Schon die Übernahme von Peter Breuers 2005 in Salzburg uraufgeführtem Ballett „Tschaikowsky“ war 2008 in Karlsruhe gut angekommen. Nun also eine Kreation, die inhaltlich auf das mittelalterliche Nibelungenlied zurückgreift, in seiner musikalischen Zusammensetzung aus Kompositionen von John Adams, Franz Liszt und Richard Wagner dabei (natürlich stringent unerfüllt) Assoziationen an den „Ring“-Siegfried heraufbeschwört. Hat Wagner doch dem Mythos „Siegfried“ einen Stempel aufgedrückt, wie kein anderer. Dazu kommt hier – mehr noch als in Dessau, wo Tomasz Kajdanski Anfang März 2011, ebenfalls mit Dorin Gal als Ausstatter, „Die Nibelungen: Siegfriedsaga“ (Musik: „Ring ohne Worte“ von Carlos Kalmar) nach Friedrich Hebbels Dramatisierung choreografisch umsetzte – die hohe Symbolhaftigkeit der raffiniert-schlicht-multifunktionalen Bühnenausgestaltung zum Tragen: formverhaftet in einer riesigen Ringscheibe, die mal von der Decke auf halbe Bühnenhöhe herabgelassen die Protagonisten quasi ausweglos umschließt, später schräg aufgebäumt das Nachtlager von Brünhild säumt. So schleichen sich Verständnisirritationen ein, die sich nicht unbedingt ohne Blick ins Programm klären – trotz der an sich dramaturgisch und kostümdesignerisch schicken Idee des Gespanns Breuer (Choreografie) und Andreas Geier (Libretto), dem Quartett Siegfried (blondes Glückskind: Admill Kuyler), Kriemhild (zart und temperamentvoll als eigentliche Schlüsselfigur: Bruna Andrade), Brünhild (ungezähmte Punkbraut: Barbara Blanche) und Hagen (zackig auf Draht: Andrey Shatalin) personifizierte mystische Begleiter in Gestalt einer Amazone, eines Adlers, eines Pferdes und einer Krähe zuzugesellen. Dafür zäumt Breuer den Stoff, der Kriemhilds Verrat von Siegfrieds einzig verletzlicher Stelle und den daraus resultierenden Mord Hagens zum Kern hat, regelrecht von hinten auf. Um ihn sodann gleich zweimal – als traumhafte Erinnerungsparabel Kriemhilds zuerst, dann beginnend mit Siegfrieds Taten (Sieg über den Drachen), seinem Verlangen nach der Wormser Prinzessin und seiner Unterstützung bei Gunthers Werben um Brünhild und dem Konkurrenzdisput der beiden Frauen – Szene für Szene aufzurollen. Optisch schöner Auftakt dazu: Ute, Kriemhilds Übel vorausahnende Mutter, die in wallenden schwarzen Stoff gehüllt mit überlangen Armen im (Sound-)Wind um Gleichgewicht ringt, bevor sie den Blick auf das Corps de Ballet im Hintergrund freigibt. Vor allem in den Gruppenpassagen der Höflinge und Walküren geht tanzmäßig in den folgenden zwei Stunden sprunggewaltig und Beine werfend die Post ab. In den stilleren, intimeren Sequenzen vermag Breuer es, den Erzählfaden anschaulich zwischen seinen Protagonisten – genannt sei noch Flavio Salamanka als ergeben-sanftmütiger Gunther – durch kleine Soli, Pas de deux und Trios zu führen. Um handlungstreibend zweckgemäß ein Kaleidoskop an Emotionen aufzublättern, die nach manch hitzigem Ausbruch berührend in Kriemhilds Erkenntnis von Schuld gipfeln. Eine ähnlich starke Rollenentwicklung bleibt Breuers Siegfried versagt. Vielmehr verpufft seine jugendliche Kraftausstrahlung in hohlem Pathos, das sich neben einfühlsamem Partnering vornehmlich aus raumgreifendem Dahinschreiten und In-die-Brust-Werfen speist. Hier hätte man „dem Affen mehr Zucker“ gewünscht, vergleichbar Mario Schröders 14-Tänzer-Pendant in dessen Kieler „Nibelungenlied“. Vesna Mlakar |
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