Der Regensburger Domchor mit dem eigenwilligen Namen „Domspatzen“ (der Name entstand während einer Konzertreise nach Prag zu Beginn des 20. Jahrhunderts) ist einer der ältesten Knabenchöre der Welt. Im Jahre 975 gründete der Regensburger Bischof Wolfgang eine Domschule mit Schwerpunkt Gesang, um die Gottesdienste in der Kathedrale kirchenmusikalisch gestalten zu können. Unter der Leitung von Theobald Schrems (Domkapellmeister 1924-1963) wurde der Chor neu organisiert, das Internat samt musischem Gymnasium erbaut und die Konzert- und Aufnahmetätigkeit der Domspatzen auf ein Vielfaches erhöht. Die nachfolgenden Domkapellmeister Georg Ratzinger (1964-1994) und, seit 1994, Roland Büchner verstanden es, mit viel Geschick das musikalische Profil des Chores zu schärfen. Ein Novum Büchners ist die vermehrte Aufführung oratorischer Werke wie „Der Messias“, „Die Schöpfung“ oder die Johannespassion. Insgesamt 500 Buben besuchen Chor, Schule und Internat der Domspatzen. Der Konzertchor und die zwei Nachwuchschöre bestehen jeweils aus 60 Knaben- und Männerstimmen, dazu kommt noch die Choralschola. All diese Chöre wechseln sich bei den sonntäglichen Domdiensten ab – was der Probenarbeit für die nächsten Konzerte/Projekte zu Gute kommt. Um genügend Nachwuchs sicher zu stellen und um einigen Knaben schon vor dem Eintritt in das Domgymnasium eine chorische Ausbildung zu geben, wurde in einem Klostergebäude in Pielenhofen die Tages- und Internatsgrundschule der Regensburger Domspatzen (erste bis vierte Klasse) eingerichtet. Zusätzlich besteht für Kindergartenkinder und Grundschüler aus Regensburg und Umgebung die Möglichkeit, den „Vorchören“ der Domspatzen beizutreten. Es handelt sich dabei um mehrere Singklassen, die jeweils wöchentlich in den Räumen des Domspatzen-Internats proben. Im Herbst 2005 veröffentlichten die Domspatzen ein Album, auf dem das „Konzert für Papst Benedikt XVI“ zu hören ist, welches der Regensburger Domchor im Beisein des Heiligen Vaters in der Sixtinischen Kapelle gegeben hatte – und erreichten damit Platz 5 der Klassik Charts. 2002 wurde den Domspatzen der Titel „Kulturelle Botschafter von Europa“ verliehen. Windsbacher Knabenchor
Was die Regensburger Domspatzen für das katholische Bayern, sind die Windsbacher für das evangelische: kirchenmusikalische Botschafter der jeweiligen christlichen Konfession. Dabei könnte der Unterschied der beiden Chöre kaum größer ausfallen – der 1946 gegründete Windsbacher Knabenchor wirkt im geschichtlichen Vergleich zur 1000-jährigen Tradition der Regensburger wie ein frisch geschlüpftes Küken. Und dennoch haben sie sich mit harter, konsequenter Arbeit einen festen Platz im internationalen Konzertleben gesichert – und gehören heute zu den renommiertesten Knabenchören der Welt! Und dabei fing alles recht unscheinbar an. Es war wohl ein ausgezeichneter Glücksfall, als nach dem Krieg der damals 25-jährige Hans Thamm als Musikpräfekt an das Pfarrwaisenhaus (heute Evangelisch-Lutherisches Studienheim) im fränkischen Windsbach berufen wurde. Thamm, der selbst als Kruzianer in Dresden unter Rudolf Mauersberger sang und studierte, sah in Windsbach alle Voraussetzungen gegeben, um Schritt für Schritt einen der erfolgreichsten deutschen Knabenchöre aufzubauen. Seit 1978 steht der Chor unter der Leitung von Karl-Friedrich Behringer, der nicht nur den ausgezeichneten Ruf des Chores festigte, sondern durch weltweite Tourneen die Windsbacher auch international bekannt machte. Die 110 Internats- und 30 Tagesheimschüler werden von insgesamt 50 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen umsorgt. Eine Besonderheit in Windsbach: es ist jeder Schultyp am Ort vorhanden und kann von den Jungen besucht werden. Das Johann-Sebastian-Bach Gymnasium, sowie die Grund- und Hauptschule liegen direkt neben dem Internat; ferner besuchen Schüler die Realschulen in den umliegenden Nachbarorten. Durch die Einrichtung von speziellen Chorklassen und vertiefende Nacharbeit am Gymnasium wird gewährleistet, dass die Knaben eventuelle Versäumnisse durch Chorreisen schnell wieder aufholen. Finanziell steht der Windsbacher Knabenchor auf mehreren Säulen, von denen die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern die umfangreichste Unterstützung einbringt. Des Weiteren stellen die eigene Chor-Stiftung, das so genannte Patronat (ein Zusammenschluss potenter Geldgeber in der Region Nürnberg) und die Fördergesellschaft des Chores die übrigen Geldmittel zur Verfügung. Neben der Pflege der a cappella Chorliteratur bis hin zu den großen oratorischen Werken (Messias, Elias), singen die Windsbacher regelmäßig die Motette in St. Lorenz in Nürnberg. Im April dieses Jahres stand Bachs Matthäus-Passion auf dem Programm, unter der Leitung von Kent Nagano. Tölzer KnabenchorGleich in drei bayerischen Orten sind hochkarätige Knabenchöre ansässig: Regensburg, Windsbach und, seit 1956, in Bad Tölz. In jenem Jahr gründete der damals 19-jährige Gerhard Schmidt-Gaden den Knabenchor, der heute noch unter seiner Leitung steht. In erstaunlich kurzer Zeit erwarben sich die Tölzer nationale und internationale Anerkennung.
Heute singen 150 Buben aus München und Umgebung verteilt auf 4 Chöre, wobei der Chor – im Gegensatz zu den anderen bereits erwähnten Knabenchören – kein Internatsbetrieb ist. Die Ausbildung ist in vier leistungsspezifische Chorstufen untergliedert und beginnt in der ersten Schulklasse mit dem Ausbildungschor. Nach zweijähriger Ausbildung kommen die Chorknaben dann in den Repertoirechor, in dem schon komplexere Chorwerke (z.B. Benjamin Brittens Missa Brevis) erarbeitet werden. Außerdem müssen die Buben ab diesem Zeitpunkt ein Instrument spielen. Im Alter von 9 bis 10 Jahren werden die Knaben nach bestandener Übertrittsprüfung in den Konzertchor aufgenommen. Hier erhalten die Jungen zwei mal wöchentlich einen zweistündigen Chorunterricht sowie eine Solostunde. Ein Markenzeichen des Tölzer Knabenchores ist die Besetzung der Drei Knaben in Mozarts „Zauberflöte“. Seit Jahrzehnten besetzen die bedeutendsten Opernhäuser und Festspiele das Knaben-Terzett mit Tölzer Solisten. Die verschiedenen Gruppen und Solisten des Tölzer Knabenchores treten pro Jahr in fast 250 verschiedenen Konzerten und Opernaufführungen auf. Der Ausbildungsbereich des Chores wird vom Tölzer Knabenchor e.V. getragen. Wiener Sängerknaben
Der im Wiener Augarten beheimatete Knabenchor – zu dessen ehemaligen Sängern unter anderem Franz Schubert und Peter Alexander zählen – hat durch seine äußerst aktive Konzerttournee-Arbeit einen hohen Bekanntheitsgrad im In- und vor allem auch im Ausland erreicht. Gegründet im Jahre 1498 von Kaiser Maximilian I., lag die Hauptaufgabe der Hofsängerknaben in der musikalischen Gestaltung der Heiligen Messe – eine Tradition, wie sie heute noch beispielsweise vom Knabenchor der „Chapel Royal“ im St. James Palast in London gepflegt wird. Die Auflösung der k.u.k. Monarchie und damit des Kaiserlichen Hofes bedeutete aber keineswegs das Ende des Chores: 1924 wurden die „Wiener Sängerknaben“ offiziell als Verein gegründet, seit 1948 befindet sich das Internat des Chores im Palais im Wiener Augarten. Markenzeichen der Wiener Sängerknaben sind die Matrosenuniformen, die die Knaben bei Auftritten tragen. Der Grund für diese äußerst markante Garderobe: in den 20er-Jahren war es für Kinder aus bürgerlichen Familien durchaus üblich, derartige Marineanzüge als „Sonntagskleidung“ zu tragen. Der damals übliche Säbel wird heute von den Sängerknaben allerdings nicht mehr angelegt – sehr zum Verdruss mancher Jungen! Etwa 100 Knaben im Alter von 10 bis 14 Jahren sind in 4 Chöre aufgeteilt; im privaten Realgymnasium erhalten die Kinder in kleinen Gruppen ihren Schulunterricht und nehmen täglich an den zweistündigen Chorproben teil. Daneben unterhalten die Wiener Sängerknaben auch einen eigenen Kindergarten und eine Volksschule. Wer Sängerknabe werden will, muss spätestens die vierte Klasse der hauseigenen Volksschule besuchen, um dann ein Jahr später in den Chor aufgenommen zu werden. Im Jahre 2001 trat Gerald Wirth die Nachfolge von Norbert Balatsch (langjähriger Chordirektor der Bayreuther Festspiele und der Wiener Staatsoper) als Künstlerischer Leiter des Chores an. Die 4 Konzertchöre – die jeweils unter dem Namen „Wiener Sängerknaben“ singen – geben rund 300 Konzerte jährlich vor fast einer halben Million Zuschauern in der ganzen Welt. Jeder der Chöre verbringt insgesamt neun bis elf Wochen eines Schuljahres auf Tourneen im In- und Ausland. Jedes Jahr fährt einer der Chöre in die USA, nach China, Japan, Südkorea, sowie in verschiedene europäische Länder; alle zwei Jahre finden Konzertreisen nach Lateinamerika, alle drei Jahre Reisen nach Australien und Neuseeland statt. Solisten des Chores übernehmen immer wieder Partien wie das Knabensolo aus Bernsteins „Chichester Psalms“ oder Gustav Mahlers „Das klagende Lied“. Ronny Krippner |
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