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Kulturpolitik

Bitte keine Kindertümelei

Ein Interview mit Christian Schuller · Von Christian Tepe

Zu einer in Fachkreisen und beim Publikum gleichermaßen anerkannten Institution der Opern-arbeit für junge Menschen hat sich die Kölner Kinderoper entwickelt, deren langjähriger Leiter bis Ende der letzten Spielzeit Christian Schuller war. Christian Tepe traf den Regisseur am Theater Bremen, wo er gerade die Endproben zu seiner Neueinstudierung des Kinderopernklassikers „Hänsel und Gretel“ betreute. Siehe dazu auch den Bericht auf Seite 10. Zusammen mit Elke Heidenreich veröffentlichte Schuller 2007 das Buch „Das geheime Königreich“ (s. unseren Abdruck des Vorworts auf S. 7).

 
Der Kinderopermacher Christian Schuller. 
Foto: Oper Köln
 

Der „Kinderopermacher“ Christian Schuller.
Foto: Oper Köln

 

Oper & Tanz: Herr Schuller, wie definieren Sie das Genre der Kinderoper? Ist es überhaupt sinnvoll, von einer eigenen Gattung zu sprechen?
Christian Schuller: Grundsätzlich nein. Es gibt weder die Kinderoper, noch Opern für Kinder. Sie können das Diminutiv in der Oper nicht benutzen, dann sind Sie bei der Operette. Es gibt die Oper, das ist ein Kunstwerk. Ich vergleiche das immer mit einem Schulbus und einem Linienbus. Was ist der Unterschied zwischen einem normalen Bus und einem Schulbus? Hat der Schulbus drei Räder? Hat er kein Steuer? Nein, es ist genau das gleiche Konstrukt, es ist genau die gleiche Firma, in der Regel die gleiche Marke; aber der Schulbus erfüllt an manchen Positionen eine andere Funktion. Das heißt, er hält an kindgerechteren Stationen. Und genauso gehen wir mit der Oper um. Die Geschichten müssen für die Kinder verständlich sein.

O&T: Es geht also nicht um speziell für Kinder konstruierte Stücke?
Schuller: Überhaupt nicht. Dezidierte Kinder-
opern sind in der Regel unglaublich medioker, weil die Erwachsenen zu wissen glauben, dass man für Kinder einfacher sein muss. Das stimmt einfach nicht. Die Kinder haben zum Beispiel mit Strawinskys „Die Nachtigall“ gar kein Problem. Die Musik ist wie bei Ravels „Das Kind und die Zauberdinge“ hochkompliziert. Doch wenn diese Opern ohne Kindertümelei inszeniert werden, funktioniert das großartig. Die einzige Einschränkung, die Kinder haben, ist eben ihr Alter. Sie haben einen noch nicht so großen Erfahrungsreichtum wie Erwachsene. Sie haben manchmal Probleme mit der Reflexion. Was uns und unsere Psyche ausmacht, das ist ihnen noch nicht so gegeben. Also ist die Auswahl auch immer daran orientiert, dass man Stücke findet, in denen eher typisiert als psychologisiert wird. Im Übrigen ist das Auswahlkriterium ausschließlich die Qualität der Musik.

O&T: In Köln konnten Sie die engen Repertoiregrenzen der für Kinder gespielten Opern erheblich ausweiten.
Schuller: Ich habe viele der Einakter und Kurz-opern, die Anfang des letzten Jahrhunderts entstanden sind, ausgegraben und sie nochmal auf ihre Spielbarkeit verifiziert. Es gab „Das geheime Königreich“ von Ernst Krenek, „Die Prinzessin auf der Erbse“ von Ernst Toch, eine Cenerentola-Oper von Ermanno Wolf-Ferrari, ein „Dornröschen“ von Ottorino Respighi oder die letzte Oper von Umberto Gior-dano „Der König“. Das ist alles große, richtig große Oper, aber zeitlich limitiert. Diese Opern dauern maximal anderthalb Stunden und sind eben für Kinder unglaublich gut rezipierbar.

O&T: Was haben Sie in Köln für Erfahrungen mit der „Doppeltadressiertheit“ von Opernproduktionen für Kinder gemacht, die sich ja immer auch an Erwachsene wenden?
Schuller: Der gigantische Nebenerfolg der Kinderoper in Köln, den niemand bei der Planung bedacht hatte, war der, dass nicht Kinder, sondern Erwachsene die Karten kaufen. Und plötzlich tat sich für Erwachsene, für Eltern, Tanten, Großmütter und Onkel auch ein Licht auf. Viele von ihnen kamen zum ersten Mal in ihrem Leben in die Oper und sagten: „Mensch, Oper ist doch großartig.“ Und darauf bin ich am meisten stolz; ohne es gewollt zu haben, plötzlich Tür- und Schwellenöffner geworden zu sein auch für die Emphase von Erwachsenen.

O&T: Haben Operninszenierungen für junge Menschen eine pädagogische Verpflichtung?
Schuller: Nein, Pädagogik und Didaktik ist nicht Sache der Oper, das ist Sache der Schule. Wenn wir einen pädagogischen Effekt haben sollten, dann ist es derjenige, dass wir mit dem, was wir tun, absolut wahrhaftig umgehen. Also, dass wir Kunst und Kunstphänomene so aufzeigen, dass sie etwas mit uns zu tun haben.

O&T: Sollten die Sängerdarsteller für die Opernarbeit mit Kindern eine besondere Befähigung mitbringen?
Schuller: Ja, noch besser zu sein als für Erwachsene; klarer zu sein, eindeutiger zu sein. Das ist das Einzige. Ist man auf der Bühne wahrhaftig, dann gelingen die schwierigsten Stücke, die man für die Kinder transportiert. Entscheidend ist, nicht von sich und seinen eigenen Empfindungen auszugehen, sondern von dem, was das Stück vorgibt. Der Autor muss im Vordergrund stehen mit dem jeweiligen Impetus, den er etabliert.

O&T: Im Zusammenhang mit der Förderung der Kinderoper wird häufig das Argument vorgetragen, die Kinder von heute seien das erwachsene Publikum von morgen.
Schuller: Natürlich ist das auch eine Investition für die Zukunft, denn was die Kinder jetzt nicht verstehen, damit werden sie es später schwer haben. Die Kinderoper in Köln hatte nichts anderes zum Ziel, als die Kinder in einer immer unübersichtlicher werdenden Gesellschaft so früh wie möglich mit Kunst zu konfrontieren. Die Oper ist manchmal kompliziert, die Kommunikationssprache auf der Bühne ist eine vollkommen verfremdete der gegenüber, wie wir sie betreiben; es wird singend kommuniziert. Und was ist das für ein Luxus, dass wir plötzlich sogar alle singen können! Wir können in einem Ensemble, einem Quartett oder Quintett unter der mächtigen Glocke einer großartigen musikalischen Idee unterschiedliche Intentionen formulieren. Das gibt es nur auf der Opernbühne. Wenn die Kinder glaubhaft dargestellt bekommen haben, dass dem gemeinsamen Kommunizieren auch eine überhöhte Form zu eigen sein kann, dann werden sie zukünftig auch keine Probleme mit der Kunstrezeption haben.

O&T: Dennoch legen Sie großen Wert darauf, die Opernerlebnisse nicht nur als Bildungsinvestitionen zu verbuchen.
Schuller: Ich sehe die Kinder für mich als das Publikum von heute. Die Erfahrung zeigt: Kinder sind jetzt engagiert, kriegen jetzt plötzlich andere Umgangsformen. Wir müssen für die Kinder genauso wie für uns denken. Wir gehen doch auch selbst in die Oper. Ich bin leidenschaftlicher Operngänger, weil ich das sogenannte Live-Erlebnis haben möchte.

O&T: Herzlichen Dank für das Gespräch.

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