle Häuser für Oper und für Schauspiel leisten, dazu die ersten beiden und zeitweilig auch Chemnitz noch ein Operettentheater. Während inzwischen über Schließungen der Häuser für die leichtfüßige Bühnenmuse an Elbe und Pleiße schon nachgedacht, aber nach heftigen Protesten (zunächst) davon abgesehen wurde, wagt (vorerst noch?) niemand am Bestand der Opern- und Schauspielhäuser zu rütteln.

Schwerer haben es die Theater in sächsischen Städten zwischen 25.000 und 100.000 Einwohnern wie Zwickau, Plauen, Bautzen, Görlitz, Freiberg, Döbeln, Annaberg, Zittau. Dort erbauten sich die Bürger im 19. oder spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihr Stadttheater mit eigenen Ensembles, Orchester und Chor als zentralen Ort für Erbauung, Unterhaltung und auch Kommunikation.

Zeit der Fusionen

Nun, da im größer gewordenen Deutschland alles teurer geworden ist, die Kunst sich „rechnen“ muss, funktioniert der bisherige Stadttheaterbetrieb auch im Osten nicht mehr wie bisher. Fusionen erfolgten, über weitere wird noch debattiert. Das bereitete viel Kopfzerbrechen, auch in Zwickau mit seinen 100.000 Einwohnern und Plauen mit 70.000.

 
„Carmen“ mit großem Chor-Aufgebot in Plauen-Zwickau. Foto: unico
 

„Carmen“ mit großem Chor-Aufgebot in Plauen-Zwickau. Foto: unico

 

Nach verfehlten Kontakten zwischen den Theatern im nordbayrischen Hof und im angrenzenden vogtländischen (südwestsächsischen) Plauen drängten die sächsische Staatsregierung und die Stadtverwaltungen auf Einsparungen. Die Fusion der Theater Zwickau und Plauen kam ins Gespräch. Dabei waren sich die Intendanten Wolfgang Hauswald und Dieter Roth von vornherein einig: Verluste bei Einsparungen so gering wie möglich zu halten und nach denkbaren künstlerischen Gewinnen zu streben, bewährte Eigenheiten beider Theater zu erhalten und weiter zu führen.

Mit der Spielzeit 2000/01 nahmen die bis dahin selbständigen Häuser als Theater Plauen-Zwickau in der Rechtsform einer gGmbh mit den beiden Städten und den Kulturräumen als Gesellschaftern unter der Intendanz von Wolfgang Hauswald die gemeinsame Arbeit auf. Das seither Gebotene und Erreichte belegt, dass sich die mit der Fusion gehegten Hoffnungen im Wesentlichen erfüllten. Mit etwa 180.000 Besuchern (einschließlich der Freilichtaufführungen) wurde eine Auslastung von 70 bis 80 Prozent erreicht. Eigene Eindrücke von wichtigen Inszenierungen, Besucherreaktionen sowie Gespräche mit dem jetzigen Generalintendanten Dr. Ingolf Huhn, dem Orchestervorstand Karl-Hermann Schlosser, dem VDO-Ortsdelegierten Hans-Wilhelm Wendt, dem Chorvorstand Tilman Rau und dem Betriebsratsvorsitzenden Nicolaus Köhler bestätigen die positiven Ergebnisse.

Größere Leistungsstärke

Die etwa gleich großen Bühnen und Zuschauerräume der Hauptspielstätten in den Städten Zwickau und Plauen bieten günstige Voraussetzungen für die Arbeit. Bühne und Zuschauerraum des im altehrwürdigen Zwickauer Gewandhaus beheimateten, seit 1823 bestehenden Zwickauer Theaters wurden noch vor der Fusion restauriert und modernisiert, ebenso das 1898 eingeweihte stattlich aussehende Vogtlandtheater in Plauen.

 
Streitbare Frauen in den „Nibelungen“. Foto: unico
 

Streitbare Frauen in den „Nibelungen“. Foto: unico

 

Die mit der Fusion erreichten Einsparungen sind zahlenmäßig schnell zu benennen. Aus zwei Orchestern mit etwas über 60 Musikern in Zwickau und knapp 60 in Plauen entstand ein 96 Mitglieder umfassender leistungsstärkerer Klangkörper. Für den standen aber nur 90 Planstellen zur Verfügung, so dass die Finanzierung der 96 Musiker schon damals mit Gehaltsminderung durch eine Haustarifvereinbarung geregelt wurde. Von den knapp 50 Sängern beider Chöre bilden jetzt 32 einen ebenfalls leistungsstärkeren gemeinsamen Chor. Das Solistenensemble der Oper mit Sitz in Zwickau umfasst derzeit 14 Sänger (vorher etwa 25 an beiden Häusern), die Tanzgruppe 14 Mitglieder. Das Schauspielensemble mit Sitz in Plauen besteht aus 20 Mitgliedern (vorher um die 30). Die Konzentration auf eine Intendanz und Verwaltung mit Sitz in Zwickau erbrachte weitere personelle Einsparungen.

Die Reduzierungen erfolgten durch an Theatern übliche Wechsel, Auslaufen zeitbegrenzter Arbeitsverträge, Erreichen der Altersgrenze und Vorruhestandsregelungen so sozialverträglich wie möglich. Hart bleibt es dennoch, wenn ein für seine Kunst lebender Musiker vorzeitig auf das Altenteil gesetzt wird. Für die verbliebenen Künstler wiederum heißt das, einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeit jeweils 40 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt leisten zu müssen. Das erscheint bei heutiger Motorisierung und Mobilität harmlos, bringt aber im bergigen Gelände im Winter bei Schnee und Eisglätte nicht nur bei den nächtlichen Rückfahrten manche Schwierigkeiten.

Neue Klangqualität

Die künstlerischen Gewinne der Fusion: Jetzt können große Opern wie Richard Wagners „Tannhäuser“ und „Lohengrin“, Giuseppe Verdis „Aida“ und „Othello“ und Sinfonien wie die von Anton Bruckner mit einer vorher nicht verfügbaren Streicherbesetzung in bisher nicht möglicher Klangqualität aufgeführt werden. Rolf Reuter, der langjährige Chefdirigent der Komischen Oper Berlin, führte mit einigen Operneinstudierungen, der langjährige Chemnitzer Orchesterchef Dieter-Gerhard Worm in Sinfoniekonzerten in der nach der Fusion zunächst cheflosen Zeit das Orchester zu großartigen Leistungen.

Mit dem jetzigen Generalmusikdirektor Christoph Sandmann und dem 1. Kapellmeister Victor Puhl stehen nun befähigte jüngere Dirigenten am Pult. In jüngster Zeit bewiesen dies die letzten Premieren der Spielzeit 2003/04 mit der 1854 von Franz Liszt in Weimar uraufgeführten, bald auch in Berlin, Wien und weiteren Städten gespielten Oper „Die Nibelungen“ von Heinrich Dorn und Georges Bizets unverwüstlicher „Carmen“.

Für „Carmen“, die in Plauen vor der Sommerpause auf der Freilichtbühne zu erleben war und in Zwickau zum Auftakt der Saison 2004/05 in der einer großen Arena gleichenden Stadthalle gespielt wurde, bot das Theater alle verfügbaren Kräfte auf. Zum Chor des Theaters kamen Mitglieder der Singakademien Plauen und Zwickau, die Chöre des Diesterweg-Gymnasiums Plauen und viele Komparsen. So standen im Schlussbild zur Begrüßung Escamillos über 200 Akteure auf der Bühne.

Vielseitiger Spielplan

Mit den Premieren von Wolfgang Amadeus Mozarts Buffooper „Die Hochzeit des Figaro“, Carl Millöckers Operette „Der Bettelstudent“, Giacomo Puccinis japanischer Tragödie „Madame Butterfly“, der musikalischen Revue „Das Küssen macht so gut wie kein Geräusch“, den Musicals „Hair“ und „Anatevka“ und – als szenische Uraufführung – das musikalische Märchen „Der Rose Pilgerfahrt“ von Robert Schumann ist das Konzept für die weitere Planung angedeutet. Die Intendanz ist darauf bedacht, für die verschiedenartigen Erwartungen der beiden Städte und ihres Umlands einen vielseitigen Spielplan zu gestalten. Wie in der vorigen Spielzeit mit Dorns „Nibelungen“, in der jetzigen mit Schumanns „Rose“ soll auch künftig ein vergessenes oder selten gespieltes und von Zeit zu Zeit ein zeitgenössisches Werk aufgeführt werden. Das Theater Plauen-Zwickau befindet sich jedenfalls auf erfolgreichem und guten Weg.

Nachdem in den wenigen Jahren seit der Fusion das Zusammenführen beider Theater gefestigt und die größeren künstlerischen Möglichkeiten genutzt wurden, drohte aber in der zu Ende gegangenen Spielzeit ein beträchtlicher Verlust: Ein Beschluss der Gesellschafter verminderte die derzeit 87 Stellen für das Orchester auf 66. Die nun „überzähligen“ Musiker erhielten eine Kündigung. Damit wären wesentliche künstlerische Gewinne der Fusion verloren gegangen.

Lösungsversuche...

In nicht leichten Verhandlungen fanden Vorstand und Freundeskreis des Philharmonischen Orchesters in Verbindung mit der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), Intendanz und Betriebsrat durch beispielhafte Solidarität der Orchestermitglieder zu einer ungewöhnlichen Lösung. Es wurde Einigkeit erreicht, dass nach den Reduzierungen bei der Fusion kein weiteres Mitglied des Orchesters entlassen werden soll und mit dem Etat für 66 Musiker die jetzigen 87 bezahlt werden, damit niemand in die Arbeitslosigkeit getrieben wird. Das bedeutet, die gekündigten Musiker bleiben mit 75-prozentiger Teilzeit im Orchester, die anderen Kollegen verzichten auf 16 Prozent des Tarifgehaltes. Diese Haustarifvereinbarung soll für drei Jahre abgeschlossen werden, um bis 2007 finanzielle Sicherheit zu garantieren.

... und neue Gefahren

Doch im Jahresprogramm für die Spielzeit 2004/05 kündigte der Plauener Bürgermeister Uwe Täschner als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Theater Plauen-Zwickau gGmbH an, „die Finanzsituation unserer kommunalen Haushalte zwingt uns bereits nach wenigen Wochen, die Diskussion um die Struktur unseres gemeinsamen Theaters für die Zukunft wieder zu beginnen“. Er hofft „auf die Weitsicht der Entscheidungsträger, die bisher erfolgreiche Fusionsgrundlage nicht zu gefährden und dem gemeinsamen Theater in unserer Region eine Zukunft zu geben“.

Inzwischen erschien am 3. September in der „Freien Presse“, der einzigen Zwickauer Tageszeitung, ein Artikel, der die Alarmglocken schrillen lässt. Das Konzept des Zwickauer Oberbürgermeisters Dietmar Vettermann zur Konsolidierung des städtischen Haushalts sieht vor, die Zuwendungen für das Theater im nächsten Jahr um eine Million auf 1,9 Millionen Euro und im folgenden Jahr weiter stark zu kürzen. Zwar wird das als einer von vielen Vorschlägen relativiert, doch sind solche Überlegungen eines Verantwortungsträgers bedrohlich. Sie könnten zur Insolvenz und Auflösung der gGmbH führen und das seit der Fusion Erreichte zunichte machen.

Unerlässlich ist es, dass endlich die führenden Politiker, Ökonomen, Wirtschafts- und Bankenvorstände, aber auch Stadtoberhäupter neue Ideen entwickeln, die über Reformen genannte bisherige Flickschusterei hinausgehen und auch die Bedeutung der Kultur für das Land erkennen. Das Plato zugeschriebene Wort, ein Land sei so gut wie seine Musik, hat sich in der Geschichte immer wieder bewahrheitet.

Werner Wolf

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner