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Gegen alle Widerstände

Zum Tod der (Mezzo-)Sopranistin Grace Bumbry

An Besonderheiten ist das stets nach Neuem, Anderen gierende Monster „Oper“ reich, vom blinden Tenor hin zu Künstlern mit vielerlei anderen Behinderungen. Doch auch mit allen Inkonsequenzen: Denn erstaunlicherweise wurde – vor dem kunstfernen Aufschäumen der derzeitigen Antidiskriminierungskreuzzügler*innen – jahrzehntelang Verdis Otello von schwarz geschminkten weißen Tenorhelden gesungen, während ein farbiger Tamino kaum Engagements bekam. Durch all diese Wirrnisse hindurch stieg Grace Bumbry auch aufgrund der künstlerischen Liberalität Europas zum Weltstar auf.

Die 1937 in den rassistisch geprägten Südstaaten der USA, in St. Louis geborene Melzia Ann Grace hatte einfache, aber bildungsbewusste und musikalische Eltern; Singen im Kirchenchor war selbstverständlich. So wurde sie auf die erste, aber schon renommierte High School für Farbige westlich des Mississippi geschickt. Ihre vokale Begabung fiel auf, ihr Stimmlehrer Kenneth Billups schickte sie in einen Radio-Wettbewerb – sie gewann: 1000 Dollar, eine Reise nach New York und einen Platz am St. Louis Institute of Music. Doch genau dort wurde ihr die Aufnahme wegen ihrer Hautfarbe verweigert. Mit Beharrlichkeit setzte ihr Befürworter einen Auftritt in der US-weit ausgestrahlten TV-Sendung „Talent Scouts“ durch. Ausgerechnet mit Ebolis „O don fatale“ gewann Grace einen Platz an Bostons University College of Fine Arts und fand dort wieder erstklassige Lehrer. Ein Universitätswechsel führte zur Begegnung mit Sopranstar Lotte Lehmann und dementsprechend weiterem Vokal-Feinschliff – Ergebnis: ein fülliger Mezzosopran über drei Oktaven, ein Hauch von „sinnlichem Rauch“, dramatische Durchschlagskraft und schon zu ahnen: herausragende Bühnenpräsenz… Damit gewann 1958 die 31-jährige Grace die Metropolitan Opera Auditions – zusammen mit der gleichaltrigen farbigen Soprankollegin Martina Arroyo.

Grace Bumbry folgte dem Rat all ihrer Lehrer: auf ins „gelobte Land“ der Musik – nach Europa; 1960 Amneris an der Pariser Oper und ein Vier-Jahres-Engagement an der Oper Basel. Dann kam der Herzschlag-Anruf aus Bayreuth. Es ging um die Neuinszenierung „Tannhäuser“ (1961): Wieland Wagner, Wolfgang Sawallisch, Maurice Bejart und sein Ballet du XXième Siècle, Wolfgang Windgassen, Victoria de los Ángeles, Dietrich Fischer-Dieskau – und Bumbry als Venus, als erste farbige Sängerin im Wagner-Heiligtum. Die reaktionär-rassistischen Proteste der Alt-Wagnerianer schwappten höher als sonst, gegen Wieland und sie. Am Ende des Abends aber triumphierte die von nun an weltweit so etikettierte „schwarze Venus“: 30 Minuten Applaus mit 42 Vorhängen.

Die folgende Weltkarriere ist Lexikon-Stoff. Es gab sofort eine Einladung ins Weiße Haus durch Jacqueline Kennedy; nahezu alle Opernhäuser zwischen Paris, Mailand, Wien, London, New York luden sie ein: das ganze große Mezzo-Repertoire. Dazu Auftritte als farbenprächtig gekleidete Diva, die aus ihrem Rolls-Royce aussteigend zeigen wollte: Ich habe es gegen eure Vorbehalte und Anfechtungen geschafft! Leider ist ihre Carmen in der Salzburger Verfilmung von 1966 ein von Herbert von Karajan so gewolltes Glamour-Produkt – nur oberflächen-schön, im Gegensatz zu ihrer sonstigen, Abgründe nicht aussparenden Expression. Prompt war die von Kennern hochgeschätzte „Schatten-Callas“ Magda Olivero 1974 bereit, neben sich als Küsterin eben Grace Bumbry als Jenufa zu akzeptieren – ein singulärer Live-Mitschnitt aus der Mailänder Scala.

Allmählich wirkte Bumbrys Höhe so leuchtend und strahlend, dass sie auch andere Sopranrollen annahm: etwa Salome, Verdis Leonoren, Tosca und auch Gershwins Bess; dazu kamen Liederabende und die Besinnung auf die Musik farbiger Komponist*innen – bis hin zu Scott Joplins „Treemonisha“. Es folgten Ehrungen, Meisterkurse, 1997 der Bühnenabschied als Klytämnestra in Lyon – und der neue, letzte Wohnsitz in Wien. Dort, in ihrer Wahlheimat, ist die „schwarze Venus“ nach einem schweren Schlaganfall am 7. Mai gestorben. Zahlreiche Aufnahmen und Mitschnitte sichern ihren Platz in der Star-Etage der Oper – im Opernhimmel glänzt sie sowieso.

Wolf-Dieter Peter

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