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Kulturpolitik

So können wir nicht weitermachen

Robert Conn und die „Augsburger Verhältnisse“ · Von Vesna Mlakar

„Große Träume, mit denen man Exzellentes erreichen will, lassen sich nur in kleinen Schritten verwirklichen“. Dessen ist sich Augsburgs Ballettchef Robert Conn bewusst. Nach einer erfolgreichen Karriere als Tänzer, die den gebürtigen Amerikaner nach seiner Ausbildung an der North Carolina School of the Arts über verschiedene Stationen ans Stuttgarter Ballett (1997 bis 2003) führte, kann er aus einer vielseitigen künstlerischen Erfahrung schöpfen und verfügt zudem über ein gut gestricktes Netz an Kontakten.

 
Robert Conn kämpft für das Augsburger Theater. Foto: Nik Schölzel
 

Robert Conn kämpft für das Augsburger Theater. Foto: Nik Schölzel

 

Doch Conn gehört zu der Sorte Tänzer, die – nach dem Abschied von der aktiven Karriere – ihren neuen Weg mit Nägeln pflastern. So machte er keinen Bogen um wirtschaftliche Belange und absolvierte im Sommer 2003 einen Intensivkurs in Marketing und Fundraising an der Waterloo Economics University in Kanada. In die Spielzeit 2003/04 startete er als Probenassistent des Stuttgarter Balletts, wo Intendant Reid Anderson ihn in die Direktionsarbeit mit einbezog.

Im folgenden Jahr wechselte Robert Conn in der Funktion des leitenden Ballettmeisters unter Daniela Kurz zum Tanztheater Nürnberg und übernahm dort 2005 zusätzlich die Position des stellvertretenden Direktors. Augsburg, wo er 2007 Jochen Heckmann ablöste, ist seine erste Station als Tanzchef – an einem Haus mit Schauspiel, Oper, Konzert und Ballett. Es hat ihn, wie er gesteht, einige Zeit gekostet, bis er herausfand, was das Publikum sehen möchte. Mittlerweile hat er einen passenden Pool an Choreografen etabliert und sieht in seiner hervorragend trainierten, stilistisch neoklassisch-zeitgenössisch ausgerichteten Compagnie eine starke Zukunft.

„Ich wäre nicht hergekommen, wenn ich nicht gesehen hätte, dass ich hier etwas aufbauen kann, das besonders ist und Wert hat.“ Sein Vertrag wurde von drei auf fünf Jahre verlängert und läuft noch ein Jahr. „Ich fühle mich kreativ und spüre, dass in dieser Stadt mit seiner reichen Theatergeschichte etwas zu schaffen ist. Augsburg hat viele Vorteile, darunter eine tolle riesige Bühne. Ich besuche viele Häuser, die schön saniert sind – aber dann schaue ich auf unsere Bühne und denke mir: Ja! Die ist besser!“

Keine Interimslösung in Sicht

Diese Saison jedoch wird das gesamte Team in seiner Produktionsfähigkeit stärker denn je seit Beginn der Sanierungsmaßnahmen gebeutelt. Diese waren angesichts des maroden Theaterbaus, der aus den 1950er-Jahren stammt, notwendig geworden. Seit der Stadtrat sich erstmals am 26. November 2009 mehrheitlich für die Interimsspielstätte auf dem Parkplatz hinter dem Großen Haus ausgesprochen hatte – mit einer ersten Option auf Oktober 2010! – zieht sich die an sich schlüssige Ersatzlösung in die Länge. Auf die bisher letzte Zusicherung des für 260 Plätze, eine Probebühne und Foyer sowie weitere Räume ausgerichteten Containers (so der etwas eckige Arbeitsname) durch die Firma Züblin am 29. Januar 2011 folgte am 16. Februar die Nachricht einer erforderlichen europaweiten Ausschreibung für das Konzept. Deren Vorstellung soll frühestens in der April-Sitzung des Bauausschusses erfolgen. Die Vergabe ist dann für Juli geplant. Für den Fall, dass im August die Genehmigung erteilt wird, erhofft man sich die dringend benötigte Spielunterkunft bis Mai 2012.

 
Juliane Votteler kämpft für das Augsburger Theater. Foto: Nik Schölzel
 

Juliane Votteler kämpft für das Augsburger Theater. Foto: Nik Schölzel

 

Noch bis Ende der Spielzeit steht Intendantin Juliane Votteler neben einem Ausstellungsraum im Textilmuseum (TIM) die ehemalige Fabrikhalle auf dem Dierig-Gelände für Aufführungen zur Verfügung. Danach ist auch mit dieser Behelfsoption Schluss. Noch enger sieht es beim Ballett aus, denn beide vom Schauspiel genutzten Örtlichkeiten sind von Säulen durchsetzt und scheiden damit für Tanzproduktionen mit mehr als vielleicht zwei, drei Personen aus. Robert Conn lacht energisch: „Wie willst du fünf Leute gemeinsam in Bewegung bringen, wenn eine Säule in der Mitte steht?“

Harte Entscheidung

Da die intensive Suche nach anderen ballettwerktauglichen Räumlichkeiten in der Stadt (unter größtmöglicher Kompromissbereitschaft) kein annehmbares Resultat erbrachte, musste die für den 19. Februar angesetzte Premiere „Gemischtes Doppel“ gestrichen werden – der Worst-Case für Tänzer, auf deren kurzen Karrieren ein unfassbarer Zeitdruck lastet und die in täglicher körperlicher Schwerstarbeit auf Vorstellungen hinarbeiten. „Die Entscheidung, so realistisch sie war, war sehr hart für das Ensemble. Wir haben das Stück trotzdem produziert. Es war viel zu spät, um auf andere Ideen auszuweichen. So haben wir uns der Herausforderung gestellt, irgendeine Lösung zu finden.“ Die Gastspielidee scheiterte trotz einiger interessierter Häuser: Aufgrund der fehlenden Bühne konnte die Beleuchtung nicht fertig eingerichtet werden (Arbeit für mindestens zwei Tage) – und kein Theater kann für eine Aufführung eine Einladung über mehrere zusammenhängende Tage aussprechen. Dafür hat Juliane Votteler, die derzeit mehr als Politikerin denn als Intendantin agieren muss, die Problematik der hinausgeschobenen Bühnenturmsanierung so zum Vorteil gedreht, dass der Vierteiler (zwei Auftragswerke, zwei Übernahmen) eventuell im Juni 2011 auf der hinteren Bühne des Großen Hauses gezeigt werden kann. Bis dahin heißt es jede Woche proben!

Wie aber muss man sich die Arbeitsbedingungen unter solchen Konditionen vorstellen? „Wir sind im Juli 2010 in die Sommerpause gegangen, alle in der Hoffnung, dass wir in eine Baustelle zurückkommen.“ Die Bauarbeiten jedoch hatten nach wie vor nicht begonnen. „Da hatten wir das eine Stück bereits fertig und für die anderen drei waren die Verträge geschlossen. Im Herbst haben wir das zweite Werk einstudiert. Sowohl Maurice Causey wie auch Alejandro Cerrudo, die Choreografen von „Gemischtes Doppel“, waren sehr offen und entgegenkommend. Beide sind genauso frustriert wie wir ob der nicht erfolgten (Ur-)Aufführungen. Wir haben einen Studiodurchlauf gemacht und das war auf der einen Seite wunderbar, wie immer, andererseits war da ein bitterer Geschmack: Werden wir das tanzen? Wann? Wo?“

Keine Notlösungen

Conn lässt sich von derartiger Unbill nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Und steckt voller Eifer mit den Gastchoreografen Matjash Mrozewski („Sommernachtstraum“) und Bridget Breiner („Othello“-Variationen) in den Proben zur nächsten Produktion „Liebesblind – Shakespeare vertanzt“ (Premiere: 9. April, Großes Haus). „Ich habe eine absolut positive Arbeitseinstellung, aber es ist eine ganz harte Zeit: ein Schlag folgt auf den nächsten, alles verzögert sich und immer wieder bricht die Diskussion erneut auf – obwohl klar ist, dass eine Rückkehr in die (ebenfalls sanierungsbedürftige) Komödie keine Alternative ist. So, wie die Lage ist, hat die Zeit uns nicht erlaubt, eine Ausweichstätte zu finden. Tischtennis kann man in einer kleinen Halle spielen – für Fußball braucht man ein großes Feld! Genauso ist es mit Tanz. Notlösungen sind nur schwer zu betanzen, weil für uns besondere Bedingungen gelten, wie zum Beispiel der Einbau eines Tanzbodens und die Notwendigkeit einer großzügigen Freifläche: In einer klassischen Variation muss der Tänzer richtig fliegen.“

 
„Lasst uns nicht im Regen stehen“. Am 2. März 2011 demonstrierte das Ensemble auf dem Rathausplatz vor einer erneuten Kulturausschusssitzung im Rathaus.
Letzte Ballett-Produktion „Orpheus – Saitenschlag“ in Augsburg. Foto: Nik Schölzel
 

Oben: „Lasst uns nicht im Regen stehen“. Am 2. März 2011 demonstrierte das Ensemble auf dem Rathausplatz vor einer erneuten Kulturausschusssitzung im Rathaus. Unten: Letzte Ballett-Produktion „Orpheus – Saitenschlag“ in Augsburg. Foto: Nik Schölzel

 

Conns Compagnie bewegt sich irgendwo zwischen Tanztheater und dem klassischen Repertoire mit Corps de ballet. In der ehemaligen Zweitspielstätte „Komödie“ gab es, was schon schwierig genug war, 112 Quadratmeter. „Runterzugehen auf 80, 60 oder gar 40 Quadratmeter ist eine riesige Beschränkung, vergleichbar mit einem Konzertpianisten, der Handschuhe trägt. Er kann zwar spielen, aber ist das noch Kunst? Irgendwann kommt man an eine Grenze, wo man sagen muss: Die Qualität ist absolut weg! Außerdem ist es unmöglich, jeden Tag alles komplett für eine neue Situation umzubauen. Einen einzigen Kompromiss kann man eingehen, sind es aber drei, vier oder fünf, dann bekommst du keinen Choreografen mehr. Und die guten sind auf drei Jahre im Voraus ausgebucht, genau wie die Regisseure bei der Oper. Zudem müssen die kleinen Häuser immer um die Zwischenzeiten der Choreografen kämpfen, denn keiner nimmt unsere Gage, wenn er zeitgleich an einem großen Theater arbeiten kann. Deshalb habe ich ein begrenztes Zeitfenster für meine Wunschkandidaten. Und die sind sofort weg, wenn ich nur spät disponieren kann. Dann entsteht schnell das Gefühl, Sand in der Hand zu haben, den man festzuhalten versucht, der aber durch die Finger rinnt.“

Diese Spielzeit hat Conn insgesamt drei Mal konzipiert; mit jeder Verschiebung ging das Rätseln um den Spielplan wieder von vorne los! „Manchmal wache ich auf und denke, ich kann nicht mehr. Aber die Compagnie versteht das, und sie sind dabei. Aber wir können nicht noch ein Jahr so weiter machen, dann fliegt die ganze Truppe komplett auseinander. Ein paar Monate ohne Vorstellungen beschädigen die Seele der Tänzer.“

Vesna Mlakar

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