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Editorial

Als die Gewerkschaft der Lokführer im Frühsommer 2007 einen eigenständigen Tarifvertrag, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn forderte, zur Untermauerung ihrer Forderungen sogar zu Arbeitskämpfen aufrief, war das Echo zweigeteilt: Während die unmittelbar von den Streiks Betroffenen, die Fahrgäste der Deutschen Bahn, ein wenig Missmut, aber viel Verständnis zeigten, erhob sich im Lager der Arbeitgeberverbände und der Großgewerkschaften ein Geschrei, das desto lauter war, je dürftiger die Argumentation.

   

Stefan Meuschel

 

Der Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände rief sofort nach dem Gesetzgeber, weil er die Schimäre der „betrieblichen Tarifeinheit“ in Gefahr sah. Diese landläufig „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft – ein Tarifvertrag“ geheißene Tarifeinheit setzt aber voraus, dass es innerhalb des einen Vertrages auch differenzierende Tarifgerechtigkeit gibt, dass also jede im Betrieb vorhandene große oder kleine Berufsgruppe den an sie gestellten Anforderungen entsprechend und gemäß den von ihr erbrachten Leistungen eingruppiert ist. Für einen Verwaltungsangestellten im Rundfunk müssen die Arbeits- und Entgeltbedingungen anders geregelt sein als für die Produktionsmitarbeiter. Die ARD- und ZDF-Tarifverträge sind so gestrickt – und soweit sie es nicht waren, hatten sie seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts die Auslagerung der Produktion an privatwirtschaftliche Tochterfirmen zur Folge.

Die Lokomotivführer konnten zur Berechtigung ihrer Forderungen darauf hinweisen, dass die beiden sie bis dahin vertretenden Großgewerkschaften, die Gewerkschaft Transnet im DGB und die Verkehrsgewerkschaft GDBA im Beamtenbund, entweder nicht willens oder nicht in der Lage waren, die berufsspezifischen Interessen des Fahrpersonals angemessen tarifvertraglich umzusetzen. Mit dieser Begründung hatten vor ihnen schon Viele ihr Eigenständigkeitsstreben durchgesetzt: die Orchestermusiker zum Beispiel, als sie sich von der ÖTV trennten und die DOV gründeten, die Ärzte des Marburger Bundes oder die Flugkapitäne, als sie die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di verließen. Auch der Deutsche Journalistenverband und die VdO sind so entstanden. Die Lokführer konnten nachweisen, dass ihre tariflichen Arbeitsbedingungen weit unter dem Durchschnitt ihrer Kollegen in den vergleichbaren europäischen Nachbarländern liegen: Der Lokführer des TGV zum Beispiel findet gut doppelt so viel in seiner Lohntüte wie der Führer des ICE. Von schlecht bezahlten und arbeitszeitlich überstrapazierten Lokführern gefahren zu werden, ist für die daher auch mit der GdL sympathisierenden Bahnreisenden kein beruhigendes Gefühl.

Den Grundsatz der „Tarifeinheit“ kennt weder das Grundgesetz, das „jedermann und für alle Berufe“ das Recht gewährleistet, „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden“, noch lässt es sich aus dem vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Richterrecht ableiten. Das bezog sich nur darauf, was zu geschehen habe, wenn ein und derselbe Sachverhalt in so genannter Tarifkonkurrenz unterschiedlich geregelt ist. Auf der Hand liegt es, dass die Großgewerkschaften sich aus Gründen der Gewerkschafts-, nicht etwa der Tarifkonkurrenz schwer tun, für die Restbestände des bei ihnen organisierten Fahrpersonals Anschlusstarifverträge an den GdL-Vertrag zu vereinbaren – doch so einfach, so arbeitnehmersolidarisch wäre das Problem zu lösen gewesen.

Zwei Probleme aber bleiben. Das der Großgewerkschaften ist es, dass sie von industriegewerkschaftlichen oder großbetrieblichen Kadern majorisiert werden und Binnenpluralismus sowie die Wahrnehmung von Minderheiteninteressen nur schwer praktizieren können. Das der kleinen, berufsverbandlich strukturierten ist es, dass sie, weil sie meist Beschäftigte in durchsetzungsstarken Schlüsselpositionen vertreten, der Gefahr des die Verhältnismäßigkeit sprengenden Gruppenegoismus ausgesetzt sind.

Beide Probleme haben ihre Wurzeln in der industriegewerkschaftlich geprägten Vergangenheit der Gewerkschaftsbewegung und in der Pervertierung des Gewerkschaftsgedankens in der Nazi- und in der DDR-Zeit. Die Ideologie der monolithischen, daher auch politisch wirkungs- und gegenmächtigen Organisationsstruktur lässt das Vertrauen in eine den Verbandspluralismus überwölbende Solidarität gar nicht erst aufkommen. Dabei zeigen die Beispiele der sich verselbständigenden Kleingewerkschaften, dass das Organisationsinteresse der Beschäftigten eher aus ihren Berufen erwächst als aus ihren Betriebszugehörigkeiten. Vielleicht liegt darin auch ein Grund für den von den Großgewerkschaften beklagten Mitgliederschwund?

Die durch den Aufstand der Lokführer ausgelöste gewerkschaftspolitische Debatte ist jedenfalls zu begrüßen.

Ihr Stefan Meuschel

 

 

 

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