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Berichte

Großes Musiktheater im Kleinen

Die Augsburger Puppenkiste wagt sich an den »Ring des Nibelungen«

Marge Simpson und Götz Alsmann? Keineswegs: Keine geringeren als Wotan und Fricka begegnen uns auf der Bühne der Augsburger Puppenkiste. Das Theater, das Generationen von Kindern in Phantasiewelten begleitet hat, wagt sich nun – in seinem 70. Jahr – an einen großen Stoff der musikalischen Weltliteratur und bringt den auf zwei Stunden verkürzten „Ring des Nibelungen“ in die Fuggerstadt. Wer sich hier „harte Kost“ erwartet, wird enttäuscht. Vielmehr erwartet die Besucherinnen und Besucher eine humorvolle Zusammenfassung der Tetralogie mit durchaus ernsthaften gesellschafts-, vor allem kapitalismuskritischen Anklängen. Dabei wird die Geschichte – nah am Originaltext – stringent durcherzählt.

Nicht zuletzt die Musik trägt zum Gelingen bei. Enjott Schneider bewegt sich als Komponist von Kirchen-, Musiktheater-, Sinfonischer und Filmmusik immer zwischen den Welten. Er hat den „soundtrack“ für das Puppenspiel geschrieben und bedient sich, zitierend, persiflierend und neu erfindend, aus unterschiedlichen Genre-Töpfen. Schneider übernimmt ebenso wie Librettist (und Regisseur) Florian Moch viel vom Original und verwandelt es in eine marionettentheatertaugliche Form. Der erfahrene Wagner-Hörer erkennt Wagners Leitmotivtechnik, auch seine Leitmotive wieder. Daneben großes Musiktheater, Filmmusik, Piano-Musik aus der Jazz-Lounge – und plötzlich werden wir mit der Titelmelodie von „Bonanza“ ins Westernreich versetzt. Herrlich, wie hier mit musikalischen Stilelementen gespielt wird. Wunderbar auch die Figuren! Insgesamt 32 Puppen gehören zur Ausstattung des Puppenkisten-„Rings“: die zickige Fricka, Wichtigtuer Wotan, der im Zweifel aber doch eher als „Warmduscher“ daher kommt, die Riesen mit ihren kleinen gelben Bau-Helmen, Erda als Urmutter im Buddha-Schneidersitz, die barbusigen und verführerischen Rheintöchter… Oder Loge, der mit seinen langen Armen die Strippen zieht und ein bisschen über allem schwebt. Siegfried erscheint so gar nicht helden-, eher ein bisschen tölpelhaft (und so schön, dass sich Brünnhilde nun gleich verlieben müsste, ist er gewiss nicht). Brünnhilde selbst erscheint im Rockerbraut-Outfit und mit roten Haaren. Rote Haare sind überhaupt weit verbreitet.

Für die Puppenkiste war es sicher ein Wagnis, sich an das Werk des großen Meisters Richard Wagner zu machen. Aber, so erklärt Theaterleiter Klaus Marschall im „Tagesschau“-Interview: „Ich glaube, er wäre begeistert, denn Wagner war wohl nachweislich auch ein Fan des Puppentheaters.“ Bestätigt wird dies durch ein Originalzitat Wagners im Programmheft: „In jenem Kasperltheater ersah ich die Geburtsstätte des deutschen Theaterspiels vor mir, und diese richtig zu würdigen erschien mir lehrreicher als alle unsere ‚Essais‘ dünkelhafter und ignoranter Gelehrter über das Theater.“

Dieser „Ring“ im Puppentheater lohnt auf jeden Fall die Reise nach Augsburg!

Barbara Haack

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