Eigentlich vertreten Peter Konwitschny und Ulf Schirmer keine konträren Positionen, nur die weltanschauliche und ästhetische Sicht ist bei beiden unterschiedlich. Dass die Kunstgattung Oper ein kostbares Kulturgut ist, das wertebildend wirkt, dürfte für beide außer Frage stehen. Doch Peter Konwitschny führt einen fast besessenen Feldzug zur Rettung der westlichen Zivilisation und benutzt seine Inszenierungen gerne dazu, das Publikum auf die Missstände radikal einzustimmen. Aber Bürgerschelte hat noch nie Wirkung gezeigt. Ulf Schirmer sieht das Musiktheater vielleicht ähnlich wie Egon Friedell, der es in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“ wie folgt beschreibt: „Eben mehr, als die Meisten glauben, keine bunte Oberfläche, kein bloßes Theater, sondern etwas Entsiegelndes und Erlösendes, etwas schlechthin Magisches in unserem Dasein.“ Das Magische scheint Peter Konwitschny aus den Augen verloren zu haben, wenngleich er es in seinen frühen Inszenierungen durchaus auf die Bühne zu bringen verstand. Verdis „Macbeth“ war wohl Konwitschnys letzte Arbeit für das Opernhaus Leipzig. Allerdings war diese Produktion schon 1999 in Graz gezeigt worden und Leipzig erlebte nur einen lauen Aufguss. Da schon erkrankt, konnte Konwitschny die Proben nicht selbst leiten; beauftragt wurden zwei Assistentinnen, Heide Stock und Verena Graubner. Beide bemühten sich redlich die Produktion für die große Leipziger Bühne einzurichten. Das gelang nicht wirklich überzeugend, man konzentrierte sich nur auf den Ablauf, für eine intensive Arbeit mit den Sängern scheint die Zeit nicht gereicht zu haben. Leider setzte Konwitschny auch in dieser Produktion zu sehr auf Klamauk. Wann immer Blut floss, ging ein Konfettiregen auf der Bühne nieder, der sofort von den Hexen mit einem Staubsauger entsorgt wurde. Diese zeigten sich hier als eine emanzipierte Frauenkommune, die immer wieder durch die Inszenierung huschte. Sie wohnten in einer ärmlichen Küche, Macbeth und Freunde stiegen durch das Fenster ein. Der Hauptmann und spätere König residierte selbst in einem palastähnlichen Raum, mit großen Panoramafenstern, die an Hitlers Obersalzberg erinnerten (Bühnenbild Jörg Kossdorff). Der Wald von Birnam verirrte sich mit kleinen Weihnachtsbäumen schon früher als von Verdi geplant in diesen Raum. Lady Macbeth singt die große Wahnsinnsarie zwischen diesen Bäumchen, stirbt dann diskret im Hintergrund. Allerdings zeigte der dirigierende Intendant mit dem Gewandhausorchester eine beeindruckende Leistung. Das Schicksal tobte schon während der Ouvertüre beeindruckend im Orchestergraben, und spannend blieb es bis zum Schluss. Tempi, Dynamik sowie eine perfekte musikalische Differenzierung prägten Schirmers hervorragendes Dirigat, dem die sängerischen Leistungen leider nicht entsprachen. Verdi versuchte mit dieser Oper den dramatischen Ansprüchen von Shakespeares Werk gerecht zu werden. Im Libretto rang er um jedes Wort, setzte stark auf die Eigenschaften des Schauspiels. Um dieses Drama auch auf die Bühne zu bringen, benötigt man begabte Sängerdarsteller, die es verstehen, mit dem Gesang zu gestalten. Leider zeigte das Leipziger Besetzungsbüro wieder einmal ein recht oberflächliches Casting. Marco di Felice in der Titelpartie sowie seine Lady Amarilli Nizza meisterten zwar gesanglich die schwierigen Partien einigermaßen ansprechend, doch darstellerisch blieben beide blass. Selbst das Striptease der Lady wirkte gehemmt, ja sogar peinlich. James Moellenhoff (Banquo) zeigte stimmlich schon mehr Ausdruck, dennoch schien auch er darstellerisch befangen. Nur Giuseppe Varano als Macduff konnte in seiner Arie mit einer ansprechenden tonalen Gestaltung gefallen. Alessandro Zuppardo, der neue Chordirektor des Hauses, hatte seine Truppe so großartig vorbereitet, dass man selbst einen kleinen Aussetzer verzieh. Auch die Statisterie agierte enorm spielfreudig, dennoch wurde der Abend kein Erfolg. Diese Inszenierung dürfte künftig unter der Rubrik „Altlasten“ laufen. Midou Grossmann |
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