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Kulturpolitik

Die goldenen Musical-Jahre sind vorbei

Stage Entertainment trennt sich von Maik Klokow · Von Christoph Forsthoff

Zwei Alpha-Tiere auf derselben Bühne: Selbst in der glamourösen, am Ende stets auf fröhliche Mienen bedachten Welt des Musicals konnte diese Konstellation wohl kein Happy End nehmen. Dabei hatte Maik Klokow über Jahre als Kronprinz von Joop van den Ende gegolten, schien der niederländische Gründer des Unterhaltungskonzerns Stage Entertainment (SE) den rasanten Aufstieg seines deutschen Statthalters mit ebensoviel Wohlwollen wie Investitionen zu begleiten: Quasi aus dem Nichts hatte der ehemalige Boxer und Bühnenmeister seit 2000 Deutschlands größten Musical-Produktionsbetrieb geschaffen, ein Unternehmen mit 2.400 Mitarbeitern, bundesweit 11 Theatern (u.a. „König der Löwen“ und „Mamma mia“) und einem Jahresumsatz von zuletzt 382 Millionen Euro – womit die deutsche Tochter mehr als die Hälfte zum gesamten internationalen SE-Umsatz beitrug.

 
Vor der Abreise nach New York. Ensemble-Foto: Stage-Entertainment
 

Vor der Abreise nach New York. Ensemble-Foto: Stage-Entertainment

 

Und doch hatten Insider schon länger mit einem Bruch zwischen den beiden Hauptdarstellern gerechnet – und so überraschte allenfalls der Zeitpunkt, als die deutsche Tochterfirma Anfang Januar mitteilte: „Maik Klokow und Stage Entertainment haben sich gemeinsam darüber verständigt, dass Maik Klokow das Unternehmen zum 1. Januar 2008 verlässt.“ Schließlich war einen Monat zuvor gerade die umjubelte Premiere des Musicals „Ich war noch niemals in New York“ mit Songs von Udo Jürgens über die Bühne des Hamburger Theaters Neue Flora gegangen. Die erste Eigenproduktion aus dem Hause der Stage, maßgeblich von Klokow vorangetrieben, der angesichts von mehr als 200.000 verkauften Tickets denn auch wenige Tage nach der Uraufführung feststellte: „Solch einen Musical-Hit zu produzieren ist überall auf der Welt, ob nun am Broadway oder am Londoner Westend, etwas ganz Außergewöhnliches.“ Und einmal auf dem Gipfel angelangt, setzte der 42-Jährige gleich noch nach: „Normalerweise braucht es vier oder fünf Produktionen bis zu solch einem Erfolg – und wir haben das gleich beim ersten Mal geschafft!“

Wenig Erfolgsmeldungen

Doch der Jubel über diesen „Hit“ relativiert sich nicht nur vor dem Hintergrund eigener Vorverkaufszahlen aus der Vergangenheit – so waren etwa 2006 schon fast 300.000 Karten vor dem ersten Vorhang der Hamburger „Dirty Dancing“-Produktion verkauft worden, dennoch ließ das Interesse für den Tanz um den Film bald nach und im Juni hat es sich zumindest in der Hansestadt erst einmal ausgeschwoft für Johnny und sein „Baby“. Und auch sonst waren Klokows letzte zwei Jahre alles andere als von Erfolgsmeldungen begleitet gewesen: So floppte seine „diversifizierte Wachstumsstrategie“, mit der er das eigene Produkt-Portfolio mehr von Musicals in Richtung anderer Bereiche des Entertainments wie Comedy, Varieté, Theater- und Tanzproduktionen ausweiten wollte; eine Niederlage, wie der ehrgeizige Ex-Geschäftsführer einräumt – die neben Abschreibungen in Millionenhöhe mit den kleinen Bühnen Kehrwieder in Hamburg und Schlossparktheater in Berlin zwei Problemfälle hinterlassen hat. „Klein können die einfach nicht“, bringt es ein Kollege auf den Punkt.

 
Dirty Dancing im Staff Quarter. Foto: Stage Entertainment
 

„Dirty Dancing“ im „Staff Quarter“. Foto: Stage Entertainment

 

Kein glückliches Händchen hatte Klokow zudem mit der Wahl seines zwischenzeitlichen Nachfolgers Jan-Pelgrom de Haas: Grad mal ein Jahr hielt es den einstigen Manager der Grundy-UFA auf dem deutschen Chefsessel, dann löste sein inzwischen in die Amsterdamer Konzernzentrale gewechselter Vorgänger den glücklos agierenden Bürokraten Anfang 2007 wieder ab. Und gestand ein: „Wir haben alle an ihn geglaubt, er hat alles gegeben, aber manchmal passen Dinge einfach nicht zusammen“ – die freundliche Formulierung für einen Rauswurf und eine Fehlentscheidung. Letztere mag auch ein Grund gewesen sein, dass Alleinherrscher van den Ende, als er vergangenen April auf den Chefsessel des SE-Aufsichtsrats wechselte, nicht Klokow zu seinem Nachfolger ernannte, sondern Henk Kivits den Vorstandsvorsitz übernahm (und jetzt auch erst einmal interimistisch das Deutschland-Geschäft führt). Zweifellos ein kräftiger Dämpfer für die eigenen Ambitionen Klokows – und ganz gleich, ob Gerüchte um zusätzliche Kompetenzrangeleien zwischen dem Big Boss und seinem deutschen Statthalter im Vorfeld des Udo Jürgens-Musicals nun zutreffen: Für Klokow war der Premieren-Jubel sicher der beste Moment für einen noch halbwegs glanzvollen Abgang.

Teure Lizenzen

Denn die ungebremste Expansionseuphorie seiner ersten SE-Jahre ist längst verflogen, Potenzial für weitere Spielstätten sehen die Macher allein noch in München und der „Musicalhauptstadt“ Hamburg, der Umsatz hierzulande wächst nur noch im einstelligen Bereich. Stattdessen lasten die hohen Mieten ebenso auf den Bilanzen wie die Lizenzgebühren: „Klokow war am Broadway ein gern gesehener Gast, kaufte er doch Lizenzen auf wie ein Briefmarkensammler“, erzählt ein Insider, „und bot immer ein paar Prozent mehr als andere, um sich garantiert auch die Aufführungsrechte zu sichern.“ Statt üblicher 15 Prozent vom Einspielerlös zahlt der Marktführer da schon mal 20 Prozent, nicht selten noch kombiniert mit einer Gewinnbeteiligung – Tantiemen, die erst mal wieder verdient werden wollen. Vier bis fünf Jahre müsse eine Produktion wie das knapp elf Millionen Euro teure Udo Jürgens-Musical da bis zum „Break even“ vor ausverkauftem Haus laufen, rechnet ein Szenekenner vor – doch die Zahl der nach deutlich kürzerer Spielzeit wieder abgesetzten Musicals („Titanic“, „Mozart“, „42nd Street“, „Les Misérables“, „Die Schöne und das Biest“, usw.) lässt sich schon heute nicht mehr an einer Hand abzählen.

Nur konsequent also, dass Klokow in den letzten Jahren die Entwicklung eigener Produktionen (und damit eine Reduzierung der Lizenzgebühren) vorantrieb und auch nach weiteren Möglichkeiten suchte, um Kosten zu senken und die Einnahmen zu steigern. In Hamburg etwa hat er für das Operettenhaus mit dem Reisekonzern TUI erstmals einen Namenssponsor gewonnen: ein mehrere hunderttausend Euro schweres Ertrags-Modell, das auch auf die anderen Spielstätten übertragen werden soll. Das Casting der Hauptdarsteller für das Musical „Tarzan“, das im Oktober „Dirty Dancing“ in Hamburg ablöst, wird ab Ende Februar gemeinsam mit dem Fernsehsender SAT1 in der TV-Show „Ich Tarzan, Du Jane!“ durchgeführt: Zweifellos ein gelungener PR-Coup, der dem hierzulande weitgehend unbekannten Disney-Musical mit der Musik von Phil Collins schon vor dem Start eine breite Aufmerksamkeit bescheren dürfte.

Massive Sparmaßnahmen

Doch da auch hier erst einmal wieder Millionen investiert werden müssen, bevor die Einnahmen fließen, sind intern vorsorglich schon mal massive Sparmaßnahmen angekündigt worden. Denn, das war auch Klokow wohl bewusst: „Am Ende muss derjenige, der Geld investiert, auch wieder Geld herausbekommen.“ Selbst ein Musical-Maniac wie der Milliardär van den Ende, der nach Schätzungen von Branchenkennern seit Jahren allein im Deutschland-Geschäft zigmillionen Euro Verluste schreibt. Denn mag das Genre nach einer Studie der GfK mit rund sieben Millionen Besuchern im Jahr auch die beliebteste Live-Unterhaltung der Deutschen sein: Seit fast jedes mittelstädtische Theater das Musical als lohnende Zusatz-Einnahmequelle entdeckt hat, sind jene goldenen Großproduktions-Zeiten Vergangenheit wie einst im Hamburger Operettenhaus, wo Andrew Lloyd Webbers „Cats“ 15 Jahre lang die Kassen schnurren ließen.

Kein Wunder, dass sich da in der Branche hartnäckig das Gerücht hält, der alte Fuchs van den Ende, der bislang noch aus jedem Engagement ein Geschäft gemacht hat, warte nur auf eine günstige Gelegenheit für einen Verkauf der Stage Entertainment. Und auch den potenziellen Kandidaten für solch eine Übernahme haben Marktbeobachter schon ausgemacht: Ein weltweit operierendes Unternehmen, das als eigener Lizenzgeber nicht nur einen entscheidenden Kostenvorteil hätte, sondern auch gleich das lukrative Geschäft des Merchandising bedienen könnte – der Disney-Konzern.

Christoph Forsthoff

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