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Kulturpolitik

Oper für Kinder

Von Elke Heidenreich

In der Ausgabe 6/07 von „Oper&Tanz“ empfahl Stefan Meuschel in seinem Editorial allen, ein Buch von Elke Heidenreich und Christian Schuller unter den Weihnachtsbaum zu legen: „Das geheime Königreich“ dokumentiert die Inszenierungen der Kölner Kinderoper seit ihrer Entstehung im Jahr 1996. Das Buch enthält eine reichhaltige Auswahl von Texten, die neugierig, Bildern, die Lust machen. Mit Genehmigung der Autorin drucken wir hier das Vorwort von Elke Heidenreich ab, in dem sie über Philosophie und Geschichte „ihrer“ Kinderoper spricht.
Elke Heidenreich, Christian Schuller, Das geheime Königreich. Oper für Kinder. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2007. 208 S., 24,90 Euro. ISBN 978-3-462-03959-7.

 
Ernst Kreneks Das geheime Königreich gab dem Buch seinen Namen. Das Foto mit Rapahel Schwarzer stammt von Klaus Lefebvre.
 

Ernst Kreneks „Das geheime Königreich“ gab dem Buch seinen Namen. Das Foto mit Rapahel Schwarzer stammt von Klaus Lefebvre.

 

Mitte der fünfziger Jahre, ich war dreizehn Jahre alt, habe ich meine erste Oper gehört. Das war einige Zeit nach dem Krieg, der die Städte und die Eltern zerstört hatte. Die Väter waren an Leib und Seele beschädigt aus Russland, Frankreich, Italien zurückgekommen, die Mütter hatten in den Bombennächten die Zärtlichkeit verlernt, Schönheit galt nichts, Poesie war unbekannt, es ging ums Wiederaufbauen.

Wie hätte ich wissen sollen, was Oper ist? Für so etwas war ohnehin kein Geld übrig. Aber dann nahm mich eines Tages eine ältere Freundin mit in „Die Zauberflöte“, und eine lebenslange Liebe begann – die Liebe zur unvernünftigsten, herrlichsten, leidenschaftlichsten aller Kunstgattungen, zur Oper. Natürlich habe ich den tieferen Sinn und auch die Texte der Oper oft nicht verstanden, denn das muss man erst lernen: auf das Wort zu hören, das gesungen wird und zu dem noch ein Orchester spielt. Aber ich habe sofort gespürt, ohne plausible Erklärungen dafür zu haben, was Oper bedeutet: Traum, sinnlicher Überfluss, Verschwendung, Tanz mit Tönen. Ich war bis ins Innerste aufgewühlt und hatte ein Gefühl von Glück, Luxus und Freiheit. In meinem grauen, engen Leben war die Tür ins Offene gefunden.

„ Zu Hilfe zu Hilfe, sonst bin ich verloren!“, singt Prinz Tamino ganz zu Beginn dieser Oper. Ich fühlte mich auch verloren in der Lieblosigkeit der Nachkriegsjahre, und hier nun waren auf einmal Kraft, Schönheit, Poesie, Magie, Anmut, Geheimnis, hier waren starke optische und akustische Eindrücke und Erschütterungen. Als ich nach Hause kam, war ich verändert und für immer die verlorene Tochter der Königin der Nacht.
In den letzten elf Jahren habe ich viele hundert Stunden in der Kölner Kinderoper verbracht, mit Christian Schuller zwanzig Opern erarbeitet, und immer habe ich bei den Aufführungen die jungen Zuhörer beobachtet und mich gefragt, ob es ihnen wohl ähnlich gehen möge wie mir damals. Da kamen sie, die kleinen und großen Kinder, von den Eltern begleitet, die auf diese Weise oft auch zum ersten Mal ein Opernhaus betraten und dabei Berührungsangst und Unsicherheit verloren; steigende Besucher- und Abonnentenzahlen im großen Haus sprechen hier eine eindeutige Sprache.

Die Kölner Kinderoper in der Yakult-Halle, so benannt nach einem großzügigen japanischen Sponsor, entstand auf Anregung des früheren Intendanten Günter Krämer 1996 im oberen Foyer der Oper. Der New Yorker Künstler Mark Beard konzipierte den Raum mit seinen Säulen, der prächtigen Treppe und dem Fries aus Tierköpfen. Die Kinder-oper hat 130 Plätze und spielt rund hundertmal pro Jahr, im Repertoire sind jeweils mehrere Stücke. Bis auf Richard Wagners erste Oper „Die Feen“ waren es durchweg Opern des 20. und 21. Jahrhunderts, die wir aufführten. Viel Vergessenes wurde ausgegraben, oft erstmals übersetzt oder so bearbeitet, dass die Aufführung nicht länger als eine Stunde dauerte. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die kleinen Zuschauer mit einer längeren Aufführungsdauer überfordert sind.

Auf der Bühne agieren professionelle Sängerinnen und Sänger des Opernensembles und junge Sänger des Opernstudios. Das – natürlich reduzierte – Orchester spielt in der Regel hinter der Bühne, das Orchesterpodest bietet Platz für maximal 18 Musiker. Über Monitore bekommen die Sänger ihre Einsätze. Sie treten von hinten, von vorn, von unten oder direkt aus dem Zuschauerraum auf, für Interaktion mit dem Publikum gibt es viele Gelegenheiten. Alle Inszenierungen waren farbenprächtig, fantasievoll und mit wunderbaren Kostümen und Bühnenbildern ausgestattet. Seit der ersten Inszenierung bereitet die Arbeit in der Kinderoper allen Beteiligten großen Spaß. Wir haben skurrile und melancholische Opern gespielt, Märchenhaftes und Orientalisches, Bekanntes und Unbekanntes, und an alles wurde ein hoher ästhetischer Maßstab gelegt. Zwei Inszenierungen – „Rotkäppchen“ und „Marouf, der Schuster von Kairo“ – besorgte Eike Ecker, alle anderen Inszenierungen stammen vom Kölner Oberspielleiter Christian Schuller, mit dem zusammen ich dieses Buch erarbeitet habe. Schuller ist es immer wieder gelungen, in Archiven vergessene Opern vergessener Komponisten aufzustöbern, die sich für unsere Absichten eigneten. Oft musste er die Stücke kürzen, straffen, neu gliedern, manchmal musste ein Werk erstmals übersetzt werden, und ich versuchte dann mithilfe des Klavierauszugs, den deutschen Text in den richtigen Rhythmus zu bringen. Die Mühe, die Liebe, das Engagement, die Arbeit sind für die Kinderoper genauso intensiv wie für die große Oper.

Es zeigte sich immer, dass die jungen Zuhörer nicht die geringsten Schwierigkeiten mit der Adaption moderner Musik hatten. Manchmal, wenn die Geschichten psychologisch ein wenig zu kompliziert waren – aber auch, wenn wir Zeit für Umbauten brauchten –, haben wir eine Figur aus dem Stück vor den Vorhang treten und ein wenig monologisieren lassen.

Es gab nie didaktisches Belehren, es gab kein Moralisieren, keinen erhobenen Zeigefinger. Die Kinderoper soll unterhalten – auf einem hohen Niveau, und sie soll den Zauber der Oper vermitteln. Dieses Buch dokumentiert anhand von zwanzig aufgeführten Opern in Text und Bildern die Arbeit der Kölner Kinderoper seit 1996.

Es soll einen Weg zeigen, wie man Kinder an die Oper heranführen kann, damit diese Kunstform auch in Zukunft ihr Publikum findet. Dieser Weg, den wir gewählt haben, heißt: Kinderoper ist nicht Oper mit Kindern, sondern Oper für Kinder. Kinder-oper ist nicht „klein“, sie ist nur im Sujet, in der Geschichte, die erzählt wird, dem Niveau der kindlichen Erfahrungswelt angepasst. Künstlerisch gibt es keine Abstriche oder Kompromisse, alles könnte auch so im großen Haus laufen. Denn ob Kinderoper oder große Oper – Oper ist und war immer die künstlerische Antwort auf unsere Fragen, Probleme und Hoffnungen. Glück und Sehnsucht nach mehr – das wollten wir in die Herzen der jungen Zuschauer und Zuhörer pflanzen. Soweit ich das beurteilen kann, ist es uns gelungen – mit dem „geheimen Königreich“ der Oper.

Elke Heidenreich

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