Zum Eröffnungsprojekt kommt der Zuschauer in eine schlichte Halle mit einer mobilen Haupttribüne und zwei kleinen Seitentribünen; diese bilden drei Seiten eines Rechtecks, in dessen vier Ecken vier Instrumentalisten sitzen. Über die Musik ist in der Vorankündigung zu lesen, sie unternehme den Versuch, „den nicht dramatischen Text in einen szenisch-musikalischen Kontext einzubinden.“ Breitscheid untersuche die Möglichkeiten der Raumerkundung und Darstellungsformen mit neuen Medien. „Klänge werden verschoben, manipuliert und transformiert. Sie wandern nicht nur elektro-akustisch durch den Raum, sondern werden im Moment der Klangerzeugung bereits verändert, verschoben und unterdrückt.“ Wirklich eingelöst wird dieses Programm, soweit man hören und sehen kann, allerdings nur zum Teil. Die vier Instrumentalisten bleiben zumeist brav an ihrem Platz, der Klang wandert zwischen ihnen hin und her und sie lassen es dabei nach guter alter Avantgarde-Tradition knattern und kratzen, wimmern und zischen, orgeln und gurgeln. Dazu gibt es Überblendungen, Echo- und Nachhallwirkungen, die vor allem bei der nach einer Weile hinzutretenden Mezzo-Sopranistin Lani Poulson reizvoll wirken, ohne dass man sich über Ausdruck und Bedeutung dieser Klangwirkungen so recht im Klaren wäre. "Bildbeschreibung“ von Heiner Müller, 1984 entstanden und 1985 beim Steirischen Herbst uraufgeführt, ist ein schwieriger Text. „Eine Landschaft zwischen Steppe und Savanne“, beginnt die Beschreibung eines fiktiven Bildes, die sich assoziativ fortspinnt, dabei verschiedene Szenen, Gegenstände und Menschen ins Spiel bringt und sich zusehends auf eine gewalttätige, tödlich endende Beziehungsgeschichte zwischen einem Mann und einer Frau zuspitzt. Scheinbar harmlos beginnend zeigt „Bildbeschreibung“ immer stärker albtraumhafte Züge und zieht das lyrische Ich immer mehr in die beschriebenen Szenarien hinein. Am Ende steht die Deu tung des Bildes als Spiegel. Breitscheid entnimmt zwar dieser Schlusspassage den Titel seiner Musiktheater-Produktion; die dorthin führende Dynamik des Textes will er indessen nicht wahrhaben; er kann keine Finallogik erkennen. „Es geht nicht um die Vertonung des Textes“, so formuliert Klaus Zehelein in Juliane Votterles zum Verständnis sehr hilfreichem Programmheft die Intention, „sondern darum, die Möglichkeiten zu erforschen, die es heutzutage gibt, um einen Text mit Musik in einen neuen Zusammenhang zu bringen!“ Heiner Müllers Text aber ist zu stark, um bloß als Spielmaterial für formale Experimente zu dienen. Regisseur Jean Jourdheuil und sein Partner Mark Lammert (Raum- und Filmkonzeption, Kostüme) scheinen dies zu spüren. Sie setzen auf Ausdruck: Verschiedene Darsteller schreiten bedeutungsvoll durch den Raum. Alle führen mit großer Geste die anscheinend existentielle Bedeutung ihrer Aktionen vor Auge, eine altbackene Pathosformel jagt die andere. Dazwischen kommt auch die der Haupttribüne gegenüber liegende Plattform zum Einsatz; wenn sie nicht gerade waagerecht von Darstellern benutzt wird, wird sie des öfteren ganz mechanisch (!) von Hand in die Senkrechte heruntergekurbelt. Die eine Seite zeigt dann dem Publikum mehrmals anscheinend bedeutungsvoll den Spiegel, auf der anderen erscheinen bisweilen Video-Projektionen. Die Bebilderung erscheint keineswegs zwingend, sondern ziemlich willkürlich. Mit wachsender Beklemmung erlebt so der Beobachter, wie Phantasie und Engagement in szenisch-musikalische Langeweile umschlagen. Allzu halbherzig schwanken Breitscheid und sein Team hin und her zwischen Kunst und Handwerk, zwischen Aussage und Spiel, zwischen Opernhaus und Laboratorium. Über den zukünftigen Erfolg der Institution Forum Neues Musiktheater ist damit noch nichts gesagt: Die weiteren Projekte der Spielzeit sind „Infinito Nero“ von Salvatore Sciarrino und „Voyeur“ von Jörg Mainka.
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